Der
zunehmende Mond
Rabindranath
Tagore
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Des
Kindchens Wesen
Wenn
Kindchen nur wollte, könnte es in diesem Augenblick zum Himmel
auffliegen.
Es ist
nicht umsonst, daß es uns verläßt.
Es liebt
es, seinen Kopf auszuruhn an Mutters Brust und kann es niemals
ertragen,
wenn
seine Augen sie nicht sehn.
Kindchen
kennt allerhand weise Worte, wenn auch Wenige auf Erden
ihren
Sinn verstehen
können.
Es ist
nicht umsonst, daß es niemals zu sprechen verlangt.
Das
einzige, das es verlangt, ist Mutters Worte von Mutters Lippen zu
lernen.
Darum
schaut
es so unschuldig drein.
Kindchen hatte einen Haufen Gold und Perlen
und doch kam es wie ein Bettler
in
diese Welt.
Es ist
nicht umsonst, daß es in solcher Verkleidung kam.
Dieser
liebe, kleine, nackte Bettler gibt vor, ganz hilflos zu sein, damit er
um
Mutters
reiche
Liebe betteln kann.
Kindchen
war so frei von jeder Fessel im Lande des kleinen, zunehmenden
Monds.
Es war
nicht umsonst, daß es seine Freiheit aufgab.
Es weiß,
daß Raum ist für endlose Freude in dem kleinen Winkel von Mutters
Herzen
und
daß es viel süßer ist als Freiheit, in ihren lieben Armen gefangen
und
geherzt
zu werden.
Kindchen wußte nichts vom Schreien. Es
wohnte im Lande der vollkommenen
Seligkeit.
Es ist
nicht umsonst, daß es das Weinen erwählt hat.
Wenn es
auch mit dem Lächeln seines lieben Gesichtes Mutters sehnendes Herz
zu
sich
zieht, so schlingen doch seine kleinen Schreie über winzige Kümmernisse
das
doppelte
Band von Mitleid und Liebe.