Aus
den Traumaufzeichnungen
26.VIII.07.
„Um
beständig lebhaft zu
träumen, bedarf es nichts mehr, als einige seiner Träume
niederzuschreiben,“
sagte ein Weiser. Gut, da es mein Wunsch ist, oft zu träumen, befolge
ich den
Rat.
eodem
die
Wir
hatten ein unnennbares Verbrechen
begangen. Nur ein tiefes Grauen war in uns geblieben, aber die Tat
selbst war
vergessen und so sehr ich mich quälte, ich konnte mich nicht erinnern.
Nun
saßen wir in der Folterkammer. Einem Gefährten spannte der Henker den
Arm in
einen Schraubstock und zerbrach ihn. Er ließ es willenlos geschehen.
Der Henker
sah furchtbar aus. Er war modern angezogen und hatte einen
medizinischen weißen
Mantel über seinen schwarzen Beinkleidern. Sein Gesicht war ganz
ausdruckslos,
fast gutmütig. Und das eben erschien mir so furchtbar. Dann verband er
den
Willenlosen, der ruhig fortging.
Mir
und dem dritten
Gefährten sollte ein Auge ausgestochen werden. Ich winkte ihm, er
sollte mit
mir fliehen, da die Tür auf die Landstraße hinaus offen stand. Aber er
achtete
nicht darauf. Er setzte sich ruhig nieder.
Der
Henker trat vor ihn und
bohrte ihm eine vielleicht 4 cm lange kleine Holzrolle, an der vorn ein
kleiner
scharfer Korkzieher angebracht war, in den Tränensack des linken Auges
und
drehte den Korkzieher immer tiefer in das Auge. Dann zog er ihn heraus.
Nach
einer Weile quoll Wasser hervor, das Auge lief aus. Ich entfloh. Als
ich die
Landstraße entlang eilen wollte, trat der Geblendete in die Tür. Seine
Augenhöhle war schwarz. Er wischte sie sich mit dem Taschentuch aus.
Mich
befiel eine ungeheure bodenlose Traurigkeit und ich entfloh, und wußte
nicht,
wohin.
Ich
erwachte.
9.10.1907
Ein
Kind im Spiel am Abend
mit einem andern, das halb Greis halb Kind. Ich fragte es, wer es sei
“Ich bin
der Unsterbliche Böse” war die Antwort.
30.III.
1908
Napoleon
kämpfte in einem
großen hellen Saal den letzten Entscheidungskampf. Er wurde nach langem
Kampf
bezwungen und man versprach ihm freien Abzug.
Zu
Pferde verließ er mit
seiner Gemahlin den Saal. Er sah groß, stattlich, herrlich aus.
Er
trug schwarze Locken und
war in einen grünen Rock mit weißer Weste gekleidet. Seine Gemahlin
nach
heutiger Mode. Er hob sie auf's Pferd und sagte dann: “So die Pferde
haben
endlich Tritt.“ Ihm folgte ein Paar zu Pferde, das ihm und der Kaiserin
ganz
glich. Sie waren größer als
alle im Saal. Als sie durch die Tür ritten, hörten sie von dem Tisch
der vier
royalistischen Adligen, die gesiegt hatten, die an die unterlegenen
napoleonischen Garden gerichteten zornigen Worte: “Wartet, Wartet“
28.IV
1908
Ein
Bild mit Schlangen, die
durch das Wasser schwammen. Darum viel Tiger mit gestreckten Hälsen.
12.9.1908
Ich
träumte, daß ich einen
Schädel aus der Erde grub.
Ich
war in einem Schloßhof.
Sah eine schöne Landschaft unter ihm. Ein Adler kam auf mich zu. Seine
Schwinge
endete in eine Kralle. Er riß mich über dem Handgelenk. Dann flog er
nach
Dänemark.
19.6.1909
Ich
trete in einer
wahnsinnigen Tracht aus meinem Zimmer, von einem furchtbaren Phantom
gejagt. Ich
vermag mit letzter Willenskraft noch die Tür vor ihm zu schließen.
2.
Juli 1910
Ich
stand an einem großen
See, der ganz mit einer Art Steinplatten bedeckt war. Es schien mir
eine Art
gefrorenen Wassers
zu sein. Manchmal sah es aus wie die
Haut, die sich auf Milch zieht. Es gingen einige Menschen darüber hin,
Leute
mit Tragelasten oder Körben, die wohl zu einem Markt gehen mochten. Ich
wagte
einige Schritte, und die Platten hielten. Ich fühlte, daß sie sehr dünn
waren;
wenn ich eine betrat, so schwankte sie hin und her. Ich war eine ganze
Weile
gegangen, da begegnete mir eine Frau, die meinte ich sollte umkehren,
die
Platten würden nun bald brüchig. Doch ich ging weiter. Plötzlich fühlte
ich,
wie die Platten unter mir schwanden, aber ich fiel nicht. Ich ging noch
eine
Weile auf dem Wasser weiter. Da kam mir der Gedanke ich möchte fallen
können.
In diesem Augenblick versank ich auch schon in ein grünes schlammiges,
Schlingpflanzenreiches Wasser. Doch ich gab mich nicht verloren, ich
begann zu
schwimmen. Wie durch ein Wunder rückte das ferne Land mir näher und
näher. Mit
wenigen Stößen landete ich in einer sandigen, sonnigen Bucht.
20.8.10.
Traum
von der Pest.
Eine
öde Vorstadtstraße,
wenig bebaut. Vor mir ein Abhang, im Grunde ein eingezäuntes Terrain,
in dem
ich die Pestkranken schlafen sehe.
Hinten
über Feldern ein
weiter grüner Wald. Und über allem ein ewig klarer blauer
Frühlingshimmel.
Ein
Karren voll mit Kranken
kommt die Straße herauf. Es wirbelt in ihm von Gliedern. Furchtbare
Gesichter
heben sich aus der Masse der Leiber. 2 Männer begleiten ihn, die jeder
ein
Kissen, das mit Benzin gefüllt ist, an die Nase halten. Der Karren
langt bei
mir an. Das Brett hinten wird herausgezogen, und der Qualm und
furchtbare Dunst
der Beulen flutet heraus. Die Leiber stürzen sich überschlagend heraus,
wie die
Kohlen aus einem Kohlenwagen. Man drängt die Kranken nach dem Abhang
zu. Sie
stürzen ihn herunter, lallend von furchtbaren Delirien, singend,
tanzend und
aus zerfetzten Kleidern einen entsetzlichen Geruch verbreitend. Sie
quellen in
den Verschlag unten, in den entsetzlichen gräberlosen Totenacker. Der
Wagen
gähnt leer,
als suchte er nach neuer Fracht. Der eine
Mann mit dem Riechkissen sieht um sich. Er bemerkt einen harmlosen
Passanten
und läßt ihn festnehmen. Der sträubt sich mit aller Kraft. Aber er ist
bald
gefesselt und in den Zaun gestoßen.
Ich
sehe herunter und sehe
unten das Gewühl der Leiber, die in den Höhlen brennenden Augen, und
furchtbar
gereckten Fäuste. Ein wahnsinniges Brüllen. Sie wissen, sie werden dem
Hungertode überliefert.
Hinten
über den Wäldern hat
sich der blaue Himmel mit kleinen weißen Wölkchen gefüllt.
Erklärung:
Ich hatte einen
Articel über Verbreitung von Seuchen durch die Eisenbahn gelesen.
Traum
20.11.10.
Eine
Waldlandschaft,
verschneit, ein winterlicher See. Am Ufer gehen lang Reid, Rudolf
Balcke, und
ich. Plötzlich habe ich ein eigentümliches Gefühl. Ich sehe empor. Und
sehe
einen Luftballon in rasender Fahrt über die Baumkronen streifen. Über
der Gondel,
in den Stricken hängt ein Mann, braune Jacke, kein Kragen, kein Hut.
Schwarze
struppige Haare, schwarzer Vollbart, das große Auge eines Wahnsinnigen.
Er ist
ungefähr doppelt so groß wie der Ballon u. führt furchtbare Sprünge u.
Tänze an
den Seilen aus.
Plötzlich
landet der
Ballon. Der Kerl springt heraus u. rast wie ein Wahnsinniger am See
entlang. Er
scheint irgendwelche Leute tot zu schlagen, denn ich höre ein Geschrei.
Reid,
der ganz vorn ist, beginnt zu laufen, Rudolf hinter ihm her. Ich nehme
eine Stange
auf, und renne den beiden nach. Als ich sie einhole, verändert sich die
Landschaft. Sommer, blühende Sträucher. Ein Knabe steht aus dem Grase
auf, u.
zeigt uns die Schwielen, die er von dem Irren bekam. Wir sehen links in
der
Ferne eine breite Dorfstraße u. sehen den Irren noch mit wahnsinnigem
Lauf
zwischen den ersten Häusern hinrennen.
Dieser
Traum hat mich
irgendwie furchtbar erschreckt.
10.11.1911
Traum
vor 2 Nächten: Ich
bin in unserem Eßzimmer. Ein großer Tausendfuß kommt herein, er
verfolgt mich
und ist immer hinter mir her. Ich laufe in meine Stube, und suche die
Tür
zuzuklemmen. Aber da steckt er schon den Kopf herein. Und ich wache
auf.
14.12.11.
Traum: geflügelter Stier. – Adler.
Einige
Halswirbel entzwei.
Viele Stiere – Der Adler schlägt sie alle. Die Stiere fliegen über das
Wasser.
Aber der Adler ist über ihnen. Die Stiere wollen den Adler einladen,
und die
eine Stierfrau – wie eine Pastorin – und ein Stierherr wollen ihn in
die Mitte
nehmen. Aber der Stierherr fängt es dumm an. Der Adler entweicht u.
steigt in
die Höhe. Die Stierfrau mit der goldenen Brille lacht.