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Literatur


04.2


Gedichte

Leon Vandersee




Wenn ich tot bin ...

In der Truhe liegt ein weißes Kleid
und ein grünes Kränzlein dicht daneben –
meine Mutter hat es mir gegeben,
meine Mutter tut mir gar so leid.

„Trag’ mein Lebelang kein Festgewand,
nie wird mich die Myrtenkrone schmücken –“
Ging die alte Frau Zypressen pflücken,
drückte sie mir weinend in die Hand.

Meine Mutter bracht’es fast ins Grab,
dass die Leute so verächtlich taten,
weil der Herzgeliebte mich verraten,
unserm Kinde keinen Namen gab.

„Wenn ich tot bin, Mutter, nimm das Kleid
und das Myrtenkränzlein aus der Truhe,
tu mir ab die schweren Wanderschuhe,
lege mir den Hochzeitsstaat bereit.

Bald, ich fühl’s ist meine Zeit dahin –
liebe Mutter, darfst nicht um mich klagen –
wenn die Leute kommen nach mir fragen,
sag’ – dass ich bei meinem Kinde bin . . .“


Ach, manchmal fürcht ich mich

Wie durftest du mein Sein zur Lieb entfachen
und wandelst selber unberührt dahin –
ach, manchmal fürcht ich mich vor deinem Lachen,
vor deinem jugendfrohen, leichten Sinn.

Was weißt denn du von Sehnsuchtsfiebernächten,
von Heimwehstunden, die das Herz durchweint,
rang deine Seele je mit finstern Mächten,
hast du vor Qual zu sterben schon gemeint?

War je der Wunsch in deinem Blick zu lesen:
Gott, nimm sie von mir, diese tiefe Pein –
warum lässt du vor allen andern Wesen
mich, grade mich, so maßlos elend sein?

Ach, manchmal fürcht ich mich vor deinem Lachen,
vor deinem jugendfrohen, leichten Sinn –
du lässt die Leidenschaften auferwachen
und schreitest sorglos über die dahin!


Dein Glück

Seltsame Rätsel birgt dein Blick,
dein dunkler, schwermutvoller,
in deinen Augen liegt vom Glück
ein Schein, ein irrer, toller –

der blitzt und sp[r]üht wie der Rubin
an deiner Hand, der bleichen –
ein jäher Strahl zuckt zu mir hin –
dein Glück – geht über Leichen . . .



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Textgrundlage: aus der Sammlung Leon Vandersee
„Verwehte Blüten“

Wenn ich tot bin
aus der Sammlung " Fieber" 
Dein GlückAch, manchmal fürcht ich mich
gedichte.xbib

Logo 256: "Unterföhringen",  Margaret Hofheinz-Döring,
1981,
Quelle: Peter Mauch

Lizenz
wikimedia

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