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Literatur


04.2




Gedichte

Der zunehmende Mond
Rabindranath Tagore
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Der Engel
 
 

Sie schreien und kämpfen, sie zweifeln und verzweifeln, sie wissen kein Ende ihren Zänken.
 
Laß' Dein Leben unter sie kommen wie eine Flamme Licht, mein Kind, ohne Flackern und rein, und entzücke sie zum Schweigen.
 
Sie sind grausam in ihrer Gier und ihrem Neid; ihre Worte sind wie verborgene Messer, dürstend nach Blut.
 
Geh' und stelle Dich unter ihre schelen Herzen, mein Kind, und laß' Deine milden Augen auf sie fallen wie der verzeihende Abendfriede über den Streit des Tags.
 
Laß' sie Dein Antlitz sehn, mein Kind, und so den Sinn aller Dinge erkennen; laß' sie Dich lieben und so einander lieben.
 
Komm' und wohne im Busen der Unendlichkeit, mein Kind. Mit Sonnenaufgang öffne und erhebe Dein Herz wie eine blühende Blume, und zum Untergang neige Dein Haupt und vollende im Schweigen des Tages Gottesdienst.


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