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04.2
Gedichte
Der
zunehmende Mond
Rabindranath
Tagore
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Der
Anfang
»Wo bin ich
hergekommen, wo hast Du mich aufgelesen?« fragte das Kind seine Mutter.
Sie
antwortete halb weinend, halb lachend und drückte das Kind an ihre
Brust:
»Du warst
verborgen in meinem Herzen als seine Sehnsucht, Liebling.
Du warst in
den Puppen meiner Kinderspiele; und wenn ich aus Lehm das Bildnis
meines Gottes
formte jeden Morgen, dann formte und vernichtete ich Dich.
Du warst mit
eingeschlossen in der Gottheit unsres Hauses; sie verehrend, verehrte
ich Dich.
In all
meinem Hoffen und Lieben, in meinem Leben, in dem
Leben meiner Mutter hast Du gelebt.
Im Schoß des
unsterblichen Geistes, der über unserm Hause waltet, bist Du genährt
worden
durch Menschenalter.
In meiner
Mädchenzeit, da mein Herz seine Blumenblätter aufschloß, schwebtest Du
als ihr
Duft darüber.
Deine zarte
Sanftheit blühte in meinen jugendlichen Gliedern wie ein Wolkenglühn
vor
Sonnenaufgang.
Himmelserwählter
Liebling, Zwilling des Morgenlichts, Du bist den Strom des irdischen
Lebens
heruntergeschwommen und zuletzt bist Du an meinem Herzen gestrandet.
Ich schaue
in Dein Gesicht, und Unfaßbares überkommt mich: Du, der allen gehört,
bist mein geworden.
Vor Angst,
Dich zu verlieren, halt' ich Dich eng an meine Brust. Welcher Zauber
hat den
Schatz der Welt in diese meine schlanken Arme verstrickt!«
oben
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