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Literatur


04.3


Joseph Roth - Werke 1

Das journalistische Werk
1915 - 1923







Vorwort

Die erste Ausgabe der Werke Joseph Roths (1956) ist längst zu einem gesuchten Objekt von Sammlern und Spezialisten geworden, die zweite (1975/76) war rascher vergriffen als erwartet. Gelohnt hatten sich also die Anstrengung des Verlages und des Herausgebers, Hermann Kesten, dem die beiden Nachfolger in der Roth-Edition an dieser Stelle ausdrücklich ihren Respekt bekunden möchten - mit Dank für die unentwegte Propagierung des Autors.
 
Natürlich ist auch ein halbes Jahrhundert nach Roths Tod der Gedenkanlaß ein prägnanter Zeitpunkt, mit der Publikation einer dritten Sammlung seiner journalistischen und dichterischen Arbeiten zu beginnen. Ihr Umfang reicht beträchtlich über den Bestand der zweiten Werk-Edition (4 Bände) hinaus, mit der nach den Forschungen Ingeborg Sültemeyers und Wolf  R. Marchands schon deutlich wurde: Der große Romancier Joseph Roth war zeit seines Lebens auch Journalist. Und wer, neugierig geworden, in den alten Zeitungen der Jahre zwischen den Weltkriegen blätterte, der konnte weitere »unbekannte« Texte finden, konnte feststellen, wie produktiv und engagiert der Journalist Roth war und wie interessant seine Artikel noch heute sind.
 
Eine Auswahl dieser neu gefundenen Arbeiten setzte auch Akzente für den politischen Journalisten Joseph Roth, Berliner Saisonbericht. Unbekannte Reportagen und journalistische Arbeiten 1920-1939. Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Klaus Westermann, Köln 1984). Auch wenn erfreulicherweise immer mal wieder ein weiterer Artikel Roths entdeckt wird, so gilt für die dritte Edition mit den neuen Funden: Das journalistische Werk Joseph Roths liegt
vor.
 
Einige der Texte (aus dem sogenannten Berliner Nachlaß) waren zuvor von Friedemann Berger, damals Chef-Lektor des Leipziger Gustav- Kiepenheuer-Verlages, veröffentlicht worden - zusammen mit einigen Erzählfragmenten Joseph Roth, Perlefter. Fragmente und Feuilletons, Leipzig 1978, 2. Aufl. 1981). Der Titeltext erschien mit Bergers Nachwort gleichzeitig auch in einer Ausgabe von Allert de
Lange/Kiepenheuer & Witsch Joseph Roth, Perlefter. Die Geschichte eines Bürgers, Amsterdam/Köln 1978). Auch dieser Text zusammen mit dem bisher nicht veröffentlichten Fragment Jugend und den Anfangskapiteln der Erstfassung von Flucht ohne Ende ist in der neuen Werkausgabe enthalten.
 
In den Anmerkungen finden sich darüber hinaus exemplarische Proben aus verschiedenen Nachlaßbeständen sowie jene Gedichte, mit denen Roth als junger Student und Kriegsfreiwilliger in Wiener und Prager Zeitungen debütierte. Von der unveröffentlichten Lyrik, die sich im Nachlaß befindet, wollte er in späteren Jahren nichts mehr wissen. Deshalb bleiben sie hier unberücksichtigt.
 
Unerwartet groß war in den letzten dreißig Jahren die Resonanz auf die neue Bekanntschaft mit dem Erzähler und Feuilletonisten. In vielerlei Verlags- und Titelvarianten hatten die Taschenbuch-Auflagen Erfolg, Buchgemeinschaften nahmen sich des Autors an, und einzelne Titel reizten sogar zu graphisch kostbar illustrierten, bibliophilen Ausgaben.
 
Bald entdeckte der Film den Bildreichtum der Rothschen Erzählweise, so daß nahezu alle seiner bekannten Romane und Geschichten ihre Wirkung nun auch auf Leinwand oder Bildschirm entfalten. Und an den feuilletonistischen Gattungs- und Stilmerkmalen, wie Roth sie handhabte, schärft heute der journalistische Nachwuchs seine Schreibe.
 
Kein Zweifel: Von diesem Autor wird Gebrauch gemacht. Zur Verklärung als Klassiker eignet er sich nur partiell - wie jeder Klassiker -, und keine Ideologie bringt seine Werke glatt in einem Kanon unter. Diese dritte Sammel-Edition verteilt sie entsprechend dem Unterschied zwischen Feuilleton- und Romanlektüre auf zwei Abfolgen von Bänden, in denen jeweils die journalistische und erzählerische Produktion chronologisch gruppiert ist. Im Nachwort zu jedem Einzelband kommentiert der betreffende Herausgeber den dokumentierten Schaffensabschnitt des Journalisten oder Erzählers Joseph Roth.
 
Tübingen/Hamburg, im Herbst 1988 Fritz Hackert
Klaus Westermann

 





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