Vor Tag
1
Wir harren nicht
mehr ahnungsvoll
Wie sonst auf blaue Märchenwunder;
Wie sich das Buch entwickeln soll,
Wir wissen's ganz genau jetzunder.
Wir blätterten
schon hin und her
- Denn ruchlos wurden unsre Hände -,
Und auf der letzten Seite sahn
Wir schon das schlimme Wörtlein Ende.
2
Und geht es noch
so rüstig
Hin über Stein und Steg,
Es ist eine Stelle im Wege,
Du kommst darüber nicht weg.
3
Schlug erst die
Stunde, wo auf
Erden
Dein holdes Bildnis sich verlor,
Dann wirst du niemals wieder werden,
So wie du niemals warst zuvor.
4
Da diese Augen nun in
Staub
vergehen,
So
weiß ich nicht, wie wir uns wiedersehen.
zurück
Märchen
Ich hab's gesehen und
will's
getreu berichten;
Beklagt
euch nicht, wenn ich zu wenig sah!
Nur
sommernachts passieren die Geschichten;
Kaum
graut die Nacht, so rückt der Morgen nah,
Kaum
daß den Wald die ersten Strahlen lichten,
Entflieht
mit ihrem Hof Titania;
Auf
Weg und Steg spazieren die Philister,
Das
wohlbekannte leidige Register.
Kein
Zauber wächst für fromme Bürgersleute,
Die
tags nur wissen, wie die Glocke geht.
Die
gründlich kennen gestern, morgen, heute,
Doch
nicht die Zeit, die mittendrin besteht;
Ich
aber hörte wohl das Waldgeläute,
Ein
Sonntagskind ist immer der Poet;
So
laßt euch denn in blanken Liederringen
Von
Reim zu Reim ins Land der Märchen schwingen.
zurück
Dämmerstunde
Im Sessel du, und ich zu
deinen
Füßen,
Das
Haupt dir zugewendet, saßen wir;
Und
sanfter fühlten wir die Stunden fließen,
Und
stiller ward es zwischen mir und dir;
Bis
unsre Augen ineinander sanken
Und
wir berauscht der Seele Atem tranken.
zurück
Gode Nacht
Över de stille
Straten
Geit klar de Klokkenslag;
God Nacht! Din Hart will slapen,
Und morgen is ok en Dag.
Din Kind liggt in
de Weegen,
Un ik bün ok bi di;
Din Sorgen und din Leven
Is allens um un bi.
Noch eenmal lat uns
spräken:
Goden
Abend, gode Nacht!
De
Maand schient ob de Däken,
Uns'
Herrgott hölt de Wacht.
zurück
Im Zeichen des
Todes
Noch war die Jugend
mein, die schöne, ganze,
Ein Morgen nur, ein Gestern gab es nicht;
Da sah der Tod im hellsten Sonnenglanze,
Mein Haar berührend, mir ins Angesicht.
Die
Welt erlosch, der Himmel brannte trübe;
Ich sprang empor entsetzt und ungestüm.
Doch er verschwand; die Ewigkeit der Liebe
Lag vor mir noch und trennte mich von ihm.
Und
heute nun - im sonnigen Gemache
Zur Rechten und zur Linken schlief mein Kind;
Des zarten Atems lauschend, hielt ich Wache,
Und an den Fenstern ging der Sommerwind.
Da
sanken Nebelschleier dicht und dichter
Auf mich herab; kaum schienen noch hervor
Der Kinder schlummerselige Gesichter,
Und nicht mehr drang ihr Atem an mein Ohr.
Ich
wollte rufen; doch die Stimme keuchte,
Bis hell die Angst aus meinem Herzen schrie.
Vergebens doch; kein Schrei der Angst erreichte,
Kein Laut der Liebe mehr erreichte sie.
In
grauer Finsternis stand ich verlassen,
Bewegungslos und schauernden Gebeins;
Ich fühlte kalt mein schlagend Herz erfassen,
Und ein entsetzlich Auge sank in meins.
Ich
floh nicht mehr; ich fesselte das Grauen
Und faßte mühsam meines Auges Kraft;
Dann überkam vorahnend mich Vertrauen
Zu dem, der meine Sinne hielt in Haft.
Und
als ich fest den Blick zurückgegeben,
Lag plötzlich tief zu Füßen mir die Welt;
Ich sah mich hoch und frei ob allem Leben
An deiner Hand, furchtbarer Fürst, gestellt.
Den
Dampf der Erde sah empor ich streben
Und ballen sich zu Mensch- und Tiergestalt;
Sah es sich schütteln, tasten, sah es leben
Und taumeln dann und schwinden alsobald.
Im
fahlen Schein im Abgrund sah ich's liegen
Und sah sich's regen in der Städte Rauch;
Ich sah es wimmeln, hasten, sich bekriegen
Und sah mich selbst bei den Gestalten auch.
Und
niederschauend von des Todes Warte,
Kam mir der Drang, das Leben zu bestehn,
Die Lust, dem Feind, der unten meiner harrte,
Mit vollem Aug ins Angesicht zu sehn.
Und
kühlen Hauches durch die Adern rinnen
Fühlt ich die Kraft, entgegen Lust und Schmerz
Vom Leben fest mich selber zu gewinnen,
Wenn andres nicht, so doch ein ganzes Herz. -
Da
fühlt ich mich im Sonnenlicht erwachen;
Es dämmerte, verschwebte und zerrann;
In meine Ohren klang der Kinder Lachen,
Und frische, blaue Augen sahn mich an.
O
schöne Welt! So sei in ernstem Zeichen
Begonnen denn der neue Lebenstag!
Es wird die Stirn nicht allzusehr erbleichen,
Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.
Ich
fühle tief, du gönnetest nicht allen
Dein Angesicht; sie schauen dich ja nur,
Wenn sie dir taumelnd in die Arme fallen,
Ihr Los erfüllend gleich der Kreatur.
Mich
aber laß unirren Augs erblicken,
Wie
sie, von keiner Ahnung angeweht,
Brutalen
Sinns ihr nichtig Werk beschicken,
Unkundig
deiner stillen Majestät.
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