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Literatur


04.2




Gedichte

Der zunehmende Mond
Rabindranath Tagore
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Das andere Ufer

 
Ich möchte hinübergehn an das Ufer des Flusses drüben,
 
Wo jene Boote angeseilt sind an die Bambuspfähle in einer Reihe;
 
Wo Männer in ihren Booten überfahren in der Frühe, mit Pflügen auf ihren Schultern, ihre Felder weit draußen zu ackern;
 
Wo die Kuhhirten ihre blökenden Kälber über den Strom schwimmen lassen nach den Uferweiden;
 
Von wo sie alle heimkommen am Abend und lassen auf der Insel, der von Unkraut überwucherten, die heulenden Schakale zurück.
 
Mutter, erlaubst Du's, so würd' ich gern Bootsmann bei der Fähre werden, wenn ich einmal groß bin.
 
***

Sie sagen, es sind seltsame Sümpfe verborgen hinter jenem Ufer,
 
Wo Schwärme wilder Enten hinkommen, wenn die Regen vorüber sind, und dickes Rohr wächst um die Ränder, da Wasservögel ihre Eier legen;
 
Wo Schnepfen mit ihren tanzenden Schwänzen ihre kleinen Zehenmale in den reinen, weichen Schlamm drücken;
 
Wo im Abend die hohen Gräser, mit weißen Blüten behelmt, den Mondstrahl einladen, auf ihren Wogen zu spielen.
 
Mutter, erlaubst Du's, so würd' ich gern Bootsmann bei der Fähre werden, wenn ich einmal groß bin.
 
***
 
Ich werde hinüber- und herüberfahren von Ufer zu Ufer, und alle die Jungenund Mädchen im Dorf werden mich anstaunen, während sie baden.
 
Wenn die Sonne des Himmels Mitte erklimmt und der Morgen in den Mittag vergeht, werde ich nach Hause gelaufen kommen und sagen: »Mutter, ich habe Hunger!«
 
Wenn der Tag um ist und die Schatten unter den Bäumen kauern, werd' ich im Dämmern heimkommen.
 
Ich werde nie weggehen von Dir, in die Stadt arbeiten, wie Vater.
 
Mutter, erlaubst Du's, so würd' ich gern Bootsmann bei der Fähre werden, wenn ich einmal groß bin.



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