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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
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Ostern
(1877)
 
Der Frühlingssonne milder Strahl
Verjüngt aufs neu die Mutter Erde,
Natur spricht ihr allmächtig „Werde“—
Und rings ergrünet Berg und Tal.
Die lieben Vöglein kehren wieder
Zum alten Heim in Wald und Flur,
In jedem ihrer hellen Lieder
Tönt Freiheitslust und Freude nur.
 
Das ist ein schönes Auferstehn!
O, daß ich’s fröhlich teilen könnte;
Daß mir ein guter Geist vergönnte,
Mit heiterm Aug’ den Lenz zu sehn!
Doch ach, mir drängt sich vor die Seele
Der Völker Schmach und Not und Leid,
Die ungeheure Schuld und Fehle,
Der ganze Jammer unsrer Zeit.
 
Viel Millionen schrei’n nach Brot,
Um das Gott Mammon sie betrogen; —
Allüberall kommt es gezogen,
Das grinsende Gespenst der Not.
Wohl mag man heut in Tempeln ehren
Den „auferstand’nen Gottessohn“,
Doch seinen hehren Liebeslehren
Spricht Haß und Stolz noch immer Hohn.
 
Das „Kreuzigt ihn“, noch immer tönt
Dem Freund des Guten es entgegen,
Noch mangelt uns der hehre Segen
Der Liebe, die die Welt versöhnt,
Noch schleppt die Wahrheit sich in Ketten,
Gehaßt, verfolgt, am Bettelstab,
Die grimme Lüge möchte’ sie betten
Für alle Zeiten in das Grab.
 
Gelingen aber wird das nicht!
Du, ew’ge Wahrheit, kannst nicht sterben,
Dich kann die Lüge nicht verderben,
Du siegst und hältst dein Weltgericht!
Schon höre ich die frohen Psalmen,
Die dir der Mund der Menschheit singt;
Ich seh’, wie sie mit grünen Palmen
Dich, hehre Dulderin, umringt.
 
Ja, einmal, einmal kommt es doch
Mit all der schweren Not zu Ende,
Es naht die große Sonnenwende,
Die bricht der Selbstsucht eisig Joch.
Dann jubelt es in allen Landen,
Von Volk zu Volke fern und nah:
Gerechtigkeit ist auferstanden,
Ihr heil’ger Ostertag ist da!


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Goethesche Worte zu Pfingsten

Da lehren sie nun bald zweitausend Jahr
Am Pfingstfesttag, die Christlich-Bibel-Frommen,
Vom "heiligen Geist", der einst herabgekommen
Aus Himmelshöh'n auf die Apostelschar.
Laut preisen sie dies Wunder aller Orten,
Rings in der Welt, wo gläub'ge Christen sind —
Erklärung dafür gibt's in Goethes Worten:
„D a s W u n d e r  i s t d e s  G l a u b e n s
l i e b s t e s K i n d“

*                 *
          *

Nur eins tut not, auf daß errungen werde
Ein schöner Sieg der wahren Menschlichkeit,
Und allen Völkern auf der weiten Erde
Ein neues Heil kommt in Gerechtigkeit;
Nur eins tut not: die Unvernunft zu zwingen,
Die frevelnd der Vernunft sitzt zu Gericht,
Den Geist der Massen muß kraftvoll durchdringen
M e h r  L i c h t,  m e h r  L i c h t!

Und es wird Licht! Verkündet dem Geringsten:
Wach' auf und schau'! Der nächt'ge Schleier reißt,
Schon dämmert auf ein hehres Menschheits-Pfingsten
Und brausend grüßt der Wahrheit heil'ger Geist.
Er übertönt der Lüge freches Prahlen
Und mahnet laut: Verzagt, ihr Armen, nicht,
Ich will die Schuld der Zeiten redlich zahlen
M i t  L i c h t,  m i t  L i c h t!


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Der Geist des Heils

Ein Geist des Heils, der in dem Rechte
Der Arbeit unzerstörbar lebt,
In einem neuen Kraftgeschlechte
Sich stetig herrlicher erhebt;
Der Geist des Menschentums ist’s, den nimmer
Des Mammons Uebermacht zertritt,
Der Geist, der unaufhaltsam immer
Sieghaft durch die Geschichte schritt.
 
Ihm, der da, jeglicher Vernichtung
Sich frei enthebend, leuchtend zieht
Die eigene Bahn in fester Richtung —
Ihm, der vor keiner Macht entflieht,
Dem machtlos ist vorbeigezogen
Im Sturm der Zeiten wechselvoll,
Was sich ein heilig Recht erlogen —
Ihm gelte unsers Herzens Zoll:
 
Wir grüßen dich, wir sind dein eigen
Und folgen dir, du heil’ger Geist,
Denn du wirst uns die Wege zeigen,
Die kommendes Geschlecht noch preist.
Nicht Lüg’, nicht Torheit soll uns rauben,
Was uns den Kampfesmut verschafft,
Den großen, allgewaltigen Glauben
An dich, an die Erlösungskraft.
 
Reicht herzlich euch, ihr Bundgenossen,
In diesem Geist die Bruderhand
Und wirket weiter unverdrossen,
Daß immer stärker wird’ das Band
Der Eintracht, das sie  a l l e  bindet,
Für die der große Kampf entbrannt —
Empor, der Fesseln euch entwindet,
Reicht fester euch die Bruderhand!


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Maien-Evangelium
(1904)

Nun wird es vollbracht
Trotz allem, was ihm feindlich gewaltet!
Siegreich, in prangender Schöne entfaltet
Der Frühling seine beglückende Macht.
Welch ein verheißungsvolles Sprossen
Aus quellendem Saft,
Als habe plötzlich sich erschlossen
Eine verborgene Zauberkraft!
Kein Wunder und doch so wunderbar,
Kein Zauber und doch so zauberprächtig —
Schöpfung der Kraft, die immer war,
Unbesiegbar, einzig allmächtig;
Die im Lauf von Aeonen bezwungen
Das Chaos, ein grenzenlos Wesen des Nichts —
Quelle, der alles Leben entsprungen,
Urewige, heilige Kraft des Lichts!
Seele der gütigen Mutter Natur —
O, schauet den Segen, den sie verbreitet,
Wie sie ein lieblich Erwachen bereitet
Dem schweigenden Wald, der schlummernden Flur!
Grünschimmernde Berge, blum'ge Gefilde,
Rings schwellendes Leben in Farbe und Duft,
Und hoch über dem lieblichen Bilde
Wiegt sich die Lerche in blauender Luft;
Die tiefinnigsten ihrer Lieder
Schickt sie, durchglüht von der Sonne Kuß,
Zur verjüngten Erde hernieder,
Einen schmetternden Frühlingsgruß.

Wir aber wandeln jauchzend inmitten
All dieser Wunderherrlichkeit
Und vergessen, was wir gelitten
In endlos scheinender Winterzeit.
Nun sind die Tage der Trübsal zu Ende,
Gestillt ist der Sehnsucht ermattender Schmerz,
Und die erlösende Jahreszeitwende
Grüßt das entlastete jubelnde Herz.
Odem des Lenzes ist Segen dem Leben,
Befreiend die Sinne und dehnend die Brust,
Mehrt er die Kraft uns, vorwärts zu streben
Hoffnungsfroh und voll Kampfeslust.
Das ist der Geisteskraft herrlichster Teil:
Daß sie sich weiht dem erhabensten Ringen,
Weltumspannend zum Siege zu bringen
Das menschliche Recht und mit ihm das Heil.
Zur Allmacht will diese Kraft sich gestalten.
Mit unwiderstehlich sieghaftem Streich
Zerschmettern die feindlich-grimmen Gewalten,
Daß komme des Menschtums geheiligtes Reich.
So weit sich erstrecket die Macht der Kultur,
Ist in den Völkern lenzkräftiges Regen
Dem Lichte, der Freiheit, der Liebe entgegen —
Auch darin waltet Gesetz der Natur.
Nicht nur die Heimat uns bietende Erde
Verjüngt sie mit schimmerndem Hoffnungsgrün,

Ihr ewiges Schöpfungswort: „Es werde!”
Gilt auch der Menschheit neuem Erblühn,
Daß sie zum Guten wende das Böse,
Dem Banne versklavender Dogmen entrückt
Selbst sich vom Erbfluch des Uebels erlöse,
Der sie so lange schon grausam bedrückt.
Nun brechen die Ketten geknechtete Klassen,
Ein fruchtverheißender Blütenflor
Drängt aus dem dunkeln Schoße der Massen
Im Glanze der Sonne der Wahrheit hervor;
Nicht länger mehr fügen sie sich dem Zwange
Des Wahnes, der Not und der Tyrannei —
Jubelnd grüßt heute im heiligen Drange
Die Arbeit den leuchtenden Völkermai!


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