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Literatur


04.2



Gedichte - Emil Verhaeren

Stunden des Nachmittags

 

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Des Sommers herrliche Barken, die
den Raum durchstürmten in tollem Jagen,
kehren müde, kehren zerschlagen
heim von blutender Himmelsprärie.

Schleppende Ruder ziehn
sie schwer mit eintönigen Zügen;
auf dem Wasser ruhn sie wie Wiegen
mit des Herbstes Blumen darin.

Ragende Lilien, goldgestirnte,
alle liegt ihr tot, erschlagen;
nur der Rosen Gluten versagen
nimmer, wie der Tod auch zürnt.

Ihre Schönheit fragt sich nicht,
Ob April, ob Oktober blinkt;
ihre kindliche Sehnsucht trinkt
tief bis auf's Blut alles Licht.

Selbst wenn der Himmel sterben will,
unter der zürnenden Wolke Fall,
blühen und glühn mit dem flüchtigsten Strahl
weiter sie bis an's Weihnachtsziel.

Seelen, wie sie seid hoffnungsgroß;
sie sind dem Stolz der Lilien fern,
aber bergen im Blütenkern
Inbrunst, heilig und wandellos.


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Herz-, Sinnen, Seelenliebe, arme Namen!
der lästert, der mit ihnen Liebe nennt.
Fragst du dich, Sonne, was bei deinen Flammen
des Abends Glanz von Mittags- und Morgengluten
trennt?

Du gehst, von deinem eigenen Licht beblendet,
des großen Himmels blaue Wüstenbahn;
du weißt, daß in dir deine Kraft vollendet,
daß dem Mysterium dein Gluten untertan.

Lieben heißt fiebern, heißt sich regen ohne Rasten;
du, deren Anmut lind mein stolzes Herz umfließt;
an unseres Traumes Gold laß nie uns prüfend tasten;
dich liebt mein ganzes Wesen, liebt Alles, was du bist.


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Der Sommerabende regloser Glanz,
wie er zum Kranz
über den Rasen sich windet,
will ohne leere Gebärden uns zeigen
und ohne Wort, wie das Schweigen
sich der Freude verbindet.

Der junge Morgen und was er gebracht,
ging mit der Brise von uns sacht;
selbst Mittag und all die Samtgewinde
seiner schweren und schwülen Winde
ruhn nicht mehr auf den brennenden Strecken.
Die Stunde naht, da feierlich der Abend,
ohne Schauer zu wecken
im Baumgeäst
und in die Teiche keine Furche grabend,
sich still aus Bergeshöhen im Garten niederläßt.


O endlos goldene Fläche, die auf den Wassern sich
dehnt!
O Bäume, mit ihrem Schatten dicht über das Schilf
gelehnt!
O tiefes, schönes, prächtiges Schweigen,
du wandelloses,
dem ein so großes
Verlangen wir dankbar neigen,
daß wir in dir zu leben, zu sterben uns sehnen,
um aufzuerstehen, in dich versunken,
zwei Herzen, die unersättlich trunken,
von Lichtern, die nie vergehen können!
 

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Du sagtest mir in jenes Abends Reine
so schöne Worte, o gewiß, daß still
die Blumen uns geliebt und daß von ihnen eine,
uns beide zu berühren, auf unsere Kniee fiel.

Als du mich mahntest, wie am Stamm der Zeiten
schwer unserer Jahre reife Frucht schon hängt,
wie unser Schicksal bald erbebt von Todesläuten,
wie Liebe ernst und lächelnd des Alters Kelch empfängt.

Stark, licht und tief umfing mich deine Rede;
dein Herz erglühte: furchtlos sah mein Geist
die Straßen all sich auftun, deren jede
vielfach verschlungen nach dem Grabe weist.


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Stunden voll Morgenlicht, Nachmittagsstunden,
Stunden, vor allen andern hehr und schön,
die stolz und zart in zögernd langen Runden
durch unsere lauen Gartenpfade gehn,
vor deren Pracht, wenn sie vorüberziehen,
die Rosenbüsche tief zum Gruß erglühen:
der Sommer stirbt, es will der Herbst entstehn.

Stunden, von Blumen umwunden, ob wir euch
wiedersehn?

Doch nimmt das Schicksal, das der Sterne Lauf
bewacht,
vor Schläge, Leid und Unheil uns in acht,
so naht vielleicht ein ferner Tag und füllt
die Augen wieder mir mit eurem Bild;
dann soll, indes aus Glanz und Schmelz gefügt,
ihr sacht die Runde auf dem Rasen wiegt,
und gleitet zwischen Helligkeit und Schatten,
sich sieghaft licht euch ein Gedanke gatten,
ein Hoffen, endlos, stark und hoheitsvoll,
von meinen Abendstunden der Schritt, das Lebewohl.


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