Ein junger Herr namens
Cleophas wohnte zurückgezogen
in seinem Hause nah der Stadt. Eines Morgens wandelte ihn die Lust an,
unter
Menschen zu gehen. Da kleidete er sich wohlanständig an wie immer, tat
eine
neue grüne Krawatte um und begab sich in den Park. Die Leute grüßten
ihn
höflich, fanden, daß ihm die grüne Krawatte vorzüglich zu Gesicht
stehe, und
sprachen durch einige Tage mit viel Anerkennung von der grünen Krawatte
des
Herrn Cleophas. Einige versuchten, es ihm gleichzutun, und legten grüne
Krawatten an wie er – freilich waren sie aus gemeinerem Stoff und ohne
Anmut
geknüpft.
Bald
darauf machte Herr Cleophas wieder einen
Spaziergang durch den Park, in einem neuen Gewand, aber mit der
gleichen grünen
Krawatte. Da schüttelten einige bedenklich den Kopf und sagten: »Schon
wieder
trägt er die grüne Krawatte . . . Er hat wohl keine andere . . .« Die
etwas
nervöser waren, riefen aus: »Er wird uns noch zur Verzweiflung bringen
mit
seiner grünen Krawatte!«
Als
Herr Cleophas das nächste Mal unter die Leute
ging, trug er eine blaue Krawatte.
Da
riefen einige: »Was für eine Idee, plötzlich mit
einer blauen Krawatte daher zu kommen?« Die Nervöseren aber riefen
laut: »Wir
sind gewohnt, ihn mit einer grünen zu sehen! Wir brauchen es uns nicht
gefallen
zu lassen, daß er heute mit einer blauen erscheint!« Aber manche waren
sehr
schlau und sagten: »Ah, uns wird er nicht einreden, daß diese Krawatte
blau
ist. Herr Cleophas trägt sie, und daher ist sie grün.«
Das
nächste Mal erschien Herr Cleophas, wohlanständig
gekleidet wie immer, und trug eine Krawatte vom schönsten Violett. Als
man ihn
von weitem kommen sah, riefen die Leute höhnisch aus: »Da kommt der
Herr mit
der grünen Krawatte!«
Besonders
gab es eine Gesellschaft von Leuten, der
ihre Mittel nichts anderes erlauben, als Zwirnsfäden um den Hals zu
schlingen.
Diese erklärten, daß Zwirnsfäden das Eleganteste und Vornehmste
seien, und
haßten überhaupt alle, die Krawatten trugen und besonders Herrn
Cleophas, der immer
wohlanständig gekleidet war und schönere und besser geknüpfte Krawatten
trug
als irgendeiner.
Da
schrie einmal der Lauteste unter diesen Menschen,
als er Herrn Cleophas des Weges kommen sah: »Die Herren mit der grünen
Krawatte
sind Wüstlinge!« Herr Cleophas kümmerte sich nicht um ihn und ging
seines
Weges.
Als
Herr Cleophas das nächste Mal im Park
spazierenging, schrie der laute Herr mit dem Zwirnsfaden um den Hals:
»Die
Herren mit der grünen Krawatte sind Diebe!« Und manche schrien mit.
Cleophas zuckte
die Achseln und dachte, daß es mit den Herren, die jetzt grüne
Krawatten
trugen, doch weit gekommen sein müßte.
Als
er das dritte Mal wieder kam, schrie die ganze
Menge, allen voran der laute Herr mit dem Zwirnsfaden um den Hals: »Die
Herren
mit der grünen Krawatte sind Meuchelmörder!« Da bemerkte Cleophas, daß
viele
Augen auf ihn gerichtet waren. Er erinnerte sich, daß er auch öfters
grüne
Krawatten getragen hatte, trat auf den Gesellen mit dem Zwirnsfaden zu
und
fragte: »Wen meinen Sie denn eigentlich? Am Ende mich auch?« Da
erwiderte
jener: »Aber, Herr Cleophas, wie können Sie glauben –? Sie tragen doch
gar
keine grüne Krawatte!« Und er schüttelte ihm die Hand und versicherte
ihn
seiner Hochachtung.
Cleophas
grüßte und ging. Aber als er sich in gemessener
Entfernung befand, klatschte der Mann mit dem Zwirnsfaden in die Hände
und
rief: »Seht ihr, wie er sich getroffen fühlt? Wer darf jetzt noch daran
zweifeln, daß Cleophas ein Wüstling, Dieb und Meuchelmörder ist?!«