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Literatur


04.2

Gedichte

Friedrich Raßmann






Die Waldkapelle

Sie schlich hinweg, die Vermählte,
Aus stolzem Hochzeitssaal,
Wo prunkender Schimmer nicht fehlte,
Wo flüßig Gold der Pokal
Den weitgeschaarten Gästen bot:
Eins war ihr noth!

Sie ging zur stillen Kapelle,
Die tief im Walde lag;
Bestreute mit Blumen die Schwelle,
Und kniete nieder und sprach:
„O Gottesmutter, blick‘ auf mich
Gnädiglich.“

Da schien’s, als neige die Hehre
Voll Huld den goldnen Stab,
Als sprächen die Lippen: O näh’re
Dich nur; nie wend‘ ich mich ab! -
Und was in Elsbeths Brust gedrängt,
War losgesprengt.

„Hier hab‘ ich öfters gelegen
In Glut der Andacht gern;
Umgittert von grünen Gehägen,
Blieb jede Störung mir fern:
Dir gab zerknirschtes Herz ich hin,
Ich Sünderin.

„Doch heut, wie kummerbeladen,
Da ich zum Lebewohl
Mich find‘ an dem Sitze der Gnaden!
Nach weitentlegenem Pol,
Wann wieder Frührothsfarben glühn,
Muß Elsbeth ziehn.

„So will’s die Fingerbekleidung,
Die mir im Trauring ward;
In heiliger Bundesvereidung
Das Loos des Scheidens mir harrt!
Verwirf, Gebenedeite, nicht
Den Zoll der Pflicht.

„Für all‘ dein Seelenerquicken
An dieser Friedensstatt,
Für schwimmender Thränen Entzücken,
Des Glaubens kräftiges Bad,
Der Demuth Anhauch dank‘ ich dir
Jetzt für und für.

„Sey fürder stets im Geleite
Der treuergebnen Magd.
Gieb, will sie der Kummer zur Beute,
Den Sinn, der nimmer verzagt;
Und rückt der letzte Feind heran,
Sey Schild ihr dann!“

Als so die Gräfin ergossen
Den Busen im Gebet,
Im Staube noch kniet‘ unverdrossen, -
O Grausentsetzen! da steht
Hart an der friedlichen Kapell‘
Ein Raubgesell!

Vom Glanz der Steine geblendet,
Die Elsbeth trug im Haar,
Hat eben sich zu ihr gewendet,
Gezückten Schwerdts, der Barbar.
„Gebt Hauptschmuck oder Leben her!“
Wild donnert er.

Jedoch die Beterin achtet
Nicht auf der Rede Trutz;
Sie meint, es wird keiner geschlachtet,
Wer stets in Heiliger Schutz:
Und neuer Liebeslaute Chor
Ruft sie hervor.

Der Frevler schüttert zusammen,
Als hätt‘ ihn Blitz gelähmt:
Der Habsucht entloderte Flammen
Sind mit dem Mordsinn gezähmt;
Der Hand entsinkt des Stahles Last,
Wie mürber Bast.

Er wirft sich Elsbeth zu Füßen,
Und stammelt: „Ich ward weich
Durch eure Gebete, die süßen;
Und ließ den sausenden Streich.
O wirkt vor diesem Gotteshaus
Mir Ablaß aus.“ –

„Maria“ Gnade dem Sünder.
Dem sein Gewissen brennt!
Nimm unter erneuerte Kinder
Ihn auf, der Reue bekennt.
Ach! Fürbitt‘ ist mir Himmelskost.
Ich geh‘ getrost.“

Im dunkler schattenden Gange
Schritt nun die Dame fort;
Doch Jener besprach sich noch lange
Mit Schuldentsühnendem Ort,
Und hüllte sich ins Pilgerkleid,
Und wallte weit.

Ein Glöcklein hörte man klingen,
Da wo er ging und stand;
Es hob ihn mit wehenden Schwingen,
Wenn Waldkapellchen er fand.
Fromm’ Elsbeth, aller Makel bar,
Ihm Heil’ge war

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Textgrundlage: „Sommerfrüchte“, Friedrich Raßmann,
Münster 1811, Bucheinband N. Depping, Münster

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