lifedays-seite

moment in time




 
Literatur


04.2

Gedichte

Friedrich Raßmann






Harmonia

Hingewürget, hingeschlachtet -
Und kein Donnergott that Wehrung! -
Ward durch Greuel der Verschwörung
Gelons Sippschaft, - dicht umnachtet.
Nur der Königs-Tochter Leben
War vom Schwerdt verschont geblieben;
Wie das Reh, von Angst getrieben,
Hielt sie sich versteckt mit Beben.

Doch der Rotte Schaar zieht Kunde
Vom Asyl der Ungefällten,
Stürmet jähling aus Gezelten,
Ihr zu weihn die Todesstunde.
„Was von König Gelons Stamme
Nicht geblutet, noch soll’s bluten!“
Gleich empörten Meeresfluthen,
Dröhnt’s zum Ohr der wackern Amme.

Und, dem Pflegekind fest verkettet,
Gehen ihr die Augen über;
Giebt die eigne Tochter lieber
Dafür aus, damit sie’s rettet.
„Nun so streckt das allerletzte
Opfer, das euch Furien gönnen:
Dann mögt selbst das Schwerdt ihr rennen
In die Brust, die Mord ergötzte!“

Und die Tochter tritt gelassen
In des Todes grause Schranken,
Läßt’s Geheimniß nicht entwanken,
Als die Lippen ihr erblassen.
Und die grimmen Tieger haben
Ihren Blutdurst nun gestillet;
Und der Mutter Busen schwillet,
Daß solch Kind ihr Götter gaben.

Aber die Prinzessin dorten
Kann dies Weh nicht überleben!
Der Verzweiflung hingegeben,
Stürzt sie aus der Kammer Pforten.

„Ich Harmonia, Tyrannen!
Mich Prinzessin bohret nieder!
Ach! die Arme kehrt nicht wieder,
Die für mich gewallt von dannen.“

Und die Würger, froh der Beute,
Spotten, unter Schwerdterwetzen:
„Mußt du nun von selbst dich hetzen,
Wildpret, in des Garnes Weite?“ -
Und es taucht des Stahles Spitze.
Seufzerstammelnd: „Freundin! bleiche,
Freundlin!“ sinkt sie Leich‘ an Leiche,
Und vom Himmel zucken Blitze.


oben






_______________________________

Textgrundlage: „Sommerfrüchte“, Friedrich Raßmann,
Münster 1811, Bucheinband N. Depping, Münster

Sammlungen uni-münster

Logo 351: The fruits of Articum lappa, Urheber Bff, Moscow 2009,
CC Licenc
Namensnennung-Weitergabe mit gleichen Bedingungen
3.0 unported

wikimedia  

   lifedays-seite - moment in time