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Literatur


04.2


Gedichte

Hildegard Voigt

 

 Deine Hand

Ich hab mein Glück in deine Hand gegeben,
Und zitternd schlossest du es heimlich ein.
Es ruht in deiner Pulse heißem Beben
Geborgen wie in einem Heilgen Schrein.

Ich hab mein Glück in deine Hand gegeben!
Aus deiner Hand nahm ich mein Frauenlos.
Die Wert der Ewigkeit gab meinem Leben,
Dieselbe Hand gab ihm den Todesstoß.

oben

 Auf der Töne Wellen

Auf der Töne Wellen steigst du nieder.
Bei der Orgel brausendem Akkord
Lösen mir sich die gebundnen Glieder
Wie auf rätseldunkles Zauberwort.

Nah wie einst empfind ich deine Nähe,
Gibt dein Wesen mir sich ungehemmt,
Hör dein Lachen ich, das herbe, wehe,
Dieses Lachen, dem die Freude fremd.

Fühl dein Wesen meines überfluten,
Fühl, wie höchstes Glück dem Leid verwandt,
Fühle wieder ineinander bluten
Unsre Herzen, die der Schmerz verband.

oben

 Der schwarze Flügel

Dass ich dir einst so zehrend wen getan,
Wird selber mir zum bittren Schmerzensherd.
Du gingst! Ja wusst, dass es für immer war,
Stand ohne Reu und hab die nicht gewehrt.

Vom kahlen Ast hob scheu ein Vogel sich,
Mein Ohr erschrak an seinem schrillen Schrei,
Und eine schwarze Feder trug der Wind
Im Wirbelspiel an meinem Aug vorbei.

Wie meine Hand sie fing, durchzuckt’s den Sinn,
Dass sie damit ein Schicksal unterschriebe:
Für immer trenn ich mich vom Sonnenschein,
Von Erdenglück und holdem Traum der Liebe!

Bank krächzend stieg der Vogel in die Luft,
Dem stillen Wald zu, der sich schon entlaubt.
Mir ist, als rauscht seitdem ohn Unterlass
Ein schwarzer Flügel über meinem Haupt.

oben

 Wieder ich

Was öffnest du dich vor mir, Sonnenpforte?
Willst du mir zeigen, was ich nie besaß?
Der goldnen Aue blütenschwere Wonne,
Die meiner bei der Ernte stets vergaß?

Wie Flügel hebt es mich! Ist das die Freude?
Nie zeigte sie mir Antlitz und Gestalt,
Im Straucheln bebt mein Fuß auf ihrer Schwelle,
Und hilflos sucht die Hand nach einem Halt.

Wie Blütenregen triest’s aus goldnen Wolken,
Von Rosenblättern atmet rings die Luft,
Die Seele zittert, steht wie angstgebunden,
Zu lang geengt in ihrer dunklen Gruft.

Und abwehrheischend streck ich meine Hände,
Verhüllt das Antlitz vor dem holden Licht.
Das nachtgewohnte Auge sucht geblendet
Die Finsternis, den Glanz erträgt es nicht.

Und sieh! Erschuf mein Wunsch die dunklen Wolken
Von Regen nicht, von eisgem Hagel schwer?
Empörte Windsbraut jagt im jähen Zürnen
Den zackgen Blitz, den Donner vor sich her.

Wie seid ihr mir erprobte Kampfgespielen!
Manch Pfeil aus eurem Schoß zerfleischte mich.
Willkommen, Nacht, du wilde, bang vertraute,
Hol aus zum Schlage! Ich bin wieder ich!

oben

 Macht Musik

Macht Musik mir, wilde, laute,
Die mein Herzweh übertönt!
Und macht Nacht um mich, tiefdunkle,
Dass kein Lichtstrahl mich verhöhnt!

Schriller Missklang reißt und martert
Meiner Seele Saitenspiel,
Und verzerrte Bilder gaukeln,
Wo vom Aug der Tropfen fiel.

Macht Musik mir, dass mein Denken
Vor dem Schall in nichts versinkt,
Wenn in brausenden Akkorden
Sich der Geist vergessen trinkt.




______________________
Textgrundlage: "Dornenkinder", Gedichte von Hildegard Voigt - Dem Gedächtnis einer lieben Seele,
Norddeutscher Verlag für Literatur und Kunst, Stettin, hergestellt in der Grafischen Kunstanstalt
von M. Bauchwitz, Stettin. - Original von Princton University – Digitized by Google

Deine Hand, S. 35  - Auf der Töne Wellen, S. 36 Der schwarze Flügel, S. 37,
Wieder ich, S. 38  -  Macht Musik, S. 39


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