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Drittes Kapitel

Leben der Seele

Ernst Schur
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Quellenangabe



ie Dunkelheit ist die Geburtstunde eines neuen Fühlens. — Wenn du über dir zwei schwarze Fittiche rauschen hörst, schließest du die Augen um besser zu sehen. So tastest du dich mit deiner kleinen Teilseele zur großen Allseele hin, die Einzel­kraft zu der ganzen Kraft, der Punkt zu dem Strom. Wege, die im Dunkeln verlaufen,wo nur die Sehnsucht dich leitet und Er­gebung Stärke wird. In dieser Wirrnis mußt du dich zurechtfin­den, das Kleine im Großen. Fühlfäden sendest du aus nach al­len Seiten.


er kraftvolle Mensch e r w a r t e t immer erst die Entfaltung des menschlichen, überlegenen Intellekts. Er spielt nicht mit ihm, um kleine Aufgaben zu meistern. Er wartet, er läßt diesen Intellekt werden, wachsen. So ist dieser immer natürlich, gera­de, echt und in jedem Augenblick in richtigem Verhältnis zu dem, der ihn sein eigen nennt


n dieser Geburtstunde beginnt eine schwere Welle gebunde­nen Empfindens sich loszulösen. Dieses Empfinden, dessen Entwicklung du spürst, strebt sich klar zu werden, sich zu rei­nigen. Aber eine ebenso wirksame Tendenz läßt es oft noch nicht sogleich emporsteigen. Es ist ein Hindernis da. Eine Fes­sel hält das Strebende zurück. Und müde muß es wieder in den Ozean des Unbestimmten zurücksinken, das oft zu grauenvol­len Taten aus innerer chaotischer Gärung sich hinreißen läßt. Dieser Wechsel wird zu einer Qual. Immer wieder versucht der Wille den Ansturm. Immer wieder erlahmt die Sehnsucht und, was bleibt, ist nur ein schauerndes Gedenken.

essen Herz still ist und eng in Bezirken umschlossen, der strebt rein und unentwegt seinen Zielen nach. Sie winken ihm, er fühlt sie von ferne, er folgt ihnen und sieht sie kaum.Wessen Inneres aber in Gärung durcheinander geflochten wird, der läßt sich oft aus Wut und Zorn über hemmende Fesseln und zwingende Notwendigkeit der Innerlichkeiten hinreißen zu Ta­ten, die er selbst verabscheut,die er bei wachem, ungetrübtem Bewußtsein selbst nicht versteht. Nicht die Lust treibt sie zum Wollen. Nun ruht dann der blinde Wille eine Weile. Der Auf­ruhr scheint vom Grab des Schweigens verschlungen. Doch bald springen die Tore wieder auf. Wie Panther und rasend wilde Tiger springen die Wünsche heraus und rasten nicht, bis einem Opfer die Pranken in die Seite, in das Fleisch geschlagen sind. Zu erneuter Anstrengung immer sich wieder anstachelnd, sich immer von neuem nach hingesunkenem Taumelerhebend, rast die zur Freiheit durstig sich sehnende Gebundenheit aus, bis sie ermattet und zum Tode schwach am Boden liegt. Und entsetzt blicken die Augen in den eigenen Abgrund. Es treibt ein Muß, es treibt eine Notwendigkeit, es treibt ein Wille.


astlos und vieldeutig erscheint die geoffenbarte, hüllenlose Natur. Wir blicken hinein wie in ein Buch, von dem wir nur ein Blatt sehen. Wir wissen aber, es ist ein Foliant von stattli­chem Umfang. Und die Fülle verwirrt uns. Wir sind ohne Lei­tung. Die Buchstaben tanzen vor unseren Augen. Und trostlos und verzweifelt blicken wir ins Leere. — Und doch zieht gerade dieses Vieldeutige, Rastlose, Unergründete uns an. Auch wenn wir spüren, daß der Aufruhr nur die Hohlheit verbirgt, horchen wir hin. überall, wo wir Bewegung sehen, sind wir gespannt und blicken hin auf das Hin und Her, um die Ursache zu erforschen.


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