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Literatur 

 
 







Das Buch der

Dreizehn Erzählungen

Ernst Schur
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Die geschlossenen Augen
auf den Grabhügeln der Fürsten



Es ist die Hauptstraße der kleinen Stadt am Walde. Um die Zeit des sinkenden Abends. Ein buntes Leben herrscht. Ein allgemeines Ausruhen beginnt in den Häusern. Offen liegt das Innere vor dem Blick des Vorübergehenden. Wer mit dem Strome zieht, wer müßig umherschlendert, der findet sich in diese allgemeine Erholung allmählich mit süßer Gewalt hineingerissen. Sie löst alle Glieder.
 
Ein Ausschnitt öffnet sich. Unsichere Umrisse bewegen sich. Die jungen Mädchen und die Frauen machen ihre Abendtoilette. Sie waschen sich. Sie lassen sich ihre Stoffe in lässigen Falten um den Körper legen. Eine Schöne hockt vor einem großen Spiegel und läßt sich ihr Haar kunstgerecht aufstecken. Die Menge geht vorüber, bewegt sich, schwatzt. Noch sind nur wenige Laternen angezündet.

Im Nebenhause hockt ein Alter, gelassen verzehrt er und zufrieden sein bescheidenes Abendessen. Die kleinen, knarrenden Häuser gucken wie lauschige Plätzchen, wie etwas Ersehntes aus dem Laube. Wie etwas Unruhstillendes. Wie heitere Ergötzlichkeiten. Wie ewig bewahrte Winkel.
 
Zwei silberne Mandarinenenten erheben sich plötzlich aus dem nahe Flusse. Sie schweben schwer über der Menge. Ihr helles Gefieder hat noch die Kraft zu strahlen. Sie ziehen in gleichmäßigem Schwunge über der Menge. Ein langer Strich ist ihr Schrei. Dringlich, einbohrend, als begehrten sie etwas immer Versagtes, immer blutig Ersehntes. Sind sie auch schon entschwunden: lange noch tönt ihr Gekreisch.
 
Vorübergehende rufen sich an, sie begrüßen sich, es schallt aus dem Innern der Häuser, sie wünschen sich alles Gedeihliche. Dann gehen sie weiter.

Ein müder Wanderer sitzt an verlassener Ecke und klopft seine Pfeife. Immer noch tönt das wilde Gekreisch der suchenden Vögel.
 
Ein anderer hat dicken heißen Brei vor sich stehen, in einem breiten Napf, vor seinen gekreuzten Beinen. Mit einem runden Löffel schöpft er daraus, schwenkt ein paar Mal in der Luft, streckt seinen Arm hoch über den Kopf, kalt kerzengerade. Dann läßt er den Brei von oben in schwerem Strahl herabrinnen. Er giebt sich dieser Beschäftigung ganz hin, mit unglaublich wichtiger Miene, immer wieder fliegt der Arm in die Höhe. Ganz vertieft ist er in seine Aufgabe.
 
Am Wege hocken Sandalenverkäufer und preisen ihre Ware. Ihr Geschäft erscheint ihnen nicht so wichtig. Der Wirbel der Belustigung bemächtigt sich ihrer. Gleichmäßig kreist nun der Wirbel.
 
Wasserträger schleppen ihre Krüge, sie balancieren sie geschickt, lassen niemand eine nasse Ermahnung zu teil werden. Die Menge wogt gleichmäßig, ruhig.
 
Alle Lichter leuchten und strahlen. Ein helles Meer schwimmt über der Menge. Die sich nun sacht verliert. In Reichtum blitzen und zucken die Strahlen auf.
 
Die Blumen stehen hoch am Wege. Mit langen Stengeln nicken sie am Wege, die vielfarbigen Blumen.
 
Sanft erhebt sich ein Wind. Sanft begütigen will der erwachende Tröster, und Qualen erleichtern.
 
Ein Gaukler springt auf einem Bein, er schwingt die Hände durch die Luft, seine Mienen sind bewegt, lachend verzerrt, lustig blicken seine Äuglein. Seitwärts hebt er das Bein und beugt es im Knie, energisch krümmen sich die Zehen nach unten, als wollten sie etwas packen. In seinen Bewegungen ist alles Kraft und tummelnde Luft.

Dort hinten im Walde liegt nun ein schwarzes Dunkel, gutes, tiefes, friedliches Dunkel, ein warmer breiter Strich.
 
Jedes Haus hat nun ein einsames Licht. Doch keine Helle will sich dadurch verbreiten.
 
Wer nun noch geht, schlürft träge dahin, mit verlassenem Schritt.
 
Alles ist in gleiche Farbe getaucht, die über den Dingen liegt. In eigener Stille Alles versunken. Nur oben vom Tempel flutet ein strahlender Streifen, sechs Lichter hängen in gleicher Reihe.
 
Ein Wort tönt nur noch wie eine verschollene Weise.
 
Nun senkt sich etwas hernieder, es raunt.
 
Gut und groß beginnt der Abend seinen stillen Gang in den Häusern.
 
Eine Umarmung. Ein seliges finden. Ein Versinken.
 
Bald verlischt auch das letzte Licht.


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