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Literatur


04.2

Gedichte

Friedrich Raßmann






Nachtsturm

Als wollt‘ er Wälle brechen und Thurmgesims,
Eichbäum‘ entwurzeln, reißen der Erde Wucht
Aus ehrner Angeln tiefem Einschnitt,
Tobet‘ und rasete grimmig Nachtsturm.

Wie stürzten zahllos Ziegel von Dächern, wie
Erkrachten Pforten, schwanketen Söller rings!
Schlaf mied das Auge: selbst der Säugling
Schmiegte sich fest an die Brust und horcht‘ auf.

Da dacht‘ ich Großes, hoher Empfängniß voll,
Ha! Meersorkan, wenn Wogen er peitschend ballt,
Zerschellt das lecke Schiff mit Mast und
Wimpel, es schleudert zur Spur des Senkblei’s.

Und Größ’res dacht‘ ich: Gott, den Allmächtigen,
Der jetzt dem Sturm den Kerker entriegelt, jetzt
Dem Wütrich dräut mit Fingeraufhub,
Daß er zurück in der Höhle Kluft fährt.

Windstille bietend, grüßte das Morgenroth.
Nun schlüpfte scheu der zagende Mensch hervor,
Erforschte seines Hauses, seines
Gartens Beschädigung, maß den Schaden

Nach Krämerell, und fluchte der Schreckennacht,
Er, der in ihr ob Sturmesgebrüll gebebt,
Vielleicht gebetet. O vergieb ihm,
Sender des Sturms, wie des Sturms Beschwicht’ger!


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Textgrundlage: „Sommerfrüchte“, Friedrich Raßmann,
Münster 1811, Bucheinband N. Depping, Münster

Sammlungen uni-münster

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