Gedichte
Hildegard Voigt
Meine Toten
Wenn Euch mein Sehnen suchet,
Schaut Ihr wie Mond auf mich
Und reicht mir Eure Hände,
So still und feierlich.
Dann liegt um Eure Wangen
Ein Lächeln selger Art,
Das ist mit tiefem Schweigen
Um Euren Mund gepaart.
Wenn ich um Rat Euch bitte,
Dann bleibt Ihr wohl mir stumm,
Doch liebendes Verstehen
Weht weich um mich herum.
Ich
fühl’s, Ihr baut mir Brücken
Zu
weltentrücktem Port;
Wenn
leis mein Herz sie wandelt
Begegnen
wir uns dort.
oben
Susanna
Du schmiegest um den kleinen Becher
Sacht deine feine, bleiche Hand,
Wie sich dein Mund, ein müder Zecher,
Still neigt auf den kristallnen Rand.
Aus deiner Augen ernstem Lächeln
Winkt jeder Blick im Abschiedsgruß,
Und um uns rauscht im düstern Fächeln
Nachtschwarz ein unerbittlich »Muss«.
Dein schönes Haupt, das todgeweihte,
Schmiegt sich an meine Schulter lind,
Still setzt den Becher ich zur Seite,
Still ruhst du, wie ein müdes Kind.
So
schweigen Zwei, weil Beide wissen!
Es
bebt mein Herz in Trennungsnot.
Mir
bleibt das ew'ge vermissen,
Du
lächelst nur, stark wie der Tod.
oben
Tränenlos
Wir halten uns an den Händen,
Wir weinen und klagen nicht.
Wir streichen mit leisem Finger
Über dein stilles Gesicht.
Wie
liegt so weit nun dahinten,
Was
siech an dir und was krank!
Wir
denken in Ehrfurcht-Staunen
Der
Welt, die mit dir versank.
oben
Dein
irdisch Teil
Vor uns liegt leblos deine stille Hülle,
Draus nun dein letzter Atemzug entwich.
Noch ganz durchtränkt von erdenleidens Fülle
Streckt müd dein Leib zu letzter Ruhe sich.
Nur zögernd deckt das Lid
der Augen Spiegel,
Schwer
sinkt ins Pfühl zurück dein Angesicht,
Drauf
drückt der Tod sein königliches Siegel.
Sein
bist du! Und du bist’s doch wieder nicht.
So
lässt ein Schmetterling wohl, hold beflügelt,
Achtlos
zurück der Raupe morsch Gewand,
Nicht
mehr vom wehen Erdenrest gezügelt,
Fand
deine Seele nun ihr Heimatland.
oben
Leere
Es ist so still um mich!
Aus jedem Winkel atmet Schweigen.
Ich fühle, was nicht ist,
Sich schwer auf meine Schulter neigen.
Die Leere greift nach mir.
Mit kalten, unsichtbaren Händen
Zwingt sie den Blick, das Ohr
Erschauernd ihr sich zuzuwenden.
»Da
bin ich! Fühlst du mich?«
Ich
neig mich ihr von Gram umflossen,
Weil
sich im Todesschlaf
Dein
lieben, blauen Augen schlossen.
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Textgrundlage:
"Dornenkinder", Gedichte
von Hildegard Voigt - Dem
Gedächtnis einer lieben Seele,
Norddeutscher
Verlag für Literatur und Kunst, Stettin, hergestellt in der Grafischen
Kunstanstalt
von M. Bauchwitz, Stettin. - Original von Princton University –
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Meine Toten, S. 58 - Susanna, S. 60 - Tränenlos, S. 61 - Dein irdisch Teil, S. 62 - Leere, S. 63
Logo 352: "The inflorences of
Arctium lappe" Moscow 2009, Urheber Bff,
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