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04.3
Joseph Roth - Werke 1
Das
journalistische Werk
1920
Diskrete
Hilfe
»Auskünfte
in allen Lebenslagen«
»Diskret«
lautet die
Bezeichnung für das stillschweigende Übereinkommen zwischen jenen, die
es
brauchen, und denen, die es betreiben. Man schlägt der Behörde kein
Schnippchen
mit dieser fremdwörterlichen Bemäntelung. Auch die Behörde versteht es.
»Diskret« ist ein sehr indiskretes Wort geworden.
Eine
Straße, so eng, daß sich die einander gegenüberliegenden Häuser »guten
Morgen«
sagen können und die Fensterscheiben Familienintimitäten ausplaudern.
Ein Haus
mit weit offen gähnendem Schlund. Ein braungelbes Haustor. Beide Flügel
nach
innen geöffnet. Fahler Lichthof blinkt vom Ende her entgegen. Die Luft
ist
gewissermaßen grau schraffiert und fast greifbar. Man könnte sich ein
Stückchen
Luft abschneiden
und in eine Schachtel stecken.
Auf
ausgespannten Schnüren turnt blau- und rot gestreifte Unterwäsche. Zwei
Kinder
zeichnen mit rosa Kreide auf den brüchigen Steinfliesen,nund auf der
Glastür,
die längst keine Scheiben mehr hat, sondern viereckige Brillen aus
braunem Pappendeckel
vor erloschenen Augen, hängt ein Täfelchen: »Bett zu vermieten. Frau A.
Auskünfte für alle Lebenslagen.«
Die
Buchstaben sind nicht gedruckt, sondern mit der Hand geschrieben, sie
wackeln
ein bißchen auf dem Papier. Man hat die Empfindung, daß diese paar
Worte von
der Tafel herunterfallen und jämmerlich auf dem Pflaster zerschellen
könnten.
Frau
A. ist vorsichtig. Sie sieht erst durch die Türluke, lange und mit
Ausdauer.
Ihr Auge trinkt meine Erscheinung sozusagen zwei Minuten lang. Dann
schlüpfe
ich durch den Türspalt.
Frau
A. »weiß schon«. Eigentlich »weeß schon«. Denn Frau A. ist unverkennbar
aus
jenem Kapitel deutscher Sprechkunde. Sie weeß schon.
Infolgedessen
lädt sie mich ins Gastzimmer. Jetzt sehe ich Frau A. Auf ihrer
blaugetupften
Schürze wirbeln ein paar Sauce flecken toll durcheinander. Ein leiser,
beizender Zwiebelduft schwebt um sie, hüllt sie ein. Ihre persönliche
Atmosphäre. Ihre Augen sind klein, braun und rotgerändert wie die eines
Huhns.
Sie tränen immer ein bißchen. Wenn man Frau A. nur ansieht, muß man
weinen. Die
Augen gehen einem über. Unter einem unterernährten Rhododendron in der
Fensternische philosophiert ein Papagei in einem Messingkäfig. Seine
Augen sind
funkelnd und etwas rotgerändert. Seine Augen tränen, vielleicht vom
Zwiebelduft,
vielleicht infolge einer wirksamen Anpassung an seine Herrin. Man kann
nicht
wissen. Auf einem roten Tischläufer liegen abgegriffene Spielkarten.
»Auskünfte
für alle Lebenslagen«.
"Woll'n
Se det Bett sehn?«
Diese
Stimme fährt wie ein Rasiermesser durch die Luft. »Nein, ich will nicht
das
Bett sehen. Ich habe eine diskrete Angelegenheit, Frau A., eine sehr
diskrete.«
»Na,
wo ist se denn?«
Sie
sei zu Hause bei den Eltern. Kleines Mädchen. Siebzehn Jahre. Ihr Vater
sei
roh. Es wäre schrecklich. Wenn er erfährt . . . Ich lüge, lüge.
»Det
kenn' wir«, nickt Frau A.
Was
es kosten dürfte?
Nicht
gar zu viel. Von wegen, weil es doch so ist, indem, daß ich ein »feiner
junger
Mann« zu sein scheine und »det arme Ding bei so'n Vattern«. Mit hundert
Märkerchen ist die Sache beigelegt.
Ob
ich nicht bei dieser Gelegenheit auch etwas Näheres über meine Zukunft
wissen
wollte?
O
ja,
ich will.
Hast
kommt in die Frau wie in ein plötzlich angekurbeltes Auto. Sie mischt,
mischt.
Ihre Finger arbeiten wie kleine, exakte Maschinchen. Ich werde
glücklich
werden, fünfzig Jahre leben, eine Rotblonde heiraten, zwei Kinder
stehen mir
bevor. Man denke: zwei Kinder!
»Nun,
det Ding wird jut ausgehn!«
Aber
daß gar kein »Ding« vorliegt, sagen die Karten nicht.
Oh,
diese Karten!
»Also
auf morjen!«
Frau
A. tippt mir wohlwollend auf die Schultern. Der Papagei flattert ein
bißchen
mit den Flügeln.
Unten
baumelt immer noch die rotgestreifte Unterhose. Im Torweg steht ein
junges
Mädchen. Billiges Perkalkleid und der mühsame Versuch einer Moabiter
Eleganz,
die sich nach Berlin W. sehnt.
Sie
sucht »Auskünfte für alle Lebenslagen«. Ein Ruck: Sie geht hinauf.
Bei der »Hochvornehmen«
Im
Inseratenteil der Zeitung hieß es nicht nur »diskret«, sondern auch:
»hochvornehm«.
Und außerdem in der Nähe des Kurfürstendamms, und
außerdem - hört, hört! - die Frau ist eine Adlige. Eine »von«. Im
Hausflur ist es »hochvornehm«. Man muß geradezu Ah! sagen. Daß Betteln
verboten ist, lehrt eine dräuende Tafel. Lauernd blinken in Messing
eingefaßte
Gucklöcher rechts und links. »Frau v. L., 3 Treppen hoch.«
Selbst dieses »von« ist diskret. Es ist nur angedeutet. »v.« genügt. Man
kann auch den Lift benutzen. Aber ich steige lieber. Auf der Treppe
kann manches geschehen. Menschen können einem begegnen. Sie
kommen vielleicht von Frau von L.
Auf
der Treppe bekommt man ein bißchen Herzklopfen. Vom Steigen, ja,
wohl aber auch vom blutroten Teppich. Und von den Säulen rechts und
links, die, zwei und zwei, wie Trabanten, den Aufgang bewachen.
Vor
der Tür klemme ich ein Monokel ein. Monokel ist immer gut bei solchen
Gelegenheiten. Ein Fensterglas erweckt mehr Vertrauen als eine Brille
von elf Dioptrien.
Ein
Mädchen mit einer winzigen weißen Spitzenschürze öffnet. Im Vorzimmer
liegen weiße, leere Kärtchen auf einer Silber simulierenden Tafel.
Man schreibt seinen Namen drauf.
Ich
schreibe: Adam von Bindernickel. Adam Bindernickel heiße ich manchmal,
zum Spaß. Hier muß ich mich überdies adeln. Wie paßte sonst
ein Monokel zu einem simplen Adam Bindernickel.
»Frau
von L. läßt bitten.«
Sie
ist geschnürt, im schwarzen Kleid mit Wespentaille und
hochgeschlossenem Kragen.
Fischbeinstäbchen fassen den Hals ein. Eine schwarze
Perlenkette mit einem kleinen Kruzifix. Frau von L. ist aus Bayern.
»Bitte,
Sie können sich überzeugen, bei uns läßt die Hygienie nichts zu
wünschen
übrig.«
»Oh,
ich bin überzeugt!«
»Ich
selbst bin fünfzehn Jahre in diesem Fach tätig. Ich arbeite nie ohne
Arzt. Sie haben vielleicht bemerkt, daß im ersten Stock der Herr
Doktor. . . «
»Nein!
Ich bin mit dem Lift heraufgekommen.« Mein Monokel funkelt beleidigt.
»Wie
alt ist die Dame?«
»Fünfundzwanzig.«
»Sehr
vornehmer Kreis. Und alles übrige spielt keine Rolle. Sie verstehen . .
. «
»Oh,
ich weiß!«
»Mit
fünfhundert, außer Spesen, sind Sie einverstanden?«
»Vollkommen!«
»Ich
würde Ihnen empfehlen, dem Herrn Dr. W. unten einen Besuch zu
machen.«
»Danke!
Ich verlasse mich vollkommen auf Sie.«
Ich
gebe Frau von L. die Hand. Sie behält sie. »Eine interessante Hand!«
Also
auch Frau von L. weissagt. Honorar machen wir später ab. Wird
dazugerechnet.
Sie prophezeit mir: Ich werde nur 40 Jahre leben. Und jene
Dame, für die ich mich interessiere, ist nicht mehr rotblond, nur
blond.
Donnerwetter! Es wird immer weniger!
»Und
die Angelegenheit wird gut ausgehen.«
Wie
hieß es dort: Det Ding wird jut ausjehn!
So
hieß es dort . . .
Und
in der Ecke, auch hier, Rhododendron. Nicht unterernährt, sondern gut
gewachsen, gegen die Zimmerdecke starrend. Und darunter kein
Papagei, sondern ein Kanarienvogel. Knallgelb.
Ich
gehe.
Verbeugung. Frau von L., schlank wie eine Birke, nur nicht silbern,
geleitet mich liebenswürdig, von einem sanften Höflichkeitswind
geschaukelt,
säuselnd in Freundlichkeit.
Neue
Berliner Zeitung - 12-Uhr-Blatt, 16.7. 1920
zurück
Die
"Wasserzeichen" von Großberlin
Ein
dringendes Notsignal
Von
Zeit zu Zeit wird man geradezu herausgefordert, etwas über
»Wasserzeichen« zu
schreiben. Was »Wasserzeichen« sind, wissen vielleicht einige. Viele
werden es
nicht wissen. Diese sind darauf angewiesen, durch eben diese
Mitteilungen
sozusagen mit der Nase auf die Berliner Wasserzeichen gestoßen zu
werden. Denn
Wasserzeichen sind
eben jene mehr oder minder flüssigen Erscheinungen in der Berliner
Öffentlichkeit,
die man - auch mit den Augen - vornehmlich aber mit dem Geruchssinn zur
unerfreulichen Kenntnis nimmt. Wer jetzt noch immer nicht weiß, was»
Wasserzeichen« sind, dem kann ich nicht helfen, der muß diese Zeilen
schon zu
Ende lesen.
Von
vornherein sei festgestellt, daß nicht ich der Urheber dieser
unsittlichen Abhandlung bin, sondern ein treuer Leser der Neuen
Berliner Zeitung.
Unser treuer Leser also mußte neulich zum Elektrizitätswerk gehn und
nahm
seinen Weg über die Röntgenbrücke. Zwei Holztreppen führen von der
Röntgenbrücke zum Elektrizitätswerk, und auf eben diesen zwei
Holztreppen sah
unser Leser die »Wasserzeichen«. Die »Wasserzeichen« kommen einerseits
von
aufgenommenen Speisen, andererseits aber - und dies sei ein Vorwurf
gegen die Behörde
- von der Aufhebung des Freiklosetts. Zwanzig Pfennige sind ein
erheblicher Betrag für eine Tätigkeit, die eigentlich eine Subtraktion
ohnehin bedeutet.
Daß man aber im Zeitalter der Revolution geradezu ein Kapitalist sein
muß, um
von dem, was gar nicht addiert wurde, noch subtrahieren zu können, ist
eine
öffentliche Angelegenheit, die von Natur und durch die Umstände nicht
gerade
zum Himmel duftet.
Unser
Leser, ein gründlicher Wasserzeichenforscher, empfand noch am selben
Tage, an
dem er seine Entdeckung gemacht hatte, »am Knie«, wo sich zugleich auch
eine
Bedürfnisanstalt befindet, die Notwendigkeit, zwanzig Pfennig
auszugeben. Und
ward also hinter den Kulissen zum unfreiwilligen Lauscher einer
hochdramatischen Szene, die sich gleichzeitig auf offener Bühne
zwischen
Klosettfrau und einem jungen
Mann abspielte. Der junge Mann kam in höchster Eile, stutzte jedoch
plötzlich
vor der Höhe des Eintrittspreises, und die gütige Frau las zwar in
seiner
Seele, konnte ihm aber nicht helfen. Dienst ist Dienst, sagte sie, und
Vorschriften müssen eingehalten werden. Vorschriften können ja auch
eingehalten werden. Der junge Mann aber hatte nicht eben Vorschriften
einzuhalten.
Und so kam es, daß er die Groß-Berliner
»Wasserzeichen« um eines vermehrte.
Dieses
ebenso dringliche wie unmoralische Thema wäre mit obenstehenden
Ausführungen
erschöpft, wenn die ganze Geschichte, wie alle guten Geschichten, nicht
auch
noch eine Pointe hätte. Und diese Pointe sind die Wärterinnen der
Bedürfnisanstalten selbst. Denn die Tücke des Objekts, das sie zu
betreuen
haben, hat die Patenttüren so eingerichtet, daß, wenn sie zuschnappen,
ein
grausam geheimnisvolles Zeichen der Gemeinde Berlin als dem Unternehmer
eine
einmalige Benutzung anzeigt.
Und
das kostet zwanzig Pfennig. Und sehr viel verdienen die Wärterinnen
eben
infolge der häufigen Wasserzeichen auf den Straßen auch nicht. Man
denke sich
also die Tragik des Schusters, der barfuß laufen muß, auf die Wärterin
der Bedürfnisanstalt
übertragen. Tantalus, der bekanntlich in der Unterwelt dazu verurteilt
war,
nach Früchten ewig zu haschen, die er nie erreichen konnte - was ist er
dagegen
? Ungleich grausamer sind die sozusagen umgekehrten Tantalusqualen . .
.
Bei
dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß die Berliner
Wasserzeichen auch kapitalistischer
Herkunft sein können. Denn gesetzt den Fall, es hätte einer schon die
zwanzig Pfennig, so käme er in Verlegenheit wegen Mangels an
Gelegenheiten. Nur
die größeren Verkehrsplätze in Berlin sind mit diskreten
Notwendigkeiten
versehen.
Aber
der stärkere Verkehr von Kraftwagen und Straßenbahnen hat nichts zu tun
mit den
inneren Bedürfnissen der menschlichen Natur, und man kann den Vorwurf
nicht
unterdrücken, daß es der Berliner Verwaltung an - sagen wir:
psychologischem Verständnis
fehlt . . .
Und
somit wäre die Geschichte von dem Berliner Wasserzeichen zu Ende. Wir
hoffen,
daß dieser Wink genügt und daß unser treuer Leser der Behörde nicht
auch noch
mit jenem Zaunpfahl kommen wird, den sie unbedingt verstehen müßte . .
.
Neue
Berliner Zeitung - 12-Uhr-Blatt, 17.7. 1920
zurück
Eine
Stunde im Schieberbüro
Mein
Freund Aldrian Helder - schöner Name, was? - klingt wie Bardensong
durch
Waffengetümmel- begann eines Tages im Telegrammstil zu sprechen, z. B.:
»Habe
25 Säcke brutto für netto a siebzehneinhalb« oder: »Prima Qualität,
zehntausend Stück lagernd, nicht
transito, fein, was? Gemacht!« Auf meine Frage: »Wie geht's?«
antwortete er:
»Teile Ihnen mit, daß am Reingewinn mit zwanzig Prozent, zahlbar bei
Abschluß,
beteiligt.« - Er sprach geradezu wie ein Telegraphendraht . . .
Gestern
schnurrte er mir folgendes Satzfragment vor: »Habe Büro gekauft,
prachtvoll
gelegen. Lift. Etabliere Import und Export. Bitte um Besuch!«
Das
Haus ist wirklich »prachtvoll«. Auf einem runden Türschild aus Emaille
steht,
schwarz auf weiß, sehr eindrucksvoll »Ein- und Ausfuhr G.m.b.H.!« Im
Flur des
vornehmen Hauses stand ein Portier, ganz aus blauem Tuch und gelben
Litzen, und
sagte: »Lift gefällig?« Ein Boy ließ mich ein. »Sehr erfreut!« sagte
Aldrian.
»Mein Kompagnon - mein Freund!«
Aldrian
nennt keine Namen. Er bedauert, daß die Menschen keine Nummern tragen.
Der
»Kompagnon«, eine Hälfte der G.m.b.H., sah aus wie die beschränkte
Haftung. Seine
Hose - es gibt nämlich Menschen, deren getreuestes Charakterspiegelbild
ihre
Hose ist-, seine Hose also hatte oben an den Schenkeln noch einen
leichten
Anflug gebügelter Gewissenhaftigkeit, etwas tiefer bekam sie einen
kleinen
Moralhöcker, und schließlich zerrann sie glockenförmig in zügel- und
bügellose
Willkür.
Ich
bekam einen türkischen Kaffee vom Boy serviert. Aldrian stellte
türkische
Zigaretten auf den Tisch. »Eene Ern pro Stück«, sagte er.
Es
war fünf Minuten vor zwei. Um zwei begannen die »Amtsstunden«. Knapp
nach zwei
kamen: eine Frauensperson mit Hut; eine ohne Hut; ein Mann in Uniform;
zwei
Lehrlinge aus einem Kaufladen mit langen beweglichen Ohren wie Hasen;
ein Herr
im Sportanzug; ein Gent in Halbschuhen; ein kleines Mädchen.
Alle
fragten nach Herrn Helder, der unnahbar hinter dem Schreibtisch stand.
Mit
allen verhandelte der »Kompagnon«.
Vor
der Frau im Hut machte er eine Verbeugung. Dabei setzte er einen
Kneifer auf,
was offenbar ein besonderes Entgegenkommen bedeutete. Er sprach sehr
schnell,
während seine Hände wie weiße Kaninchen die Weste hinauf und hinunter
liefen.
Seine Rede klang wie Wassersieden in einem Teekessel.
Der
Mann in Uniform holte ein Paket in Seidenpapier aus der Rocktasche.
Aldrian
rollte das Seidenpapier auf und zählte. Es waren rumänische Banknoten.
Seine
Finger liefen, überrumpelten sich, glitten geschmeidig zwischen den
Banknoten
durch. »Eine viertel Million!« sagte Aldrian. Der Mann im Sportanzug
sprach mit
dem Gent in Halbschuhen. Indes notierte Aldrian: Drei Waggons
rumänische Lei; ein
Waggon polnische Mark; zwei Waggons Sardinen a siebzehneinhalb,
transito; fünfhundert
Pferdedecken a hundertfunfzich; zehn Waggons holländische Kondensmilch,
lagernd
Stuttgart; fünftausend Dosen »Sydol«, Friedensware; Raupenleim,
Schmirgel,
Fliegenpapier, Zündhölzer, nicht garantiert.
Alle
Anwesenden spielten sozusagen Tennis mit imaginären Waren. Die Preise
stiegen,
stiegen. Wie Quecksilbersäulen, die man plötzlich in Siedewasser
steckt.
Dazwischen
klingelte der Apparat. Aldrian strampelte gleichsam mit Zinsfüßen in
der
Muschel herum. Millionen sprangen mit leichtem Klaps gegen die
Zimmerdecke und blieben
kleben, wie feuchtgemachte Zigarettenhülsen, von Schulz u. Comp.
emporgeschleudert. Sardinenöl ergoß sich über Pferdedecken. Die nicht
garantierten Zündhölzer
entzündeten sich am Schmirgelpapier.
Um
drei Uhr war »Büroschluß«. »Eine halbe Million!« sagte Aldrian und
klingelte
eine Bank an. »Fest!« sagte Aldrian. »Fest!« wiederholte der
»Kompagnon« und
drückte seinen Kneifer auf, als gelte es diesem. Dann gingen sie. Nun
weiß ich wenigstens,
was Ein- und Ausfuhr ist.
Neue
Berliner Zeitung - 12-Uhr-Blatt, 23.7. 1920
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