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04.2
Gedichte - Walter
Rheiner
Insel der Seligen
Ein Abendlied
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DAS
NEUNTE ABENDLIED
Abend,
himmlische See!
Blaue
Gnade! Neig dich auf des Ergriffenen Haupt!
Spül
ein, spül ein in das klingende Herz,
ein
in der Dörfer ersterbendes Rot.
Mische
dich bald der gebenedeieten,
der
Träne, die von den Wimpern strahlet,
da
des Einsamen Stirn, klar von deiner Tiefe,
tief
sich dir neigt.
Nimm
ihn auf! Schon rüstet zum Flug er sich
weit
in die kosmische Au. Der Sonne
dürstet
ihn. Schwarzer Reise
der
Nacht vertraut er sich träumend an.
Erflehte
Landschaft ersteht in der Brust.
See
blüht im Wald, silberne Blume, enorm,
Abbild
unendlicher Wölbung und Burg,
deren
Zinnen klingen von Morgen klar.
Gieß dich aus, selige Heimat, fernste, nächste!
Wie weit, ach wie weit ist es zu wandern
in deinen Schoß. Wie bitter,
an deinen Grenzen verlangend zu stehn!
. . .
Den Atem fühlen, den göttlichen, den du
spendest!
Inbrünstiges
Antlitz trinkst du auf in dich!
Wie
ein Baum (kaum noch Mensch), wie ein Felsen
steht
vor dir der Ergriffene: dein Geschöpf!
zurück
DAS
ZEHNTE ABENDLIED
(Ode)
Des
Abends grüne Woge erhebt sich groß.
Die
Firmamente über uns singen leis.
In
dunklem Rausch ein Baum gewaltig
wirft
sich im Tanze dem Mond entgegen.
Der
Wald flammt schwer, ein finsteres Feuer weit.
Die
Wiese schwankt gespenstisch, ein Schiff im Raum.
Gestirne
hangen, fernes Antlitz,
fremd
zwischen Wolken, die näher schweifen.
Wir
schlafen tief. Es nistet die Stirn im Stein
des
Hauses, das mit uns durch die Träume fährt,
die
uns der Sonne Wein noch schenkte,
dunkel
am Horizont: Mohnes Blüte!
Die
Nacht äugt groß am Fenster, ein buntes Tier.
Vom
Wolkenrand träuft Licht auf der Lippe Flor.
Die
Hand erbleichend schwankt im Schlafe.
Düstre Musiken erklingen innen
in
unsrer Brust.
Unendliche Nacht dort blüht
und
steigt und
tönt. Ein Meer schwemmt durch uns hindurch.
Wir sinken tief und
tiefer immer,
schlafend und träumend zu uns hinüber!
zurück
HEIMKEHR
An
meiner Nächte Horizonten mächtig kreisend,
magnetisch
düster von den Wolken hangend:
—
da bist du wieder, große Stadt! Du wehe Mutter!
Die
Straßen, die mein Schluchzen jäh umfah,
thronende
Giebel, von der Hochbahn Pfeil
zerfetzt:
sie sind! und sind mir immer da!
So
nimm mich auf, gigantisches Gemach!
An
deinen Wänden spül ich wirbelnd hin.
(Von
heulender Kuppel dröhnet neu der Sonne Explosion!)
Brausende
Nächte! Mystisches Revier!
Da
torkeln Menschen, und die Stadtbahn zischt
in
mein Gedicht. Gleisdreieck schwebt empor
und
wirft mich in der roten Kirchen Tanz
und
Schwall von Menschen (Zappel-Puppen viel)
und
bleichen Schiffen, die im schwarzen Flusse faulen.
Berlin!
Berlin! Heimat du aller Wege!
Du
aller Fahrten Ziel! Du Hohe See!
Du
bittrer Schoß umschließest
schweigend mich ...
zurück
oben
___________________________
Textgrundlage: "Insel
der Seligen, Ein Abendlied", Walter Rheiner,
Das neueste Gedicht, Heft III, Dresdner Verlag von 1917, 1918
archive.org
Logo 510:
„january
sunrise“, jenny downing,
CC-Lizenz
(BY 2.0)
Bild
stammt aus der kostenlosen Bilddatenbank
www.piqs.de
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