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Literatur


04.2


Gedichte

Franziska Stoecklin
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Tiere im Wald

Wald, wie betreuend
verhüllst du die Tiere
in deinem unendlichen
Rauschen und Schweigen.
Fern den Menschen
sind sie am schönsten.
Geheim im Blau.
Selten, daß dir ein Reh
am Waldrand scheulos begegnet.
Den runden Tierblick
in deine Menschenaugen taucht.
— Und ward es dir nicht
wie ein geisterhaftes Berühren,
Wink aus dem Zwischenreich,
deine Sehnsucht schmerzend —?
 
Tiere und Bäume
sind sinnvoll verschwistert,
teilen des Waldes Geheimnis.


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Südliche Hymne

O wieviel zärtliches Berühren,
wie viele Küsse
gaben meine Augen schon
den Dingen!
Wie fühlten sie das Meer
bei Ischia und bei Sorrent.
Sein Blau, sein Glatt,
Sein Süß, sein Grauen.
Und streiften oft
der Segelschiffe geisterhaftes
Irgendwohingleiten.
Den Zug, der sich so unvergeßlich
schlank bewegenden Delphine.
Das Flimmern und den Bogenfall
der Sterne.
 
Wie liebten sie die weißen,
glückhaft schimmernden
Kuppelhäuser,
an denen keine Mauer
undurchfühlt erbaut.
Die milchiggrünen
mächtigen Kakteenpflanzen,
deren Früchte süß
und heilsam für das Herz.
Die sonnenbraunen Knaben, die
mit lässiger Anmut
in halbgeöffneten Türen lehnen,
und Mädchen, Mädchen,
die antikisch schreitend,
hohe Krüge auf dem Kopfe
zu biblischen Zisternen tragen.
Und immer wieder Blumen,
Farben, Bäume, Farben. —
Augenrausch von weiß,
und gold und blau.


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An die Liebe

Alle suchen sie dich
und überall lockst du.
Aus tausend Verhüllungen schimmert
dein unenträtselt Gesicht.
Aber wenigen nur
gewährst du Erfüllung,
selige Tage, reines Glück.
Zärtlich wehn dich die Blumen,
die scheuen Gräser,
der Schmetterlinge heiterer Flug;
wilder der Wind
und das ewig sich wandelnde Meer.
Wunderbar strahlst du
aus den Augen des Menschen,
der ein Geliebtes
in seinen Armen hält,
vom tönenden Sternenhimmel überwölbt.
In die zitternde Seele
schweben Schauer
von Leben und Tod.

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Das Meer

O Meer, wer kann dich lieben
ohne dich zu fürchten,
du Zauberwelt von letztem Grauen
und seraphischem Glanz!
Denn deiner Wellen Schwung
und Seligkeitsbewegung
birgt noch, wo sie uns sänftlich spielend scheint,
dämonische Gewalt.
 
Umrauschte Inseln der Sirenen,
Turm Gilbert Clavels,
einstmals Schutz vor Sarazenen,
jetzt ernster Wächter Positanos,
königlichem Felsennest,
und Stadt der tausend Treppen.
Wo noch in heimlichen Tälern
hellstes Grün und reife Feigen überraschen.
 
Ihr fühlt das Meer
in ewiger Umarmung.
Ihr kennt sein tausendfältig Lieben,
sein blauestes Seidestreicheln,
seinen mächtigen Haß.
Ihr seht die Sonne
abendlich in seiner Flut versinken,
und wißt, daß alles schon
vor tausend Jahren war.


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Schlaf

Schwebe, sinke in die besternte
Tiefe der Nacht.
Neige dich gläubig
dem Geheimnis des Schlafes.
So leise naht er,
der ewig Junge, ewig Verhüllte.
Berührt die Lider der Wachenden
zärtlich mit Mohn.
Breitet Schleier der Vergessenheit
über Wünschen und Leid.
Nimmt dich ganz sanft
in seine unentrinnbaren Arme.
Entführt die Liebste dem Geliebten
in sein unenträtselt Reich.
Wo du vielleicht in ungeahnten
Welten wandelst.
Auf ferner Insel
einer Traumgeliebten lächelst.
Beim stillen Mahle
mit geliebten Toten weilst.
Oder aus langem, dumpfem Nichtsein,
beschenkt mit neuen Kräften,
in den Tag erwachst. 

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Freundschaft

Wie Blumen neigen sich
die hellen Mädchen,
die innigen Gestalten,
liebe Frauen,
in mein Leben.
Und ihrer Freundschaft dank ich
Stunden süßer Seligkeiten,
gemeinsam Trauern,
herben Abschiedsschmerz.
O, daß kein Sturmwind,
daß keine Hand
die schönen Kelche
seelenlos ergreife.
Zu sehr sind sie der Freundin
zartere Liebkosung,
und herzlichstes Verstehn gewöhnt.


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Die Fremde

Gott weiß, woher er kam,
wohin es ihn rief,
der Fremde, mit den runden,
schauenden Augen,
dem hellen Menschengesicht.
Er schritt, schritt ruhvoll
unter fern blauem Herbsthimmel
durch den tönenden Wald.
Bäume umbrannten ihn,
Rot, Gold und Purpur.
O, er verstand —:
Noch einmal, noch einmal
wollen wir brennen,
unsere ganze Daseinskraft
in Farben verströmen,
Triumph sein, den Himmel küssen!
Bevor wir, schwarze Skelette,
weichen Schnee tragen,
einsam winterbüßen. —
Laub fiel raschelnd nieder.
Milde Sonne beglänzte den Wald,
des Fremdlings beredte Hände,
die jetzt liebreich
ein Zweiglein Herbstbeeren brachen,
in deren Zinnoberfrüchten sich noch einmal
des Sommers Wärme, des Sommers Fülle rundet.
Und er schritt weiter
durch den tönenden Wald,
schritt ruhvoll,
Gott weiß, wohin ...



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Bäume

Könige seid ihr,
denn die Erde liebt euch am meisten,
darum hält sie euch
innig fest.
Nährt aus unversiegbarer Fülle
die heiligen Wurzeln.
Aber auch der Himmel liebt euch
im ewigen Kusse,
und der Wind
spielt mit euren Kronen,
oder beugt den schlanken Leib
in mächtiger Umarmung.
Nach des Regens
gütigem Segen
glänzen die Blätter
in schönerem Grün.
 
Dankbar ist der Fremdling,
der wegmüd
in des Baumes Schatten sinkt,
sein Haupt
an den braunen Stamm lehnt,
wie an eine große Geliebte.
Besänftigendes
steigt in seine Seele.
Nach des Tages Wanderung
schließen sich schwer
die rosigen Lider,
neigt sich
ein Wunderbares
in seinen Traum.
Über dem einsamen Schläfer
tönt das ewige Rauschen ...


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