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Das Buch der

Dreizehn Erzählungen

Ernst Schur
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Die Kinderseelen am Flusse in
Gestalten der ewigen Welt

Ein einsamer Mann schreitet durch den Wald.
 
Auf der Brücke, die nach der Stadt hinüberführt, steht er still. Der See unter ihm liegt noch ohne Lärm. Auf dem gegenüberliegenden Ufer leuchten aus den Waldbäumen die ersten Papierlaternen. Sie heben die nächsten Zweige ihrer Umgebung aus dem Ganzen matt heraus.
 
Die ersten Lichter wachen auf. Träumerisch verschlafene, staunende Augen. Mit sanften Schleiern um das Helle. Langsam steigt die Stadt vor dem einsamen Manne auf. Er bewegt sich weiter, der Heiligkeit zu, es fächelt ihn eine weiche Luft, die er froh begrüßt.
 
Und aus dem seltsamen, verwunschenen Klingen hört der einsame, stille Mann eine leise, tastende Melodie die ihn lockt. Er lächelt vor sich hin und starrt, an einen Holzpfeiler gelehnt, in das Wasser hinab. Drüben, überm See, beginnen sie in den Theehäusern am Strande die Papierlaternen anzuzuünden. Sie schaukeln in bunten Farben, die das Licht dämpft, hin und her.
 
Die ersten Boote stoßen langsam vom Strande ab. Trotz der breiten Fläche, die sie dem Wasser bieten, gehen sie bald in eine gelinde Schnelligkeit über, die sie rasch von der Stadt entfernt. Bald sind sie verschwunden, versunken in der Weite des Sees. Nur vereinzelt hört man das Singen und Erzählen der Frauen durch die Dunkelheit herausklingen. Es bleibt so still.
 
Die Laternen werfen über das Wasser streifende Lichter, hier und da die Insassen eines lautlos gleitenden Kahns streifend, plötzlich aus dem Dunkel reißend. Doch ebenso schnell sind sie von der Dunkelheit wieder verschlungen, sie sind vergessen.
 
Ein leichter Wagen rollt über die Brücke.
 
Ein Wasserkäfer kriecht am Pfeiler hinauf und besieht sich das Schauspiel.
 
Lange steht der einsame Mann und fühlt sich in das allgemeine Dunkel hineingerissen.
 
Berge überragen den See in der Ferne, und drunten bilden die schwebenden, tanzenden Lichter einen Kranz.
 
Weich und groß und tief liegt das allgemeine Dunkel. Wie in Hingebung versinkt alles, was einzeln ist. Nur ab und zu flackert es wieder auf. Sonst herrscht das allgemeine Dunkel.

Es wird immer stiller, als wollte jede rasche Bewegung stocken, sich in die große ewige auflösen.
 
Ein Blatt, vom Winde getrieben, dem Wasserkäfer gerade entgegen, der muß ausbiegen, er zieht es vor, in der Tiefe zu verschwinden.
 
Der einsame Mann schreitet weiter.


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