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Literatur


04.2



Politische Gedichte

Rudolf Lavant




Rothe Weihnacht

Wie seinen Arm im Licht des jungen Tages
Der Zecher seufzend auf die Tafel stemmt,
Die man im wüsten Toben des Gelages
Mit Blut der Reben achtlos überschwemmt; 

Wie in die Hand er müde senkt die Stirne,
Und wie ein Frösteln seinen Leib durchbebt
Und wie ihm leise schaudert vor der Dirne,
Die stieren Blicks das Glas noch immer hebt;

Wie er sich schämt, dass dem verbuhlten Flüstern
Er Nachts gelauscht – wie er in Überdruss
Sie von sich stößt, die ihm die Lippe lüstern
Noch immer bietet zu verbotnem Kuss;

Und wie, voll Ekels vor dem Wein, der Schlaffe
Das Glas, das vor ihm, hastig von sich stößt
Und gierig ein aus blitzender Karaffe
Des Wassers kalte, reine Flut sich flößt –

So schüttelt langsam ab des Rausches Bande,
Von Frost durchrieselt, müde, stumpf und bleich,
Und so besinnt sich auf die eigne Schande
Das arme Volk im neuen Deutschen Reich. 

Es weist zurück in Ungeduld und Grauen
Den Taumelkelch, mit Lolch und Mohn bekränzt,
Und runzelt drohend seine dunklen Brauen,
Wenn er ihm gleißend vor der Lippe glänzt. 

Es ist der Lüge satt, die ihm geschmeichelt,
Die es berauscht, die seinen Blick verhängt,
Die ihm die Wange dirnenhaft gestreichelt
Und immer dichter sich an ihn gedrängt.

Der Rausch der Siege und der Macht – verflogen!
Die goldne Zeit, die man verhieß – ein Schein!
Wie plump und frech die Presse dich betrogen –
Mein armes Volk, siehst du es endlich ein? 

Nun hörst du wieder auf der Wahrheit Stimme,
Die Trommelwirbel lange übertäubt,
Und wider die und deren Wort die schlimme
Verführerin in wildem Hass sich sträubt.

Lass sie nur immer durch die Zähne zischen,
Lass sie nur zetern, bis die Kraft ihr schwand –
Von ihren Wangen wird die Schminke wischen,
Die lügnerische, strenger Wahrheit Hand.

Wohl steht sie höhnisch lächelnd da – es gleißen
Die falschen Steine – groß ist ihre Macht,
Die Wahrheit aber wird vom Leibe reißen
In Fetzen ihr die angemaßte Pracht, 

Und wie sie nieder jetzt zu treten trachtet,
Was schlicht und edel, wahr und frei und rein,
So wird mit Recht sie von der Welt verachtet
Und wie die Pest dereinst gemieden sein.

Wir sind die Plänkler, und voraus zu streifen
Durch Busch und Hecken, brechen rasch wir auf
Und lassen lustig unsre Kugeln pfeifen,
Im Schleichen jetzt und dann im vollen Lauf,

In einen Graben wirft sich rasch die Kette
Und sendet knatternd Schuss auf Schuss hervor
Und plötzlich pflanzt sie auf die Bayonnette
Und springt in wildem Ungestüm empor.

Doch folgt den Plänklern, die den Kampf begonnen,
Von fern in Massen dunkel, tief und schwer
Und näher dann in glitzernden Kolonnen
Mit Sang und Klang und Trommelschlag das Heer, 

Und donnernd schleudert seine Eisenbälle
Es in der Lüge Veste, hochgetürmt,
Bis es zuletzt die schuttgewordnen Wälle
Mit Tausendstimm’gem Siegesruf erstürmt.




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