„Du
hast Glück gehabt,“
erwiderte der Alte; „wer gerade vorm Einschlafen recht was Hübsches
denkt, das
er sich sehr, sehr wünscht, dem wird im Traum sein Wunsch erfüllt. Der
Schlüssel Sehnsucht schließt die Türen zum Traumland hurtig auf. Das
ist ein
eigenes, großes Reich, von dem die großen Menschen nicht viel wissen
wollen.
Aber doch ist es da und sehr oft sehen sich die Menschen dahin zurück.
Aber
dann haben sie nicht mehr – weißt du – die rechte Kraft der Sehnsucht
und die
Türen bleiben ihnen verschlossen. Wo es aber gerade paßt, da laufen
eilends
hurtige Boten auf leisen Socken zu uns und bringen uns die Botschaft.
Die sind
auch zu mir gekommen und haben mich gebeten. Und darum habe ich mich
aufgemacht
zu dir.“
„Aber
woher wissen denn die
kleinen Boten, was ich mir wünsche; ich habe doch gar nichts gesagt?“
„Wünsche
haben auch ihre
Stimmen; die Menschen hören sie nur meist nicht, weil sie gar so fein
sind und
es meist so laut bei ihnen zugeht. Sie haben an andere Sachen zu denken
und da
vergessen sie, darauf zu hören. Aber so ein kleiner Bote, der überall
und
nirgends ist, der bei dir sitzt, wenn du es gar nicht merkst, der hat
ganz
andere Ohren. Der hört, was sich die Mäuschen erzählen, und was das
Gras
wispert, das weiß er ganz genau. Und da kam er zu mir und sagte: Bitte,
bitte,
geh doch zu dem kleinen Erwin; der
möchte so sehr gern eine kleine, dicke, weiße Wolke sein.“
„
Kannst du mich denn in
eine Wolke verwandeln“, fragte Erwin.
„Das
will ich lieber nicht
machten,“ versetzte der Alte, „denn das wäre gar nicht gut für dich.
Dann würde
deine Mutter sich doch sehr grämen, wenn du plötzlich nicht mehr da
wärst und
wärst eine kleine Wolke, die von ihr fortfliegt. Dann kann sie dich
nicht mehr
in den Arm nehmen und du siehst sie nur von ganz oben.“
„Wie
willst du mir denn
aber meinen Wunsch erfüllen?“ fragte Erwin.
„Das
geht auf andere Weise
ganz gut. Du kannst z. B. mit mir eine Reise machen. Und ich kann dich
auf eine
Wolke setzen und dann segelst du leichthin durch die Luft und siehst
dir alles
gemütlich an. Wolken haben ihr eigenes Leben und wie ein Märchen ist
ihre
fremde, ewig wechselnde Schönheit.“
„Das
wäre sehr schön,“
sagte Erwin, „aber werde ich nicht herunterfallen? Wie heißt denn du
übrigens?“
„Ich
habe keinen Namen,
aber du kannst mich Wolkenpapa nennen, denn ich gebiete über alle
Wolken und
wenn ich will, wirst du sicher durch die Luft getragen, wohin du
willst. Du
hast wohl doch ein bißchen Angst?“
„Ich
möchte gerne, aber es
muß niemand merken, daß ich weg bin. Denn sonst weint die Mama und
sucht mich,
Ich bin nämlich ihr Nesthäkchen. So nennt sie mich immer.“
Und
kaum hatte er das
gesagt, da fühlte er sich ganz leicht werden und ein starker Arm hob
ihn hoch
und entführte ihn. Er lehnte sich fest an, hoch ging es, immer höher,
doch die
Hand hielt ihn ganz sicher. Und mit einem Mal gab’s einen Schwupps und
da saß
er obendrauf auf der kleinen, dicken, weißen Wolke, die er vom Fenster
aus
gesehen hatte. Es war ganz warm und mollig um ihn.
Zuerst
getraute er sich
nicht, sich zu rühren. Es war eine wundervolle Stille hier oben. Als er
aber
aufsah, sah er nicht weit von sich andere kleine Wolken, auf denen
saßen auch
Kinder, die winkten ihm fröhlich zu, manche hatten sogar ihr Spielzeug
bei
sich, und da wurde er wieder mutiger. Die hatten wahrscheinlich
ebensolche
Wünsche gehabt wie er.
Und
wenn die kleinen Wolken
sich begegneten, grüßten sie sich und wünschten sich Glück auf der
Reise. Es
war fast wie ein Singen in der Luft. Dazwischen aber flog lang
hingestreckt der
Greis, der Erwin geholt hatte; lang hingestreckt fuhr er durch die Luft
und
sein Gewand wallte, sein langer, weißer Bart flog und so sah er aus wie
ein
lang hin sich dehnender Wolkenstreif. Er war hier in seinem Reich und
die
Wolken tummelten sich wie Kinder um ihn. Darum also hieß er der
Wolkenpapa.
„Singen
denn die Wolken?“
fragte Erwin den Wolkenpapa.
„Wenn
es so recht herrlich
ist, wie jetzt, dann erfüllen die Wolken die Luft mit einem leisen
Gesang und
wenn alles still ist, hörst du sie summen.“
Und
wie Erwin so langsam
dahinfuhr, sah er unter sich wunderschöne Wiesen liegen, in
Sonnenpracht. Wie
eine lohende Glut flutete in heißen Feuerwellen das Sonnenlicht herab
und
überschüttete das Land mit warmem Segen.
Die
kleine, dicke, weiße
Wolke bot für Erwin genügend Platz.
Es
war hier wie ein Reich
für sich. Erwin entgegen stieg eine große, dicke Wolke im Luftreich
auf. Sie
schien ganz unbeweglich, so groß war sie. Sie lag, lastete und träumte.
Bewegung war in ihr, ein Quellen veränderte fortwährend ihre Gestalt;
aber als
große Masse stand sie still.
Kräftig
leuchtete das helle
Licht in strahlendem Weiß an der Riesenwolke auf. Auf der hellgrünen
Erde lag
ein Riesenschatten.
Und
in diesem weichen
Schatten, der so warm durchglüht war, träumten unten die Bäume, die so
klein
waren, wie aus der Spielschachtel und die Flüsse glitten silbern und
sacht
dahin. Die Blumen blühten in herrlicher Pracht, weiß, gelb, violett
leuchteten
die Felder. Die Herden weideten; zuweilen hörte Erwin ein Glöckchen und
aus den
Hütten stieg ein leichter Rauch. Zuweilen auch war es Erwin, als hörte
er ein
leises Lied singen, das flog auch leicht wie ein Rauchwölkchen in die
sommerliche Luft und die zarten Töne waren nur wie ein leises Grüßen in
der
blauen Schönheit des sommerlichen Lichts, in der Erwin auf seiner
kleinen,
dicken weißen Wolke dahinschwamm.
Dann
ging die Sonne unter –
denn es war schon spät geworden – und der weiche Abend träumte über den
Feldern. Das war ganz anders hier als zu Hause, wo die rote Sonnenkugel
hinten
immer verschwand und einfach wegrutschte, viel feierlicher war es hier.
Die
kleinen Wölkchen
bekamen einen gelblichen Schimmer, so wie ein Wachslicht aussieht und
zogen
noch einmal so still dahin. Es schien , als zögerten sie in ihrer Reise
und
wollten stille stehen. Wie müde Abendvögel sahen sie aus, die die
Schwingen
zusammenlegen wollen und ausschauen, wo sie rasten können.
Das
ganze bläuliche Reich
lag in gelbliches Abendlicht getaucht und die kleinen Wolken wurden wie
mit
einem Heiligenschein umkleidet. Sie standen so fern und träumten; ihr
goldenes
Abendkleid zogen sie sich über. Wie ein letzter Gruß war ihr Scheiden.
„Das legen sie
immer an, ihr goldenes
Hemdchen,“ sagte der Wolkenpapa, der gerade langsam vorüberstrich,
erklärend zu
Erwin, „wenn sie zu Bett gehen wollen. Es ist mit mattrotem Band
gesäumt,
siehst du?“
„Mama zieht mir immer ein
weißes an, aber einen hübschen, roten Saum hat es auch“, meinte Erwin.
Nun aber wollte Erwin
sehen, wie es unten aussah. Er legte sich auf den Bauch und steckte den
Kopf
über den Wolkenrand hinaus.
Da sah er ein trauliches
Dorf unten liegen, versunken in Abendfrieden. Abendruhe stand bei jeder
Hütte.
Und siehe da, golden umrandete auch hier das Abendlicht die Häuschen.
Zuweilen
brannte schon ein Licht in den Stuben und die Fenster leuchteten dann
wie ein
kleiner, warmer Punkt. Und eine kleine Kirchturmspitze glänzte heraus
aus dem
Grünen.
Nur leise hob sich hier
und
da ein Rauch von den Dächern. Schon dunkelte der Abend. Vor den Türen
sitzen
Männer und Frauen; aber sie sprechen nicht viel; ihre Worte sind auch
müde und
dunkel und gehen ihnen nicht schnell von den Lippen. Denn sie wissen,
nun ist
der Abendfriede im Dorf und den hüten unsichtbare Scharen, die bei
jeder Hütte
stehen und friedlich und sachte durchs Dorf ziehen. Und wenn diese
jemand
drinnen im Zimmer finden, der im Dunklen sitzt, dann geht einer leise
hinein
und zündet ein Lichtlein an. Denn gar so allein im Dunklen sitzen und
träumen,
das macht traurig.
„Paß
auf,“ sagte der
Wolkenpapa, der sich dicht bei Erwins kleiner Wolke hielt (der
Wolkenmantel lag
ganz still, lang hingezogen und der Bart flatterte auch nicht, die
ganze
Gestalt lag wie still schwebend in der Luft, so wie ein Wolkenstreif
oft am
Abendhimmel still liegt und kaum schwebt) -, „wenn über den Feldern
noch ein
leiser Lichtschein liegt wie jetzt und die Wiesen schon zu dunkeln
beginnen,
dann beginnt das Wolkenreich zu glühen. Sieh, wie der Horizont da
hinten in
flüssigem Gold und Rot schimmert; goldumrandet stehen die kleinen
Wolken im
dunkelblauen Abendraum, wie von innerlichem Licht erleuchtet. In dieser
Zeit
ist es in der Welt ganz, ganz still. Kein Blättchen regt sich, kein
Vogel
singt, sie gehen in ihr Nest zur Ruh. Kein Lufthauch weht.
Sieh, nun beginnt unser
Reich, eine phantastische Welt: die Grenzen des Raumes erweitern sich
ins
Ungemessene, du kannst nicht absehen, wo er endet.“
Eine neue Welt baute sich
zauberhaft schön für Erwins erstaunten Blicken auf und er riß die Augen
noch
einmal so weit auf. Er lag ganz artig auf seinem Wölkchen und wurde
selbst ganz
still, wie ein Vögelchen im Nest. Das war aber auch zu schön und
feierlich hier
und es war so hübsch, ganz ruhig dahin zu schweben.
Da
sammelte sich ein
unermeßliches Meer von Wolken und breitete einen glühenden Traum über
die
stille Landschaft. Ein tiefes Rot erfüllte den ganzen Luftraum und
tauchte ihn
in ein purpurnes Dämmern. Alles war von diesem warmen Licht angehaucht
und
selbst die weißen Wolken schimmerten rötlich. Das nahm immer mehr zu,
als
glühte der ganze Weltenraum, als geschähe irgendwo ein großes Brennen,
dessen
Schein sich weithin verbreitete.
Eine ganze Schar rosig
angehauchter Wölkchen schwamm in diesem Licht: es war die Herde der
Wolkenschafe, die nach Hause getrieben wurde und deren Fell rötlich
schimmerte.
Der Wolkenpapa winkte
immer
mit seiner Hand.
Es war, wie wenn die
Wolken
sich alle auf dies Zeichen versammelten.
Da stiegen von dem Rand
der
Ebenen, ganz hinten, Wolkengebilde auf und rings um Erwin sammelten sie
sich.
Das alles lag friedlich, in stummer Schönheit da und Erwain war’s, als
müßte er
den Atem anhalten. Denn auch der leise Abendwind war so still, man
hörte ihn
kaum fächeln. Dann
aber ließ das Glühen
nach und ein weiches, gelbliches Licht, das mit seinem schleierhaften
Dämmer
alle Dinge phantastischer erscheinen ließ.
„Abendwind,
wehe ein
bißchen“, sprach der Wolkenpapa -, und sofort erhob sich ein leises
Wehen und
siehe da, da verschob sich das Bild. Neue Räume taten sich auf, es war,
wie
wenn ein Schleier weggezogen würde und neue Welten sichtbar würden.
Die Wolken sahen gar
nicht
mehr aus wie einfache Wolken. Manche, die sich fernhin breiteten, auf
denen das
scheidende Licht noch golden lag, sahen aus, wie sonnig sich
hinbreitende
Flachlandschaften.
Vor
Erwin lag das
Wolkenreich und die Erde war verschwunden.
An
goldener Bucht lag eine
prächtige Stadt. Ganz fremdländisch sah sie aus, wie aus einem Märchen.
Häuser
mit flachen Dächern bauten sich auf Felsen auf, und die Dächer
schimmerten wie
Gold. Eine schmale Landzunge lief zu einer Spitze aus und auch die
Landzunge
war ganz von Gold und rahmte eine weite Bucht ein, die wie mattes
Silber
schimmerte.
Golden blitzten auch die
Häuser und ein weicher, matter Glanz lag über der Bucht, die wie ein
großer
Hafen dalag. Violette Streifen sind über die Fläche hingezogen, sie
leichten
schwach und schwimmen in zitternder Bewegung auf der Fläche, die
ungeweglich
steht und sich nur ab und zu weich nach oben hebt, sich dehnt, als
atmete sie
auf.
Und
in dieser
silbrig-matten Flut stehen, traumhaft leicht, silberne Segel. Ein
trunkenes
Glück schien über der goldenen überflammten Stadt zu liegen.
„Dort
wohnt der
Wolkenkönig“, sagte der Wolkenpapa, „dessen Abgesandter ich bin. Da
aber darf
niemand hinein. Nur ab und zu darf ich einzelnen Menschenkindern von
fern die
Herrlichkeit zeigen, wenn sie gerade so recht träumen. Wolkenschlösser
nennen
die Menschen solche Träume und sie wissen nicht, daß sie wirklich über
ihnen
thronen und daß sie nur nicht hineindürfen. Drum aber nennen sie sie
so, weil
sie ihnen unerreichbar sind.“
„Sieh aber nach der
anderen
Seite, da ist ein anderes Bild.“
Da war das Licht schon
erkaltet; und unwirklich und doch in seiner Kühnheit und Größe
verblüffend
breitete sich ein anderes Reich.
Eine
Schneegebirgslandschaft. Berge, die sich hoch auftürmten. Schneeige
Gipfel, wie
wir sie auf der Erde Gletscher heißen. Eine riesige Mulde breitete sich
zwischen den Hängen, ebenfalls ausgefüllt mit Schnee. Nur die Spitzen
dieser
Berge empfingen noch Licht und rosig waren ihre Spitzen davon
angeglüht.
Ein eisiges
Hochlandschweigen lagerte über diesen Bergen. In glatten Wänden stiegen
die
Gletscher auf und kein Leben zeichte sich.
„Hier ist nur die große,
schöne, ewige Ruhe und das Schweigen, das von fern dich grüßt; das ist
das Tal
der Einsamkeit,“ erklärte der Wolkenpapa. „Da kommen nur die alten
Wolken hin,
die sich nach Ruhe sehnen. Die Wolken sterben nie. Wenn ihr sagt, es
regnet,
dann kommen sie zu euch auf die Erde hernieder, da sie sich auch diese
ansehen
wollen. Sie steigen dann in Nebeln wieder auf und hüllen die Erde in
Dunst; sie
breiten ihr Reich überallhin aus. Das hast du dir wohl nicht träumen
lassen,
daß es hier bei uns so viel zu sehen gibt, wovon die Menschen auf der
Erde gar
keine Ahnung haben.“
Fern wie eine Erscheinung
blieb das Bild.
„Und nun sieh nach der
dritten Seite!“
Da war noch alles in
sanfter wallender Bewegung, als aber eine Weile vergangen war, in der
eine
stetige, rastlose Verwandlung vor sich zu gehen schien, die ein Bild in
das
andere schob, da stand schließlich ein neuer Anblick da.
Eine riesige Sandebene
dehnte sich, ein Wüste. Auch hier ragten seitlich Berge. Doch waren sie
weiter
voneinander gerückt und die Ebene, die Wüste trat beherrschender heraus.
Mitten
in diesem
unendlichen Flachland führte eine schmale Straße zu einem fernen Ziel.
Da
bewegte sich ein Zug von Reisenden in Wolkengewändern; schwebende
Gestalten,
eine Karawane.
Seitlich, weiter nach
hinten zu, winkte eine Oase; da standen Bäume, eine ganze Gruppe, mit
hängenden, großen, schweren Blättern. Langsam bewegte sich die Karawane
darauf
zu.
„Paß auf, nun sinkt die
Sonne. Das geht ganz schnell.“
Eine dicke, schwere Wolke
zog mit einem Male herauf, schwebte dicht über der Erde, die nun wieder
sichtbar wurde, als ein großes, mächtiges, ganz dunkles Feld. Und
andere Wolken
folgten.
Kein
Licht, kein goldener
Schimmer umhüllte die luftigen Gebilde. Sie schienen tot und ihres
Lebens
beraubt; sie schwebten ohne Glanz dahin. In blaugrauer Schwere lagen
sie tief
herab, senkten sich bleiern über die dunklen Felder und der ganze
Luftraum wurd
bleich und glanzlos, blau und kalt.
Da
wurde Erwin etwas
kleinlaut. Der Wolkenpapa aber blieb bei ihm und sagte:
„Nun
will ich dir aber noch
unsere Nachtwolkenherrlichkeit zeigen; da wirst du staunen, die ist
noch viel,
viel schöner als all die Bilder, die du mit deiner Laterna magica
machst.“
Da
wurde Erwin doch wieder
neugierig und guckte heraus. Und siehe da, da war es Abend geworden.
Ein
schöner, tiefblauer Abend.
Silbern
schwebte der Mond
still herauf. Drunten auf der Erde wurde es dunkel. Erwin sah hinab und
sah die
Wiesen dunkeln. Seen lagen auf den Feldern und da glänzte der silberne
Mond
hinein und sie öffneten sich wie dunkelglänzende Augen. Aus allen
dunklen
Dingen strahlte eine Helligkeit auf. Erwin sah von oben in einen großen
Garten;
die Bäume standen trauernd wie schwermütige Zypressen da; ein großes
Wasserbecken lag melancholisch und leer da; nicht weit davon, im
Garten, lag
ein altes Schloß, an dessen weißen Mauern das Licht silbern herabfloß.
Dann
aber blickte Erwin
wieder hoch und da sah er den kalten und so geheimnisvoll leuchtenden
Mond
nicht weit von sich stehen; er schwamm als weißlich leuchtende Kugel in
einem
Meer von Molken, die ihn umgaben, wie eine Herde Schafe den Hirten
umschwärmt.
Weiterhin aber wurde die Dunkelheit schwächer erhellt; träumend zogen
die
Wolken in diesen Regionen einher; wie schlafwandelnd schwebten sie, in
trunkender Schönheit, und es war, als badeten sie ihre Schönheit in
diesem
Licht, in dieser reinen Stille, die von weißlichem Glanz ganz erhellt
war. Es
war ein Meer silbern er Wogen. Und wie Erwin sich suchend nach dem
Wolkenpapa
umsah, da sah er, daß dessen Greisenhaar ebenfalls weithin zu flattern
begann.
Da merkte er, daß ein Wind sich aufgemacht hatte und er sah ängstlich
um sich.
Da nahte aber schon der
Wolkenpapa und nahm ihn begütigend in seinen Arm und barg ihn in den
großen,
tiefen Falten seines Mantels.
Es
wurde ganz einsam um
Erwin und auch der Wolkenpapa sagte nichts mehr. Er fühlte nur noch,
wie das
kleine Herz Erwins in seiner Riesenhand pochte und da wußte er, daß
Erwin
große, große Angst hatte und nach Hause wollte, wenn er es auch nicht
sagte.
Und da hatte er Mitleid mit ihm.
Und plötzlich gab’s
einen
Plumps. Da erwachte Erwin. Er spürte einen Kuß auf seiner Stirn und als
er den
Kopf hob, sah er über sich das Gesicht seiner Mutter.
„Du
hast wohl geschlafen“,
sagte sie. Und strich ihn über die Haare.
Schlaftrunken wie er
war,
hob sie ihn empor.
„Ich war bei den
Wolken.“
Das aber hatte er so leise gesagt, daß ihn seine Mutter gar nicht
verstanden
hatte.
Erwin
lehnte seinen Kopf an
den Hals der Mutter. Die trug den kleinen, müden Kerl in die Wohnstube
und
setzte ihn an den Eßtisch, wo er seine Griesspeise vor sich stehen
fand. Aber
er sah mit so verträumten Augen in die Welt, daß ihn Mama immer
streicheln
mußte, so schwer war das Köpfchen.
Gern
hätt er erzählt, wo er
gewesen und was er alles gesehen hatte, aber er konnte sich noch gar
nicht
ordentlich zurechtfinden, und als ihn die Mutter dann ins Bett legte,
sagte er
nur: „Es ist doch ganz gut, daß ich wieder hier bin; es war so sehr
weit weg.“
Und
als ihn die Mutter
erstaunt fragte: „Ja, wo warst du denn eigentlich?“ da brachte er
seinen Mund
dicht an ihr Ohr und legte seine Arme eng um ihren Hals und flüsterte:
„Ich
habe eine weite Reise
gemacht; im Wolkenreich war ich und der Wolkenpapa läßt dich grüßen.“
Da
aber machte die Mutter
ein Gesicht: „Im Wolkenreich warst du? Das muß aber schön gewesen sein.
Das
mußt du mir morgen alles erzählen, wie es da ausgesehen hat. Nun mußt
du aber
schlafen.“
Da
bekam Erwin noch einen
Gutenachtkuß extra und schlief ein und wer weiß, vielleicht hat er im
Traum
wieder eine große Reise gemacht.
Draußen
aber zogen die
leichten Wolken in der lauen Sommernacht dahin, schwebten am Mond
vorbei und
zogen schweigend weiter. Die sah aber Erwin nicht. Sie aber sahen herab
von
ganz, ganz oben und da sahen sie wohl auch das Haus, in dem Erwin lag;
und in
das ganz, ganz kleine Fensterchen, hinter dem Erwin schlummerte, guckte
um
Mitternacht, als es niemand merkte, neugierig der Mond herein und
wollte sich
doch den kleinen Gesellen einmal ansehen, der die Wolkenreise gemacht
und ihm
vor ganz kurzer Zeit noch ins Gesicht geguckt hatte.
Wo
er wohl liegen mag,
dachte der Mond; denn er konnte ihn nicht gleich finden; ich will ihn
mir mal
suchen.
Und
richtig, da konnte er,
wenn er das Gesicht ein bißchen schief legte, durch einen Spalt in den
Vorhängen in das Zimmer sehen und wenn er da ein bißchen um die Ecke
guckte,
sah er, ganz hinten, in der Ecke des Stübchens Erwins Bett stehen. Aber
der
Mond mußte lange suchen, bis er es fand. Denn von so hoch oben erschien
es
ganz, ganz klein; viel kleiner als eine Nußschale, so daß es kaum zu
sehen war
und der Mond seine Augen ordentlich weit aufmachen mußte, um etwas
wahrzunehmen.
Als
er Erwin aber entdeckt
hatte, da betrachtete er ihn lange und leuchtete ihm durch den Spalt in
den
Vorhängen ganz hell ins Gesicht und wenn Erwin nicht geschlafen hätte,
dann
hätte er gesehen, wie vergnügt der Mond schmunzelte.
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