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Literatur


04.2

Gedichte

Friedrich Raßmann






Die Zeit

Jeremiaden will die ernste Zeit nicht,
Die gleich tragischem Chor aus Hellas schreitet
Auf der Weltenbühne: Sie will nur Thatkraft,
Männliche Thatkraft,

Die, sich entrüttelnd trägen Schlummers Banden,
Und des Weibischen Zwitterzug im Busen
Löschend, nach dem obersten Ring der Kette
Sterblichen Thuns greift;

Schweigendes Dulden will sie und Ergebnung,
Ob den Opfern, die tausendfach der Menschheit
Abdrang Schicksalszorn, und die immerfort noch
Flackern wie Pechkranz.

„Aber ich wanke schon des Grabes Bucht zu.
Greisesnerven, was könnte noch sie spannen?
Sie erschüttern!“ – Stirb denn, des Sterbens Wohlthat
Dankend den Göttern!


oben

Der Laubfrosch

Ich bin der König der Frösche,
Und rag‘ im Volke hervor:
Zur Ulme steig ich und  Esche
Aus schilfigem Moder empor.

Welch lustiges Leben hier oben
Im heimlichen Blättergemach!
Zum Range der Vögel erhoben,
Wie steht das Gemeine mir nach!

Zwar kann mich der Vogel nicht leiden,
Dieweil ich ihm streif‘ ins Gebiet;
Doch schafft der Farbe Bekleiden,
Daß er nur selten mich sieht.

Die Menschen, sie haben mich gerne:
Ich heiß‘ ein Wetterprophet;
Doch Freiheit im Glas‘ ich verlerne:
Mein Sinn nach den Bäumen nur steht.

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Textgrundlage: „Sommerfrüchte“, Friedrich Raßmann,
Münster 1811, Bucheinband N. Depping, Münster

Sammlungen uni-münster

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