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Literatur


04.2



                                                       Gedichte - Leon Vandersee

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Es gibt Tage

Es gibt Tage, da tut mir die Sonne weh,
da schmerzt es mich, wenn ich ins Helle seh’,
da fürcht’ ich das Licht und die Lebensfülle
und sehne mich einzig nach Dunkel und Stille.

Nach dem Schweigen der Nacht und nach Einsamkeit –
die legt ihre Hände so sanft auf mein Leib,
die hat mit den Heimatlosen, den Armen
so heiliges Mitleid, so tiefes Erbarmen . . .


Komm her

Du Arme, die du so verlassen bist,
von Glück und Freude weltenweit geschieden,
für dich hab’ich daheim zum heiligen Christ
ein Lichterbäumchen in des Hauses Frieden.

Ein Weihnachtslied – ein wenig Flittertand –
komm her, komm her, ich füll’ dir deine Hand!
Ach, einsam sein, nicht mehr in treuer Hut,
ich weiß doch auch, wie bitter weh das tut.

Und heute just, da alle Glocken klingen,
da sie das Hohelied der Liebe singen,
da Kerzen flammen hinter allen Scheiben,
heut wolltest du in Nacht und Dunkel bleiben?


Mitleid

Ein Frühlingstag – wir wandern weit hinaus –
in allen Gärten duftet süß der Flieder,
schwer hängt und voll die Blütenfülle nieder –
es prangt ein Gärtchen fast vor jedem Haus.

Nur eine Hütte steht so fahl und bloß,
einsam – verfallen – an der Vorstadt Ende –
windschief das Dach, verwittert Tür und Wände,
die Fenster blind – zerbrochen – blütenlos . . .

„ Nicht eine Blume –“ Du siehst traurig aus –
In deinen Augen stirbt das frohe Leuchten,
Mitleid bricht heiß aus diesen tränenfeuchten
lichtblauen Sternen: „Ach das arme Haus –

Nicht eine Blume – und der Frühling lacht –
weißt Du, was ich jetzt möchte? Soll ich’s sagen? –
Ein blühend Reislein in die Hütte tragen –
sonst friert mein Herz und weint die ganze Nacht . . .“


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Textgrundlage: Leon Vandersee aus der Sammlung
 „Heimatlose“

Es gibt TageKomm herMitleid
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Stiefmütterchen und Schmetterlinge,
Olga Wisinger-Florian (1844-1926).
Ca. 1926, gemeinfrei

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