berall
da, wo dieser Grund der
Seele aufgelockert ist, da beginnt eine Rede, ein Bekenntnis. Es
mehren sich
die Sager, die Gestalter, die wir große und ganze Künstler nennen, die
mit
anderen Kräften operieren als mit Wortkünsteleien. Sie denken nicht
daran,
kleine Werke nach Rezepten zusammenzubauen. Ihr Schaffen ist ein
Ausströmen. An
diesem Ausströmen hat der klügelnde Verstand nur geringen Teil. Wie
sollte auch
das, was mit Naturgewalt strömt, so leicht zu begreifen und zu
beurteilen
sein. Der Verstand dient. — Freilich will die Menge, und vor allem die
schreibende und lesende Menge, Werke in der alten, gewohnten Art und
Form und
vergißt ganz, daß, wie das Individuum sich erneuert, auch seine Organe
sich
erneuern und die Entwicklung Vervielfältigung, Verfeinerung bedeutet.
Veredlung
ist zugleich Vereinfachung.
iese
Künstler lauschen auf die inneren Stimmen. Sie
hören auf die Worte, die Aufklärung geben über ein ganzes, sinnvolles
Streben
und holen aus Unterdrückung und Qualen, in denen der Einzelne sich
windet,
Erkenntnisse der Befreiung.
iese
Stunde ist die Stunde der
Entscheidung, die Stunde der mahnend pochenden Entwicklung. Es wallt
der Wille,
Schleier verbergen die Fernsicht. Und dem Untergang scheint das Dasein
geweiht. — Doch auch diese Zeit geht vorüber. Die Herzen werden
ruhiger. Die
Lippen beginnen zu singen und das Auge sieht Schönheiten und
Offenbarungen.
it
antiker Größe stellt sich
das Unbestimmbare, das Flutende, die Seele, die Kraft als Erscheinung
hin, und
sie redet in ruhigen, gemessenen Worten von sich selbst und erhebt die
Dichtung auf höhere Stufen. Sie gibt ihr neue Mittel zur Gestaltung.
Bald
sammeln sich Scharen von Bekennern. Sie fühlen ihr Sehnen und ihr
Ringen.
Führer und Propheten erstehen.
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Musik ist die eigentliche Form der Seele. In
ihr gibt sie sich unmittelbar. Sie ist weit und unendlich, wie die
Grenzen der
Seele weit und unendlich sind, unergründlich, tief wie ihr Fühlen,
aufschluchzend und herrisch sich bäumend. Trunken und wehmütig singende
Melodien, deren innere Linien hervorleuchten wie Geschmeide. Diese
Musik muß
eingehen in den Rhythmus des Wortes. — Was innerlich geschaut ist, soll
das
Wort bilden. Dem Wort ist eine hohe Aufgabe gestellt, weil es die
anderen
Kräfte in sich vereinigen kann. Es ist Musik, es ist Malerei. —
Zumeist
allerdings will man seine Kraft knechten und ihm die geringe
Bedeutung, die es
zu Beginn seiner Entwicklung hat, als bloße „Mitteilung" wie eine Last
und Verpflichtung auferlegen. — Doch wird dies Neue kommen und es kann
erst
kommen, wenn die Entwicklungslinien sich klären, wenn der zuckende
Mund nicht
mehr dumpfe Klagen stöhnt. — In der Dichtung gibt sich uns dann die
Welt, ihr
Sinn, ihr Streben, ihre Rätsel, ihr Ringen. Und Form wird werden, was
ungeklärt
noch in Dumpfheit sich quält.
olche
Zeiten prunken nicht mit
Programmen. Die Stunde der Entscheidung naht. Es schlägt die Stunde der
Entwicklung. Zuweilen schon leuchtet die Ankunft dieses Neuen auf, und
trunken
und wehmütig singt die Ahnung eine verhaltene Melodie, die nicht laut
werden
darf. Es wird kommen, dieses Neue, Reine, Große. Neue Klänge einer
befreiten,
immer voller sich auswachsenden Seele, deren Kräfte alles
durchdringen. Frei
und unendlich wird sie kommen und sich restlos schenken. Diese Ansätze,
dieses
Aufflackern überall, die oft zu grotesken Gebilden sich verzerren, da
sie die
Bahn noch nicht kennen, kommen kaum über das Unbewußte hinaus. Und der
Geschmack und die Entlehnung und die Formel ersetzt das Formen. Aber
das Muß
fehlt, die originale Empfindung fehlt. — Der Bildner dieser Sehnsucht
kommt,
der die Sehnsucht der schlummernden Massen gestaltet, der die Ekstase
des
Moments bannt. —
n
seinen stillsten Momenten ist
dieses Neue tief und gläubig. Es liebt die Erde, weil es Kraft ist und
weil es
überall auf Erden Kraft spürt, die in den unscheinbarsten Dingen wirkt
und
wohnt. Selbst in dem Widerspenstigen ehrt es noch die Kraft, die
Widerstand
weckt. Es unterscheidet nicht Gut und Schlecht. Es will nur Kampf und
Sehnsucht
und Ringen nach Licht, Sonne, Glück, Freiheit. Um alles andere ist es
unbekümmert.
Denn alles andere ist Folge. Es folgt diesen Spuren nach und ergibt
sich
notwendig zum Schluß als Frucht. Die Welt soll voll sein von Sehnsucht
nach
Entwicklung und Zukunft. So wird sie vollendeter werden. Denn
Entwicklung ist
Entfaltung. Und die Gegenwart hat damit zu tun, jetzt erst das zu
verwirklichen,
wovon frühere Jahrhunderte träumten. Langsam schreitet die Zeit. Was
später
wachsen soll, das Samenkorn dazu muß lange, lange schon in die Erde
gelegt
sein. Nach Jahrhunderten so lautet der Spruch der Zeit, der die
Ungeduldigen
mit Haß erfüllt, die Wissenden tröstet. — Auf dieser Erde sollen
Menschen
wohnen, die kämpfen und sich sehnen, sich nach Licht, Glück, Sonne,
Freiheit
sehnen, das alles heißt: nach Entwicklung, nach Zukunft.
iese
Worte werden ehern und
notwendig sein und doch voller unbestimmter Weichheiten.
Ehrfurchtgebietend und demütig zugleich. Wie aus tiefster Unterdrückung
lösen sich die reinsten Klänge aus. Und die Dichtung, die nicht in
Alltäglichkeiten sich
erschöpft, nicht in sinnlos verwischende Melancholie sich verliert,
keiner
Romantik huldigt, Schlagworte und Erörterungen, sowie allzulaute
Programme
verabscheut, diese Dichtung wird frei und lauter dastehen und ihre Zeit
als ein
unentwickeltes Wartestadium ansehen. Sie wird die Dichtung sein, die
der Welt
sich zuwendet. — Ist die Zeit der Qualen vorbei, die nur Blut in
Zahlung
nimmt, dann werden die Herzen ruhiger schlagen, die Lippen, die Wehmut-
und
Todeslieder sangen — weil die Gegenwart sich selbst allzu beschränkt
als
Ausgangspunkt nahm — werden in befreiteren Melodien jubeln. Dann
werden die
Herzen, die dem Tod sich weihten, neuen Frühling ahnen und dieser
stärkeren,
reineren Zukunft entgegenschlagen und das Auge, das nur Leichen, Blut
und Verzweiflung
sah, erkennt dann Schönheiten und tiefere Offenbarungen. — Die
Dichtung ist dann eine Welt selbstgeprägter Erscheinungsformen, in
denen das
Universum in einem kristallen klaren Dasein seiner Vielfältigkeit sich
bewußt
wird und sich selbst im Spiegel sieht, ohne Zweck, ohne Zwang, reich
und
allseitig, antik und modern.
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