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Literatur


04.3



Der tapfere Cassian
Puppenspiel in einem Akt
Arthur Schnitzler

Buchschmuck O. Laske



   
     D e r  t a p f e re  C a s s i a n


 

 
 P e r s o n e n

 
  M a r t i n

 
S o p h i e

 
C a s s i a n

  D i e n e r

  **********


S o p h i e.           Es ist ein Zufall. Im Schaukasten des Silvio
   Renatti sah ich den Aufsatz ausgestellt.

C a s s i a n.       Schön genug, um eine herrschaftliche Tafel zu
   zieren.

S o p h i e.           Dafür war er auch bestimmt. Der Bürgermeister
   empfängt heute den Fürsten von Dessau, der sich auf der Durchreise
   zum Kriegslager hier aufhält . . . .

M a r t i n.          Nun? . . . bin ich der Bürgermeister? . . . ist dies
   der Fürst? . . .

S o p h i e.            Nein, das nicht.

M a r t i n.           Oder hab' ich dir mehr Schmuck gegeben, als ich
   mich erinnere, daß du imstande warst, diesen Aufsatz zu bezahlen?

S o p h i e.             O nein. Diese Rechnung hab' ich in anderer Art beglichen.

M a r t i n.            Und wie, wenn's zu fragen erlaubt ist? -

S o p h i e.             Der junge Italiener, der im Laden stand, verlangte
   einen Kuß dafür . . . .

M a r t i n.            Und du bezahltest so?

S o p h i e.             Sollt' ich nicht, da wir so vornehmen Besuch haben?

C a s s i a n.         Sie haben über alle Maßen edel und gastfreundlich
   gehandelt, Fräulein. Aber ich schwöre, wenn diese Früchte
   eben aus dem heißen Sizilien kommen, wenn der, der sie pflückte,
   an Sonnenstich zugrunde ging, der, der sie nach Deutschland
   brachte, an Heimweh verstarb und Bürgermeister und Fürst vor
   Kränkung darüber wahnsinnig werden, daß sie auf einen solchen
   Nachtisch verzichten müssen, - der freche Italiener hat sie sich
   doch tausendfach überzahlen lassen, und er soll es mir büßen,
   eh' ich die Stadt verlasse . . . . Nun aber wollen wir's uns
   schmecken lassen.

   Sie essen. Sophie sieht Cassian an. Martin beobachtet sie, - Schweigen. Dann

M a r t i n.               zu Cassian.  Woher kommst du denn eigentlich?

C a s s i a n.            Es ist nicht so einfach zu berichten. Ich komme
   aus einer Schlacht, wo mir zwei Pferde unterm Leib und drei
   Mützen vom Schädel weggeschossen wurden. Des Fernern
   komm' ich aus der Gefangenschaft, wo etliche brave Kameraden
   verhungert und von Ratten aufgefressen worden sind.
   Ferner vom Richtplatz, wo sieben an meiner Seite füsiliert
   und ich mit ihnen für tot in eine Grube geworfen wurde, ob-
   wohl alle Kugeln an mir vorbeigepfiffen waren. Ferner aus den
   Krallen eines Geiers, der mich für Aas hielt wie die andern, die
   sich an meiner Seite bereit machten zu verwesen, und der mich
   aus Bergeshöhe auf die Erde herunterfallen ließ, - glücklicher-
   weise auf einen Heuschober. Ferner aus einem Wald, wo mich
   ein paar Kaufleute für ein Gespenst ansahen und mir in ihrem
   Schrecken allerlei gutes Zeug und Bargeld zurückließen. Ferner
   aus einem gar lustigen Haus, wo Kroatinnen und Tscherkes-
   sinnen und Spanierinnen meinethalb mit den Dolchen auf-
   einander losgingen, und ihre Galans mich umbringen wollten,
   . . . so daß ich durch den Rauchfang aufs Dach flüchtete
   und fünf Stockwerke heruntersprang, . . . kurz und gut: ich
   komme aus so viel Abenteuern, daß ein anderer mehr Mühe
   hätte, sie zu erfinden, als es mir gemacht hat, sie zu überstehen.

S o p h i e.                   Herrlich!

 

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