eh
du mit mir, du fremde Seele! Es ist gleich, wer du bist! Es ist
gleich, wen du liebtest, geh mit mir. Du sollst bei mir sein, ich
will dich spüren.
enn
das Leben der Seele ist ein Wandern, ein unstätes Warten. Bald sitzt
sie still und träumt und ist glücklich. Aber das ist nur eines
Augenblickes Glück. Bald fühlt sie eine Sehnsucht, die sie treibt,
eine Sehnsucht, die sie von irgendwoher magnetisch an sich lockt. Sie
ist einsam. Und die Einsamkeit ist oft still und trostreich, und da
hört sie die Laute der Einsamkeit. Sie ist aber auch drohend und
drückend und lastet schwer. Weite dich! O Seele und lausche!
eh
du mit mir, du fremde Seele. Hörst du mich rufen? Du kommst, denn
ich will es. Ich brauche eine Kraft, die neben mir geht. Vielleicht
werde ich später ganz einsam sein. Hörst du den letzten Ruf?
u
gehst in einem fremden Lande in Ketten. Fremd alles, was du siehst,
fremd, was sich zu dir drängt. Ich suche und suche — nichts naht
mir, dem ich freundlich bin. Geh du mit mir, du fremde Seele. Es ist
gleich, wer du bist. Ich kenne dich. Ich spüre deine Kraft und ich
kenne deine Schwäche.
ie
Seelen, die mich umschwirren, sind fremd und bedrohlich. Ich
lese in ihnen wie in einem aufgeschlagenen Buche und finde nichts
Gutes. Es ist soviel Unwille und Unklares darin, ich sehe soviel
verwischte Zeichen. Schlecht ist die Sprache, die ihre Sinne reden.
Eindeutig, monoton und grob. Sie sind nicht langsam geworden, sind
nicht langsam gereift. Sie sehen aus wie schnelle Machwerke, die
ein spekulierender Geist eilig fertigte und auf den Markt warf. Nun
lallen sie alle wie Puppen dieselbe Sprache. Darum erstaunt der
Blick, trifft er ein verschlossenes Buch, eine unenträtselte
Seele, die noch nicht alles von sich weiß, die noch nicht alles
hinausschreit. Es ist ein tiefer Eindruck, eine Seele zu finden, auf
der geschrieben steht: ich weiß noch nicht alles von dem genaueren
Inhalt meines Wesens.
ede
Seele ist eine Erzählung ohne eigentliche Spannung und ohne viel
Geschehnisse. Auch fehlt der bestimmte Zusammenhalt, wenigstens
für uns. Dies ist das Große an der Erzählung, und diese
Gesamtstimmung ist die Wahrheit, die wir von der Seele wissen.
Der Tag geht hin. Stunde um Stunde verrinnt. Und so geht es Jahr
um Jahr. Du wirst nicht viel mehr von dem wissen, wofür du einst
Kraft und Worte aufwendetest. Die Zeit ist vergangen und dir ist
nicht viel dafür gegeben worden.
Beschreibe
dein Leben, das Leben
der Seele so, wie es dahingeht. An tausend Momenten ist es
reich, die unscheinbar sind. Ohne viel Aufwand an künstlerischen
Mitteln zu verschwenden, der nur verwirrend und
veräußerlichend wirkt. Auch nicht mit jener bettelnd bescheidenen
Geste, die um Vergebung seufzt und immer traurig blickt. Sondern
einfach so, wie das Leben hingeht, mit fast aktenmäßiger
Genauigkeit und Trockenheit, treu, gefaßt, klar,
gleichbleibend. Gerade die Abwesenheit jeder literarischen Mache, das
Verschmähen all der verlogenen, großen Formen, deren sich die
Künstler bedienen, um die Menge zu locken, die das einmal Geprägte
gläubig annimmt, um in diesen Becher ihre Empfindungen
hineinzugießen, statt daß diese Empfindungen, von innen
herausdrängend, die Form erst gestalten. Es ist so, wie wenn ein
Architekt ein fremdes Gebäude als Schema übernimmt und nun zusieht,
wie er seine Anlage darin unterbringt. Statt daß die notwendige,
innere Anlage, nach außen drängend, das Gebäude gestaltet.
Drama. Roman. Gedicht.
erade
die Abwesenheit jeder literarischen Mache prägt die
charakteristische Physiognomie.
as
Leben der Seele geht dahin in schauerlicher Stille, in erhabener
Monotonie. Man kann weit in die Ferne und in die Vergangenheit
zurückblicken im Land der Seele. Die, die nach Reiz und Aufregung
jagen, erschöpfen sich in Äußerlichkeiten und geben zu erkennen,
daß sie nicht die Seele lieben, nicht zu ihr streben. Herrlich ist
es für den Eingeweihten, den Kampf mit anzusehen. Eigentlich ist
niemand ganz verloren. Nur da, wo der Reiz bewußt gesucht wird,
statt daß aktives Wirken ausgelöst wird durch mich selbst, da ist
eigentlich schon die Grenze überschritten.
ie
Ausdehnung der Seele ist unendlich. Alles Einzelne verschwindet
darin. Der Schrei des Einzelnen verhallt und wird bald nicht mehr
gehört, und oft findet der Kummer niemand, der ihn tröstet.
eele
ist nicht Mitleid, wie es so oft verwechselt wird. Die Seele ist ein
strenger Zuschauer des Lebens. Sie läßt die Hand von zu schneller
Hilfe. Sie ist eine sich entwickelnde Kraft. Als solche weiß
sie, daß Hilfe nichts Dauerndes leistet. Sie will das Sein. Darum
sieht sie oft teilnahmlos und starr dem Geschehenen zu und wird hier
sogar mitleidlos gescholten. Die Seele steht wie ein Hüter am
Tor der Entwicklung. — Denen, die nach Trost und Erquickung
jammern, erscheint das Land der Seele wie eisige, starre
Schneefelder, wie die grausame, kalte Natur, die stumm bleibt, wenn
auch tausend Opfer in ihrem Schoß verbluten und untersinken. Stumm,
ruhig und groß sind die Linien der Natur und der Seele. Eine
erhabene Monotonie, die kein Erbarmen herbeisehnt. Erbarmen ist
Abhülfe, Umbiegen, Beseitigen. Der Weg der Natur und der Seele
zeigt aber immer nur geradeaus und ihr Drang gebietet: weiter.
Beide sind Kraft, Kraft, die sich in großen Linien auswirkt. Es hat
nichts mit ihnen zu tun, wenn die Einzelnen fallen, leiden, jammern
und stöhnen.
ie
Seele wird vielleicht vorübergehend von Mitleid bewegt, wenn
sie sieht, wie jemand umstrickt wird von eisernen Ketten, wie
ihn fremde Kreise wie mit Polypenarmen umschlingen, ihn
herunterziehen zu sich, ihn in ihre Zusammenhänge zwingen. Denn bald
ist der Einzelne gefangen in den Ketten und seufzt und folgt dem
Zwange der Knechtschaft — und bald wird er stumm. Dieses
vorübergehende Mitleid ahnt die Möglichkeit der Eroberung
neuer Kraft in diesem Unterliegen. Ist der Einzelne aber unterlegen,
so ist er für sie verloren. Die Seele kennt kein Nachtrauern.
tumm
wie die Natur. Schweigt sie vielleicht aus demselben Grunde?
Ist auch sie übermäßig in Fesseln geknechtet, unterdrückt?
Schließt sie die Lippen aus Qual, aus Verzweiflung? Wen die
Unterdrückung übermächtig knechtet, der preßt die Lippen
unerbittlich zusammen. Kein Laut dringt über sie. Stumm wie die
Natur?!
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