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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Karl Frohme
______________________



Das Sozialistengesetz I. und II.

Bei Beratung des Sozialistengesetzes
(September 1878)

I.

Gleichviel, was davon der Gewinn,
Ihr „Volksvertreter,“ die verbunden
Der Reaktion, seht! unumwunden
Tret' ich als Warner vor euch hin!
O, wollet nicht das Ohr verschließen
Dem ernsten Wort, so gut gemeint,
Und nicht der Macht zu lieb beschließen,
Was mit dem Unrecht sie vereint.

Was ihr gefehlet habt bis jetzt,
Wie oft ihr leichtlich schon gebrochen,
Was ihr dem armen Volk versprochen,
Wie tief und schwer ihr's schon verletzt:
Nicht das sei heut von mir verkündigt,
Das Volk wird alles euch verzeihn,
Wenn ihr nur jetzt nicht weiter sündigt,
Wenn ihr nur jetzt gerecht könnt sein!

Vernichten wollt ihr, was der Geist
Der ew'gen Wahrheit hat beschworen —
Was die Geschichte hat geboren?
O sagt, wißt ihr auch, was das heißt?
Es heißt, sich in ein Unheil stürzen,
Das selbst man frevelnd aufbeschwor,
Sich selbst die Spanne Zeit verkürzen,
Die zu durchmessen steht bevor.

Schaut hin in die Vergangenheit, —
Zurück bis in die fernsten Tage —
Sie lehrt, daß wahr, was ich da sage,
Und gibt dazu noch den Bescheid:
Ihr könnt die Wahrheit nicht vernichten,
Sie spottet eurem dreisten „Halt!“
Des Tags gewärtig, wo sie richten
Wird über Lüge und Gewalt!

Dann aber, Toren, klaget nicht,
Wenn sie euch aus dem Traume wecket
Und mit dem Donnerruf erschrecket:
Seht, eure Herrlichkeit zerbricht! —
Dann flucht auch nicht den bösen Geistern,
Die euch verführt zu dem Versuch,
Der Weltgeschichte Lauf zu meistern —
Ihr webtet selbst das Leichentuch! —

Auf unserm Banner stehet: „Recht,
Wahrheit und Liebe, Freiheit, Frieden!
Ein lichtes, glückliches Hienieden
Fürs ganze menschliche Geschlecht!“
Und unsre Waffe? — Aufs Gewissen
Fragt euch des Volkes schlichter Mann —
Der sie um keinen Preis möcht' missen —
Ist's nicht die Wissenschaft? — Sagt an!

Welch eine Frage? —    —   Lächelt nur,
Ich weiß, daß ihr „Irrlehre“ nennet,
Was sich als Wissenschaft getrennet
Von eurer falschen Dogmen Spur.
Der Fluch, der auf dem Vorrecht lastet,
Das gleiches Recht als „Unsinn“ schilt —
Ein grauser Fluch, der nimmer rastet,
So lang des Vorrechts Herrschaft gilt! —

Das Unrecht ist des Vorrechts Ziel,
Das stets der Selbstsucht feiler Sklave —
O, denkt daran, wie mancher Brave
Dem Sklaven schon zum Opfer fiel,
An Sokrates, dem Gift geschenket,
Weil er gefolgt der Wahrheit Trieb,
Und an den Nazarener denket,
Der starb, weil er die Gleichheit lieb!

Gewiß, das Vorrecht leiht euch Macht,
Der Sozialisten Schar zu ächten,
Sie schonungslos, grausam zu knechten — —
Wollt ihr's, so habt auf eins noch Acht:
Zu tilgen unsers Volkes Schulden,
Zu endigen der Menschheit Leid,
Sind wir gewöhnt an schweres Dulden,
Gestählt in jahrelangem Streit.

Vertrau'n zur Wahrheit gibt uns Kraft,
Zu tragen jegliche Bedrängnis,
Zu trotzen schwärzestem Verhängnis,
Wie viele es auch niederrafft.
Vergeltung weilet noch auf Erden,
Sie naht oft plötzlich, eh' man's ahnt,
Um zur Befreierin zu werden! —
“G e re c h t  l e r n t s e i n — ihr seid gemahnt!“


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Beim Falle des Sozialistengesetzes
(1.  Oktober 1890.)

II.
 
Ihr klagtet: täglich werde schlimmer
Die Welt; ein zügelloser Sinn,
Nichts Heil'ges achtend, lenke immer
Mehr Volk nach falschem Ziele hin;
Es habe schnöde preisgegeben
Sich der Verführung arger Kunst,
Und all sein Hoffen, all sein Streben
Verliere sich in eitel Dunst.

Man rüttle an der Ordnung Stützen
Und sei auf ihren Sturz bedacht,
Dagegen könne eins nur schützen:
Ein eisernes Gesetz der Macht.
Das müss' in vollster Strenge walten
Ob der Verführer frevlem Bund,
Um fest die Ordnung zu erhalten
Auf altem Rechts- und Glaubensgrund.

Und so geschah es: der “Verführung“
Ward die Vernichtung angedroht,
Die „revolutionäre Schürung“
Traf schärfsten Streichs das Wachtgebot.
Da gab's “Verbrecher“ aller Enden,
Die ihm zu trotzen kühn gewagt —
Doch wollte nicht die „Schürung“ enden
Und kein „Verbrecher“ ward verzagt.

Und wachsen sah't von Tag zu Tage
Ihr mehr des „Unkrauts gift'ge Saat”;
Da half nicht streng Gericht, noch Klage,
Kein Zornwort und kein frommer Rat.
Und weiter, immer weiter drängte
Das Volk zum „falschen” Ziele vor,
Und immer aufmerksamer schenkte
Es der „Verführung Kunst“ sein Ohr.

Was Wunder, daß ihr da verzagtet
Und, bangend vor der eignen Macht,
Bald als „verfehltes” Werk beklagtet,
Was ihr als „Rettungswerk“ erdacht!
Wohl mag's das Herz euch tief bekümmern,
Und grollend senkt die Blicke ihr,
Denn auf des Werkes roll'nden Trümmern
Schwingt der „Verführer” sein Panier!

Ihr konntet glauben, blöde Toren,
Daß der ein sterblich Wesen ist,
Dem ihr den Untergang geschworen,
Verderben durch Gewalt und List?
Er ist es, der aus Nacht und Ketten
Der Menschheit ihre Bahnen weist,
Sie höherem Beruf zu retten:
Der ew'gen Wahrheit heil'ger Geist!

Mit ihm zum Licht, durch Kampf zum Siege!
So war es stets, und so ist's noch;
Wie mancher Kämpfer auch erliege,
Der Wahrheit Tag kommt endlich doch.
Und ob auch mächt'ger Feinde Scharen
Sie zu verfemen sich erfrecht —
Sie muß sich siegend offenbaren,
Und mit ihr triumphiert das Recht.

Ein zahlloses Heer ist ihr erstanden,
Das stolz ihr leuchtend Banner trägt,
Und nimmer duldet, daß in Banden
Der Dränger blinder Haß sie schlägt.
Ihr habt's erlebt! So laßt euch fragen:
Ob ihr die höh're Macht jetzt ahnt?
Und laßt euch nochmals ernstlich sagen:
G e r e c h t  l e r n t  s e i n — ihr seid gemahnt!


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Zur ersten Arbeiter-Maifeier
(1890)
 
Das ist ein Festtag sondergleichen,
Wie ihn die Welt noch nie gesehn,
An dem der Arbeit heil'ge Zeichen
In allen Landen friedlich wehnt
Sie sollen rings die Völker mahnen:
Die Arbeit will Gerechtigkeit;
Ihr müßt den Weg zum Sieg ihr bahnen
So will's der Geist der neuen Zeit.

Den Pakt kann keine Macht zerreißen,
Den der schloß mit der Arbeit Recht:
Geschehen muß, was er verheißen
Dem kampfzerrütteten Geschlecht',
Er ruft den Lenkern aller Staaten:
Sie mögen folgen seiner Spur,
Zu läutern durch Erlösungstaten
Die hochgepriesene Kultur.

Wie man sie anstaunt und bewundert,
Die unaufhörlich emsig schafft
Und unserm eisernen Jahrhundert
Verleiht ein maßlos Maß der Kraft!
Doch darf man nur den Schleier heben,
Der farbenprächtig sie umfließt,
Am vor Entsetzen zu erbeben
Ob all des Elends, das da sprießt.

Die Arbeit spendet reichsten Segen
Und doch drückt sie der Fluch der Not,
In Kümmernis ringt allerwegen
Sie um ihr kärglich täglich Brot;
Für Millionen Proletare,
Die sich der Pflicht des Schaffens weih'n,
Lohnt's von der Wiege bis zur Bahre
Nicht, unter Menschen Mensch zu sein.
Und wächst auch, ohne ihr Verschulden,
Das grimme Elend riesengroß,
Sie sollen's tragen, sollen's dulden,
Man nennt's ihr „unabwendbar' Los“.
Ein schlechter Trost! Von allen Lügen
Die allerschlimmste ist's! Doch kann
Die Selbstsucht damit nicht betrügen
Den Geist, der lösen soll den Bann.

Die große Wahrheit zu verkünden,
Braust heut der Geist von Land zu Land.
Nicht Kriegesfackeln will er zünden,
Nein, schöner Hoffnung milden Brand.
Und neue Kraft zu edlem Streben,
Das endlich doch die Welt versöhnt,
Will er dem Volk der Arbeit geben —
Das harret aus und wird gekrönt!

Es harret aus im mut'gen Ringen,
Feind jedem Trug und jeder List;
Es weiß, daß zu des Siegs Gelingen
Gewalttat nicht das Mittel ist,
Daß die Verzweiflung seine Ketten
Nicht bricht, daß, was zum Heil ihm frommt
Und es vom Elend kann erretten,
Nur von der Macht des Geistes kommt.

Heil, Arbeit, dir! Laß immer thronen
Ob dir des wahren Menschtums Geist!
Er wird dir's danken, wird dir's lohnen,
Wie er dir jetzt die Wege weist!
Gib Zeugnis, daß des Unglücks Bürde
Dein Selbstvertrauen nicht erschlafft,
Daß reich du bist an freier Würde,
An laut'rem Sinn und güt'ger Kraft!

So sollst du, stark in Geisteswaffen,
Trotz allem Drang und allem Leid,
Am Werke der Erlösung schaffen,
Dem die Geschichte dich geweiht.
Und was du duldend unternommen,
Glaub' nicht, daß es vergeblich sei —
Ein schön'rer Festtag wird dir kommen,
Als dieser heut'ge erste Mai!


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Weltfestgeist
(1898)

Wie manches Lied auch schon erklungen
Zur Feier, die uns heut' erhebt,
Es wird doch nimmer ausgesungen
Der Geist, der in ihr wirkt und strebt,
Der auf dem weiten Erdenrunde
Trotz jedem Feind, der ihn verneint,
Zu einem allgewalt'gen Bunde
Das Volk der Arbeit herrlich eint.

Ob feile Lügner, blöde Toren
Ihm Fehde künden voller Hohn,
Ob wider ihn sich frech verschworen
Die grimme Macht der Reaktion —
Den unterdrückten Millionen
Bleibt er die Bürgschaft bess'rer Zeit,
Der Geist, der einst wird siegreich thronen,
Verwirklicht als Gerechtigkeit.

Er ringt in seinen Idealen
So unvergleichlich hehr und frei,
Der Menschheit ganze Schuld zu zahlen,
Wie ungemessen sie auch sei.
Ob furchtbar auch im Lauf der Zeiten
Das Unrecht sie noch häufen mag,
Es kommt, ein End' ihr zu bereiten,
Gewiß einmal ein großer Tag.

Erhab'ner Geist, der Menschenrechte
Als höchsten Preis des Kampfes nennt,
Der keine Herr'n und keine Knechte,
Nur die Allgleichheit anerkennt!
Die Gleichheit, untrennbar verbündet
Mit Freiheit und der Liebe Kraft —
Ein Bund, der hohe Wunder kündet
Und wohl dereinst auch Wunder schafft.

Heut weht im Glanz der Maiensonne,
Umwebt von lichter Blütenpracht,
Sein leuchtend Banner, das in Wonne
Die Herzen höher schlagen macht —
Die Herzen all, die duldend hoffen
Auf den Triumph des heil'gen Rechts,
Die da erglüh'n, von Leid betroffen,
Fürs Heil des kommenden Geschlechts.

Da ziehn sie friedlich hin, die Scharen,
's ist ihnen herrlicher Gewinn,
Der ganzen Welt zu offenbaren
Den allgewalt'gen hohen Sinn,
Der sie beseelt zum mut'gen Ringen
'gen alles, was das Recht verletzt
Und ihres großen Werks Gelingen
Noch hochmutvoll sich widersetzt.

Für alles Gute, alles Schöne,
Daß Wahrheit, Friede und Kultur
Auf sicherm Grund die Welt versöhne,
Erheben sie die Hand zum Schwur —
Zu einem Schwur, wie wohl noch keiner
Je aus bedrückten Herzen kam,
Wie wohl noch nie und nimmer einer
Den Flug von Land zu Lande nahm.

Das Proletariat der Erde
Verflucht in diesem Schwur den Krieg,
Daß wahrer Menschlichkeit bald werde
Der langersehnte, große Sieg.
Ein w e l t u m s p a n n e n d e r Gedanke
Erhebt sich kühn im Mailichtschein —
Allmächtig brechend jede Schranke,
Wird er auch w e l t e r l ö s e n d sein!


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