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04.2
Vorworte Hedwig
Lachmann
zu
Edgar Allen Poe
Von
den in nur geringer Anzahl vorhandenen Gedichten Edgar Poës habe ich
diejenigen ausgewählt, welche als „Poëms
of Manhood“ gesammelt sind. Einzelne, die das Auseinanderlegen
und Wiederaufbauen, schlechtweg Übersetzen genannt nicht gut vertragen
hätten, habe ich ausgelassen. –
Im
engbegrenzten Pflichtgebiet des Übersetzers bleiben und doch keinen
Gedanken des Dichters verkümmern lassen, ist jederzeit schwer,
angesichts der verblüffenden Technik Poës geradezu unmöglich. Ich habe
mich von dem Glauben leiten lassen, dass man dem Dichter am ehesten zu
seinem Rechte verhilft, wenn man ihn in seiner Wesenseinheit zu
erfassen sucht, und daher in erster Linie danach gestrebt, mit dem
gedanklichen Inhalt die Stimmung wiederzugeben. –
Im
„Raben“ hätte die strikte Durchführung des Refrains „Nimmermehr“
oder „Nimmer“ wie im Original des „Nevermore“, zu großen Zwang
auferlegt, weshalb ich ihn erst mit dem Erscheinen des Raben selbst im
Rahmen des Gedichts eingeführt habe. –
Mögen
hier zum Schluss noch die Worte des Dichters, die er seinen
eigenen Schöpfungen vorangesetzt hat, eine Stelle finden: „Dichten war
bei mir eine Leidenschaft und Leidenschaften sollten geehrt werden,
denn sie entstehen nicht auf Geheiß.“
Berlin,
im April 1891.
Hedwig
Lachmann
*****
Die
Verhängung schweren Leidens über ein vom Hause aus sonnenloses
Menschendasein ist eine der unergründlichen Willensäußerungen der
Natur. Es gibt innere Kräfte, die im Zwielicht indifferenter
Lebensverhältnisse halb schlummern, ungleich flackern, gedämpft
schimmern wie Gaslicht im Halbdunkel, doch es kommt die Nacht, sie
kommt mit der Unabwendbarkeit von Naturvorgängen, und die gedrückten
Flammen schlagen auf, werfen grelle Streiflichter, malen übergroße,
verzerrte Schatten. – Das Leben sucht sich für seine Stürme gern eine
weite, zerklüftete Menschenbrust, es liebt die düstern Gründe, die
tiefen Risse, die verborgenen Spalten, es trägt seinen Aufruhr am
Liebsten dorthin, wo die Wirren der inneren Natur bereits Empörung und
Kampf geschaffen haben.
Solchem
Eindringen der Schicksalstücke auf ein düster geartetes Gemüt begegnen
wir bei Edgar Allan Poë. Von einer Beschaffenheit, die selbst unter
günstigem Horoskop bedeutsame Konflikte gezeitigt hätte, mahnt sein
Inneres unter dem Ansturm des Leidens an die Opfer elementarer
Verheerungen. Sein Leben umfasst die kurze Spanne Zeit von 38 Jahren.
Er war 1811 in Baltimore geboren und starb 1849 auf einer Reise nach
New-York. – Aus der Perspektive entrückter Zeit erscheinen die Umrisse
eines in’s Auge gefassten, hinter uns liegenden Zieles nicht in ihrer
Schärfe; durch das Fernrohr vermittelnden Studiums blickend, erkennt
man, daß die Linien bei freier Betrachtung weniger schneidend
hervortreten, die Ecken und Kanten abgerundeter erscheinen würden.
Zeitgenössische Biografen beurteilen Poë größtenteils mit der
Leidenschaftlichkeit oder überlegenen Kälte, wie sie obzuwalten
pflegen, wenn der Gegenstand des Interesses ein naher ist, über den
Aufzeichnungen späterer liegt etwas wie väterliche Milde; zweifellos
ist, dass sein Wandel einer jener stürmischen, ungezügelten,
unbeständigen Lebensführungen war, die viele verdammen, niemand gut
heißt, wenige bemitleiden.
Früh
verwaist, war er von einem reichen Schotten in Virginia, Mr. Allan,
adoptiert und in eine Schule nach England gebracht worden, wo er bis zu
den Universitätsjahren verblieb. In seiner Erzählung „William Wilson“
entwirft er ein Bild aus dieser Zeit. Schon damals zeigten sich die
Anfänge zu einem bewegten Drama, in welchem der Held seine Rolle mit
aller Innerlichkeit einer ursprünglichen Natur auffasste. In die
kleinen Begebnisse des Schullebens legt er die Bedeutsamkeit, bringt
ihnen dasselbe intensive, wechselnde Empfinden entgegen, das im
gereifteren Alter schicksalsbestimmende Geschehnisse wachzurufen
pflegen. – Nach beendeter Schulzeit kehrte er nach Amerika zurück und
hiermit beginnt die fiebrische Periode seines Lebens, welche ihren
Abschluss in der Enterbung von Seiten seines Pflegevaters fand und die
erschütterte Grundlage wurde, in welcher geordnete Verhältnisse nicht
Wurzel fassen wollten. Der Geist der Störrigkeit, den er einmal eine
der natürlichsten und vorherrschendsten seelischen Eigenschaften nennt,
von dem die Philosophie in ihrem analytischen Verfahren keine Notiz
nehme, muss ihm in hohem Grade inne gewohnt haben. Eine starre
Unbeugsamkeit den Forderungen der Menschen gegenüber, ein Trotz, der
das eigene Herz ebenso martert als er fremde verletzt, der sich an den
Schmerzen der eigenen Brust weidet, drückt ihm den Stempel auf. Und
doch war das düstere Weltbild, das er in sich trug, nicht so sehr das
Ergebnis seines mit der natürlichen und gesellschaftlichen Ordnung in
Konflikt geratenen Innern als die Widerspiegelung einer Fantasie, der
finstere Genien ein Land erschlossen, wo sich Raum- und
Größenverhältnisse ins Titanenhafte dehnten, wo stille Freuden keinen
Boden, kleines Glück keine Heimat hatte. Seinem Studium, während dessen
er sich ebenso durch glänzende, geistige Errungenschaften als durch
Zügellosigkeit hervortat, ward durch die Relegation von der Universität
ein jähes Ende bereitet. In Erbitterung über diese Ehrenkränkung, so
verdient sie gewesen sein mochte, und wohl auch im Drange, ein
besonderes Leben zu beginnen, fasste er den knabenhaften Entschluss,
sich den aufständischen Griechen beizugesellen, kam jedoch nur bis
Petersburg, wo er, aller Barschaft entblößt, mit Hilfe des dortigen
amerikanischen Konsuls zurückbefördert werden musste. Er mag seinen
Pflegevater ob solcher Exzesse nicht eben milde gestimmt gefunden
haben. Zwar ermöglichte ihm dieser noch auf Wunsch den Eintritt in eine
Militärschule; nachdem er sie jedoch eigenmächtig verlassen, kam es zum
völligen Bruch. Nun folgt eine schwere Leidenszeit. Als er mit einer
Serie Erzählungen „Tales of the Folio Klub“ einen Preis gewonnen,
erschien er vor dem Komitee, ein wahres Bild des Jammers, mit allen
Zeichen der Entbehrung und Verwahrlosung. Wohlwollende Männer nahmen
sich seiner an und verhalfen ihm zu journalistischer Tätigkeit. Es
duldete ihn aber nicht lang am selben Orte. Von Richmond war er nach
Baltimore gegangen und hatte sich gegen 1839 in Philadelphia
niedergelassen. Hier entstanden seine vielleicht bedeutendsten und
charakteristischsten Erzählungen „Ligeia“ und „der Fall des Hauses
Usher“.
Das
dichterische Reich Edgar Poës liegt an der verschwommenen Grenze, wo
die Konturen der Wirklichkeit mit den Schatten der Fantasie
zusammenfließen. Sein eigenstes Wesen offenbart er, wenn er, von den
geheimen Kundgebungen der Natur ausgehend, zwischen ihr und der
Menschenseele Fäden spinnt, an denen er die ewigen Rätsel an das
Tageslicht der Wahrnehmung ziehen möchte. Und woran ließen sich die
Übergriffe der übersinnlichen in die Erfahrungswelt wohl besser
knüpfen, als an die schaurig erhabenste, geheimnisvollste,
unabweislichste aller Erscheinungsformen – das irdische Vergehen? Hier
schafft er sich ein breites, dunkles Feld, durch dessen aufgelockerte
Schollen er verwegene Blicke in den heimlich wirkenden Schoß wirft, auf
dieser Verbindungsbrücke zwischen Hier und Dort späht er nach dem
Ineinandergreifen der beiden Welten, hier stellt er die intimsten
Wechselbeziehungen zwischen Individuum und Natur her und verbreitet
darüber die beklemmende Atmosphäre des tragischen Schauders, jenen
finstern, aber unleugbaren Zauber, der das Geheimnis seiner
dichterischen Gewalt in sich trägt. – Ligeia ist die Personifikation
des Willens zum Leben im Kampf mit den Machtbezeugungen der Natur. Er
geht von dem Satze aus: „Der Mensch überlässt sich nicht völlig den
Engeln oder dem Tode, es sei denn durch die Schwäche seines Willens“ –
mit andern Worten: machtlos wäre der Tod, den Willen zu vernichten,
wenn ihm dieser als gesammelte, unbeeinträchtigte, ungeschwächte Kraft
entgegenträte. Traurig fantastisch, wie dieser Gedanke an und für sich
sein mag, er gewinnt Kraft durch die wundersam poetische Gestaltung,
durch die feierliche Schönheit, mit der er ihn umkleidet. In dem „fall
of the house of Usher“ gibt er eine Analyse entstehenden Wahnsinns.
Auch hier das herüberragende Jenseits, das feuergefärbte Dunkel der
Stimmung.
Der
Erfolg, den er mit diesen Erzählungen erzielte, weckte in ihm einen
freudigen Schaffensdrang und schien sein Leben in glattere und ruhigere
Bahnen bringen zu wollen. Im Herbste desselben Jahres veröffentlichte
er seine sämtlichen Prosaerzählungen unter dem Titel „Tales of the
Grotesque and Arabesque.“ Sein literarischer Ruf war nun in steter
Zunahme begriffen. Im Jahre 1840 ward er dem „Graham Magazine“
verpflichtet und entwickelte während anderthalb Jahren eine ungemein
produktive Tätigkeit als Schriftsteller und Kritiker, die ihm auch in
Europa viele Leser und enthusiastische Bewunderer verschaffte. Größeres
Aufsehen jedoch noch als die Erzählungen erregte seine Schrift
„Autography“ und die Veröffentlichungen über Kryptographie. Hierin
behauptete er, menschlicher Scharfsinn könne keine geheime Schrift
erfinden, die menschlicher Scharfsinn nicht zu entziffern vermöge, und
in der Tat gelang ihm die Lösung der schwierigsten Proben, die ihm
darauf hin eingesandt wurden. Edgar Poë hat uns freiwillig einen Blick
hinter die Kulissen seines Schaffens tun lassen, er hat bekannt, dass
er mit der kühlen Berechnung des Mathematikers vorgehe, hat die
Entstehung des „Raben“ vom ersten Keimen an dargelegt und zwar, weil er
diese Methode des Produzierens zum Prinzip erheben wollte. Die
Konzeption entsprang dem Wunsche, eine bestimmte Wirkung im Gemüt des
Lesers zu erzielen. Nachdem er das Schöne als einzig legitimes Gebiet
der Poesie erkannt hatte, suchte er nach dem Ton seiner höchsten
Offenbarung und fand ihn in wehmütiger Trauer. Er fragte sich nun: Was
dient zur speziellen Reizerhöhung eines Gedichtes? Von allen bisher in
Anwendung gebrachten Mitteln zeigte die Erfahrung den Refrain als das
wirksamste. Und welcher Refrain entspricht am besten dem beabsichtigten
Tone? Das Wort „Nevermore“ sprang ihm hiebei, kraft seiner Bedeutung,
sofort als zweckmäßigstes in die Augen. Doch nun galt es, die
Eintönigkeit dieses Wortes in Einklang mit der Verstandestätigkeit des
Geschöpfes zu bringen, welches dazu bestimmt wäre, es beständig zu
wiederholen. Da stieg denn der Gedanke an ein nicht denkendes, der
Sprache fähiges Wesen in ihm auf, und der Rabe, von jeher in Beziehung
zum Menschenschicksal gebracht, gab den Ausschlag. Er folgerte weiter:
Nach allgemein menschlichem Einvernehmen ist der traurigste aller
Begriffe – der Tod, und am poetischsten ist der Tod, wenn ihn Schönheit
verklärt; demnach ist der Tod einer schönen Frau zweifellos das
Poetischste und ein trauernder Liebender der passendste Träger des
poetischen Begriffs. Angesichts der Schwierigkeit, einen Liebenden,
welcher seine Geliebte betrauert, und einen Raben, der beständig das
Wort „Nevermore“ wiederholt, in Verbindung zu bringen, ergab sich als
einzige Möglichkeit eine Art Zwiegespräch, in welchem die Antworten des
Raben wie zufällig auf die anfangs gleichgültigeren und allgemeineren
Fragen des Liebenden erfolgen müssten, bis dieser schließlich durch den
Charakter des Wortes an und für sich, die häufigen Wiederholungen, den
üblen Ruf des Vogels, in einen Zustand abergläubischer Furcht versetzt,
Fragen ganz anderer Art an ihn richtet, um deren Lösung er
leidenschaftlich besorgt ist. In dieser Weise der Klimax zusteuernd,
stellte er endlich die Frage fest, in Bezug auf welche „Nevermore“ den
höchsten Grad des Schmerzes in sich tragen müsste und so, am Ende des
Gedichts „wo alle Kunstwerke ihren Anfang haben sollten“ entstand
zuerst der Vers, in welchem dem Liebenden aus der Antwort des Raben das
Urteil ewiger Verdammnis entgegentönt.
Im
Einklang mit dem hier dargetanen Verfahren sind die früher genannten
Zeugnisse seines zergliedernden und kombinierenden Scharfsinns.
Zügellos wie seine Fantasie war, fing er sie ein bei der tollsten Jagd
und ließ sie denselben gefahrvollen Weg noch einmal am Zaum machen. Mag
dies Auseinanderlegen seiner Gebilde manche Illusion in Bezug auf
Inspiration und das Schaffen „aus einem Guss“ zerstören – die Kunst,
wie er den ephemeren Geschöpfen seiner Fantasie Realität verschafft,
das Abnorme mit Schutzwällen umgibt, an denen es einen Rückhalt gewinnt
und glaubhaft wird, wie er, die unheimlichsten Tiefen eher verdeckend
als enthüllend, eine brennende Ungewissheit entfacht, zwingt uns
trotzdem in den Bannkreis seiner dämonischen Dichterkraft. Der Blick
für alles Natürliche, Harmlose, Liebliche hat ihm gefehlt. Nacht,
Grauen bilden die Szenerie für absonderliche Menschen, dunkle Taten,
seltsame Geschehnisse. Aber so absichtlich er das Lichtscheue und
Verborgene sucht und aus den Schlupfwinkeln herauszieht – Sünde und
Verbrechen sind bei ihm nie niedrig, nie gemein, nicht der Ausfluss
menschlicher Kleinheit, sie sind von innen heraus geboren, die
natürlichen Ergebnisse eines so und nicht anders beschaffenen Innern,
sie sind mit jenen Schauern umhüllt, die verstummen machen, Taten, so
furchtbar, so dunkel erhaben, dass man sie nicht nennen kann, wie jene
des Mannes, welcher nicht allein sein will, des „Mannes der Menge,“ der
sich Tag und Nacht in die dichtesten Menschenknäuel drängt, in wilder
Verzweiflung vorwärts jagt, wenn er eine Straße leer findet, und sich
mit Jauchzen in neues Gewühl stürzt.
Nach
seiner Trennung von Graham verfällt er in die alte Not. Eine widrige
Leidenschaft wirft breite Schatten über ihn und raubt seinem Tode das
Erhabene. In einem rührenden Briefe an einen vertrauten Korrespondenten
tut er dieses Gebrechens Erwähnung und spricht zugleich von dem, was
seinem Leben den tiefsten Gehalt gab und ihm zur Quelle größten,
seelischen Leidens wurde. – Mit einem geringen Einkommen hatte er in
Richmond eine junge, gänzlich mittellose Verwandte, Virginia Clemm
geheiratet, die uns als ungemein liebreizend und begabt geschildert
wird. Mit ihr und ihrer Mutter, die der gute Engel der jungen Leute
war, und an der er mit kindlicher Liebe hing, war er durch die
verschiedenen Städte gewandert, welche die Schauplätze seiner Tätigkeit
bildeten, und hatte sich gegen das Ende seiner Laufbahn in New York
niedergelassen. Nach kurzer Ehe hatte seine Frau das Unglück, sich beim
Singen ein Blutgefäß zu sprengen. Poë schreibt hierüber: „Ich nahm
Abschied von ihr für immer und litt alle Qualen ihres Todes; sie genas
teilweise – ich hoffte wieder. Nach einem Jahre barst das Blutgefäß von
Neuem und ich machte genau dasselbe durch, dann wieder, wieder und
wieder in verschiedenen Zwischenräumen, und nach jedem neuen Eintritt
der Störung liebte ich sie mehr und klammerte mich mit verzweifelterer
Hartnäckigkeit an ihr Leben. Doch ich bin von Konstitution in
ungewöhnlichem Grade sensitiv und nervös. Mein Geist umnachtete sich
mit langen, fürchterlichen Zwischenräumen des Hellsehens. In diesen
schrecklichen Paroxysmen – trank ich – Gott allein weiß, wie viel und
wie oft. Selbstverständlich schoben meine Feinde meine Krankheit auf
das Trinken, anstatt sich letzteres aus meiner Krankheit zu erklären.“
Zu
diesen Leiden gesellte sich ein Mangel an allem Nötigen, sodass die
öffentliche Barmherzigkeit in Anspruch genommen werden musste. Der
drohende Verlust machte ihn unfähig zur Arbeit. Er durchirrte die
Straßen wie im Wahnsinn, in unhörbarem Zwiegespräch mit seinen
Geistern, die er stets zu beschwören wusste, die Augen in
leidenschaftlichem Gebete aufwärts gewandt. Die Nacht hindurch pflegte
er mit durchnässten Kleidern den Stürmen zu trotzen, um im Aufruhr der
Elemente seinen Schmerz zu betäuben. Der schließlich erfolgte Tod
seiner Frau warf ihn auf ein langes Krankenlager, von dem er sich nur
erhob, um öfter und öfter der Leidenschaft anheimzufallen, die ihn
binnen Kurzem zerstörte. – Ulalume und Annabel Lee stammen aus der Zeit
seiner Trauer und sind in ihrer süßen Melancholie wohl das Rührendste,
was er gedichtet.
Noch
einmal macht er den ernsten Versuch, seinem verfehlten Leben eine neue
Richtung zu geben. Er tritt nach langer Pause mit einer bedeutenden
Arbeit an die Öffentlichkeit, die er dem Publikum zuerst durch
Vorlesungen vermittelt: es sind die später unter dem Titel „Eureka, a
prose poëm“ veröffentlichten Abhandlungen über die Entstehung des
Weltalls. Auch seinen häuslichen Verhältnissen sollte frischer Reiz
verliehen werden. Er war an die Stätte seiner Kindheit zurückgekehrt
und hatte sich dort mit einer Dame verlobt, die er in seiner Jugend
gekannt. Kurz vor der beabsichtigten Verheiratung unternahm er eine
Reisen nach New York, um einer literarischen Verpflichtung
nachzukommen; auf dem Schiff geriet er in schlimme Gesellschaft, die
einen abermaligen Rückfall in sein Leiden herbeiführte, und aus dieser
Umnachtung erwachte er nicht wieder. Er starb einen Tag darauf am 7.
Oktober 1849.
Wir
wenden uns den echten und rechten Verkündern des Schönen zu, sie allein
sind mächtig Klarheit und Freude zu geben, in ihnen finden wir den
Ausdruck unsres reinsten und besten Empfindens; aber auch Irrsterne
wandeln nah’ der Sonne, blutrot, unheimlich, doch göttlichen Ursprungs.
In Poë war ein Funke von der heiligen Flamme des Genius und der ist wie
das Knöchelchen Albadaran der arabischen Sage, das den Körper
überdauert.
H.
L.
oben
______________________________
"Vorworte und Edgar Allen Poe" aus
Ausgewählte Gedichte
Edgar Allen Poe - 1. Auflage 1891 – Verlag des
bibliographischen
Bureaus, Berlin, S. 24-29, Übersetzer: Hedwig
Lachmann Gemeinfrei
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Logo 73: Exterior of Gare Saint
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1877, gemeinfrei
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