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Literatur


04.2




Gedichte

Der zunehmende Mond
Rabindranath Tagore
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Der letzte Vertrag
 
 
»Komm und miete mich«, schrie ich, als ich des Morgens auf der steingepflasterten Straße ging.
 
Das Schwert in der Hand, kam der König in seinem Wagen.
 
Er hielt meine Hand und sagte: »Ich will Dich mieten mit meiner Macht.«
 
Aber seine Macht war mir nichts wert, und er fuhr davon in seinem Wagen.
 
***
 
In der Hitze des Mittags lehnten die Häuser mit geschlossenen Türen.
 
Ich wanderte entlang die krumme Gasse.
 
Ein alter Mann kam heraus mit seinem Sack voll Gold.
 
Er sann nach und sagte: »Ich will Dich mieten mit meinem Geld.«
 
Er wog seine Münzen, eine nach der andern, aber ich wandte mich fort.
 
***
 
Abend war's. Die Gartenhecke stand ganz in Blüte.
 
Das liebliche Mädchen kam heraus und sagte: »Ich will Dich mieten mit einem Lächeln.«
 
Ihr Lächeln blaßte und schmolz in Tränen, und sie ging zurück allein im Dunkel.
 
***
 
Die Sonne glitzerte im Sand, und die Meereswellen brachen landeinwärts.
 
Ein Kind saß da, mit Muscheln spielend.
 
Es hob seinen Kopf und schien mich zu kennen und sagte: »Ich miete Dich mit Nichts.«
 
Von da an machte mich dieser Vertrag, im Kinderspiel geschlossen, zum freien Mann.

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