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unten aber rauschen die dunklen Wasser Und auch in uns rauscht es in
immerwährender Bewegung. Immerfort findet ein Ausgleich, ein
Friedenschließen, ein neues Sehen, ein
Aufraffen, ein Widerstand, ein Kämpfen statt. Die Seele ist Ruhe,
sie ist aber auch Kampf. Sie ist Bewegung. Und Ruhe ist nur ein Teil
der Bewegung. Und selbst wenn sie ruhig
ist, schlingen sich tausend Arme in ihr durcheinander, und wo wir
tote Stille wähnen, herrscht um so geheimnisvolleres,
verborgenes Leben. Bewegungen, die wir kaum spüren, die uns blind zu
sein scheinen, wie die Bewegungen der rätselhaften Tiere der
Tiefsee. Und wo wir ein Träumen sehen, ein Hindämmern, da
waltet nur ein Gesetz, das sich selbst behorcht.
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jeder Seele mischt sich so viel. Altes und Neues, Bekanntes und
Verborgenes, Junges und Verdorbenes. Unmöglich ist daher die
prüfende Untersuchung dieser Einzelheiten, unmöglich die
genaue Anschauung dieses Riesenkomplexes, dessen Saugarme sich über
das ganze Universum erstrecken. Die Menschen sind in ihrer Gesamtheit
an diesem Komplex so viel wie eine einzelne Hautfaser an einem
Riesentier. Seele ist K r a f t. Und K r a f t dehnt sich aus oder
zieht sich zusammen. Sie ist an keine Erscheinung gebunden. Sie
ist da und sie ist nicht da. Das, was der Einzelne fühlt, ist nur
Erinnerung.
er
Einzelne geht mit dieser unendlichen Kraft eine Verbindung ein.
Sie ist in ihm. Oft entsetzt uns die grotes-
ke Physiognomie
dieser gewaltsamen Verbindung. Das Fremde regt sich embryonenhaft in
einer wollüstig-üppigen Schale oder verkümmert im
Trockenen einer
unsäglich armen Lebens- erscheinung. Nur selten passen
beide
zueinander. Nur selten ist die Harmonie eine Folge dieses Suchens
zueinander. Brutalität mischt sich mit Leichtsinn, Weichheit
mit Rohheit, glühende Ekstase mit dumpfem Geschehenlassen.
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ist eine einzige, regelmäßige Entwicklung von Anbeginn an. Insofern
ist alles in den Dingen. Und das Reden von einer Kraft außer mir,
ist Phantasie. — Ich spüre aber in mir als Wesenseigenschaft
dieser Kraft ein Drängen nach außen, ein Leben-Wollen, ein
Sich-erhöhen-Wollen. In diesem expansiven Drang, der auch dann
nach außen ringt, wenn die träumende Ruhe über mich sinkt,
erkennen wir die Seele.
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ist auch gleich, ob ich nur danach strebe, mein dunkles Bewußtsein
zu erhellen, zu ergründen, die Schwelle der Trübheit tiefer zu
verlegen oder ob ich ins All hinausstrebe. Beides sind die
Zielrichtungen. Und beiden ist eigentümlich, daß ihre Bedeutung nie
endet. Ich strebe in die Tiefe oder in die Höhe — es ist gleich. —
Daß ich es tue, ist Zeichen, daß ein Fremdes, Freundliches mich von
irgendwoher lockt. Liege dieses nun fern von mir, außer mir oder
tief, tief in mir, so ist doch klar, daß die Resultate die gleichen
sind. — Ich hätte diese Zielrichtungen nicht, wäre ich ein Ende.
Ich hätte sie nicht, wäre ich nicht ein Durchgang. Und so ist es
ganz gleich, ob ich den Begriff der Seele so oder so nehme. Halte ich
sie fest in mir, so hellt sich ihr Umfang auf und erweitert sich, so
daß ich glaube, es wächst eine Kraft in mir, die von einem anderen
Pol gelockt wird. Nehme ich diese Kraft als Welle, die das All
erfüllt und durch mich nur hindurchfließt, so bin ich ebenso nur
ein Teil des Ganzen. Einmal bin ich Wurzel, ein andermal Blatt, beide
Male kein Ende. So ist der Mensch, wie man es auch betrachten möge,
eine merkwürdige Erscheinung. Und selbst der strengste
Urteiler, sofern er nur zu denken beginnt und seinen Gedanken
treu und nachgiebig folgt, nicht aber einem vorgefaßten System
zufolge sie beugt und zwängt und zwingt, um scheinbar schillernde
oder dräuende Gedanken- ketten und Schlüsse zu erhalten, die sein Bewußtsein
aus Gewohnheit als richtig erkennt, und die ihn in seiner
augenblicklichen Existenz be-
friedigen, ihn aber nicht erweitern, wird
sich plötzlich in einem Urwalde befinden, wo er nicht weiß, wo
Anfang, wo Ende, wo Menschen aufhören zu wohnen und wo die Einöde
und die Verlassenheit gähnt. Kein Licht blinkt. Kein Durchblick. Er
kommt an Stätten, wo der Mensch noch nie gewesen. — Ja, wenn
ich den Menschen nur als Tier nehme, so beginnt dieses Tier zu
begreifen und strebt danach, sein Wesen zu erfassen. Betrachte
diese Worte „Begreifen"
und „Erfassen"! In ihnen beiden ist Bewegung! Begrei- fen.
Erfassen. — Und so wächst eben etwas aus dir, mit dir, in dir, was
Andere anders, aber nicht gegensätzlich fassen.
er
Mensch ist zwischen hineingestellt in einen Strom, der von Pol zu Pol
strömt und vielleicht sich zu sich selbst wiederfindet. Was er
von diesem Strom fühlt, weiß, ist gleich. Er sagt nichts über den
Strom aus. Der Mensch kann, da seine Erkenntnis nur ein E r l e i d e
n ist, nur von sich aussagen. Hier leiten ihn die Sinne. Und auch
Urteil und Kritik ist nur eine Funktion der Sinne, besonders
spezialisiert. Alles andere ist Ahnung. Ahnung nach unten, einer
hier aufsteigenden, strebenden Tendenz begegnend. Ahnung nach oben,
einer sich auf mich herniederlassenden Erkenntnis zustrebend. Oder
mich als Mittelpunkt nehmend, durch den der Strom hindurchgeht. Die
exakte Untersuchung wird nur, mühsam klügelnd, mit Aufwand eines
ungeheuren Apparates bestätigen, was fest schon im Bewußtsein lebt.
Und meist noch irrt sie sich, da sie unbedingt an sich glaubt und
sich allzu leicht verrennt. Die meisten Philosophien sind Beweise
für solches Sich-Verrennen. Die Gedanken, die als Einfälle gut
sind, werden zu einem System verzerrt, auseinander gerissen. —
Dies ist ein Beweis nur dafür, daß eben der Mensch Sinnesorgane und
nur ein Teil in ihm Bewußtsein ist. Nun will dieses Kleine in ihm
das Große meistern.
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den Sinnen spüre ich das Geschehene und spüre weiter, als meine
Überlegung es faßt. Gleichwie ein Vogel so viel weiter sieht als
der Mensch, gleichwie ein Hund so viel weiter wittert als der Mensch.
— Der Mensch nimmt auf und entwickelt sich. Aus diesen beiden
Faktoren ergibt sich sein Wesen. — Ebenso ist des Tieres Wesen, der
Pflanze Wesen und das Wesen des Unorganischen, das zu Staub sich
verflüchtigt, zu Stein sich verdichtet. —
Der
Mensch aber bildet sich ein, etwas Anderes zu sein, etwas, das
über dem Anderen steht. Damit aber merkwürdigerweise
erniedrigt er sich. Denn er streicht sich aus der Linie heraus. Er
stellt sich abseits. Und während er wachsen könnte, krittelt er,
untersucht er, spintisiert er. Während er sein, Leben,
aufnehmen und ausströmen könnte, wird er grau vor Leblosigkeit und
läuft herum wie eine Puppe, die automatisch gelenkt wird. — Sein
Ideal sind die Begriffe. Und die Leute, die die von Anderen einmal
zusammengebauten Begriffe — ihre Zahl ist Legion — richtig
anzuwenden verstehen und immer wie ein pfiffiger Zauberkünstler
den Sinn dieses durcheinander gewürfelten Spiels schnell erraten,
dünken sich eine besondere Klasse zu sein. Und glücklich der, der
noch einen neuen Begriff dazu erfindet.
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sind aber unter den Überflüssigen die Überflüssigsten. Denn ihre
Begriffe sind von ihnen gemacht und wer sie nicht anerkennt, ist
durch ihre Fesseln nicht gebunden. Damit hat er schon die Lösung und
befindet sich im Freien. Denn Begriffe sind etwas hinterher
Zurechtgemachtes. Was kümmert es den reifen Menschen, der mit allen
Sinnen in der Welt steht, ob einmal die und die, das und das, so und
so präzisierten! Er fühlt, er sieht, er erlebt und wenn er
sagen kann, so sagt er es, wie erfühlt, wie er sieht, wie er erlebt.
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wie ein Teil der Naturerscheinungen, dies ist heute schon eine
Erlösung. D. h. gib dich hin, nimm auf, ströme aus. Laß vom Zufall
dich treiben und trinke den Augenblick. Mit Begriffen ist noch nicht
die Welt b e r e i c h e r t worden. Aber jedes genaue und feine,
neue und rücksichtslose Erleben bereichert die Welt um einen
unschätzbaren Gewinn. In diesen Grenzen offenbart der Mensch
seinen Reichtum. Dies sind zugleich seine Grenzen.
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Überlegung, die nur aus dem Verstand kommt, ergreift nur einen Teil
des Menschen, ist also Spezialmenschentum. — Alle Überlegung,
alles Urteilen, das nur aus dem Verstande kommt, nährt sich von
schlechten Mitteln, lebt wie in früheren Zeiten, so müßte es
heißen, als des Teufels Werk. Es schleicht wie ein Wurm heran und
umgarnt erstickend die Seele: Dagegen sind die Regungen, mit denen
ich mich frei ins Ganze stelle, natürlich, erhaben, groß wie der
Blitz, der herniederfährt. — Verstand
ist nur ein Notbehelf. Die Mehrzahl der Menschen braucht ihn, um
sich aufrechtzuerhalten, er ist der Balken, den sie auf treibendem
Meere erfassen. Sie brauchen ihn weiterhin, um zu herrschen über
die, die dies kleine Mittelchen noch nicht entdeckten. Sie brauchen
ihn ferner, um nun nachzuweisen, daß er aller Weisheit Ende ist.
Klein wie sein Geltungsgebiet, sind auch die Kreise, die er zieht. Es
ist das egoistischste Beginnen, das er weckt. Der Verstand ist nur
ein Notbehelf. Will er mehr sein, so überschreitet er seine
Schranken. Er ist nur ein schneller Handgriff, oft nur ein
Kniff.
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hat in seinem Leben solche Erlebnisse, Ereignisse, die markant waren,
weil sie ihm plötzlich die Hinfälligkeit des rechnenden Verstandes
zeigten, so grell und blitzartig erleuchtet, daß er erschrak.
Die meisten Menschen vergessen diese Erleuchtung, die ihnen
Dunkelheiten erhellte, die sie über ihre enge Bedeutung hinaushob,
bald wieder. Sie sinken zurück, sie verlieren sich in ihre Kreise.
Und wieder beginnt die Herrschaft des rechnenden Verstandes.
er
also hier mittut, wer an seinem Teile dem Verstand zu einer
Herrschaft verhilft, die ihm nicht gebührt, der erstickt in sich und
anderen die tieferen Kräfte. Er hebt die Menschheit nicht ans
Licht. Er treibt sie immer tiefer ins Dunkel hinein. Seine Lehre
führt die Menschen abseits vom Wege. Er überliefert sie dem
Allzubestimmten und entzieht sie der Ahnung. Er betont, was von
Natur schon allzusehr sich betont und bringt es dadurch zum
Überwuchern. Er stört somit die Harmonie, die Ganzheit. Wohl
braucht die Menschheit dieses Mittel für sich, um Herrschaft zu
üben, Güter zu produzieren und sich wohl einzurichten. Ihre
Bestimmung ist aber damit nicht erschöpft. Wie der Verstand nur ein
Teil der menschlichen Funktionen, so ist der Mensch, die
Menschheit nur ein Teil der Funktionen des Universums. Und mit dem,
was nicht Verstand ist, reicht die Menschheit in das Universum, das
ihn umfängt, wie mit tiefsaugenden Wurzeln hinein. Diese Wurzeln
also verkümmern lassen heißt, sich ins Leere, ins Luftlose stellen.
Um sich da zu halten, wird der Verstand künstlich ausgebaut und die
monotone Enge, die er schafft, als notwendig und nützlich bewiesen.
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dem Reich des Verstandes muß und soll alles stimmen. — Der Mensch
aber begreift sein Wesen am besten, begreift am tiefsten, wenn —
nicht alles stimmt.
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Seele lebt dem Augenblick und trinkt aus ihm die edelste und reinste
Würze. Sie saugt aus dem schnellen Wechsel Ewigkeit. Der Verstand
will das Gleichbleiben, die berechnet langweilige Harmonie, das
Polizeisystem. Die Wellenbewegung der Seele, die hinflutet über
die Nerven, läßt den Menschen die Arme ausbreiten, und
Aufnehmen, Ausströmen ist seine Sehnsucht. Der Verstand setzt sich
klüglich vor sein Buch und rechnet. Was er zustandebringt, ist wohl
wert, genannt zu werden. Denn es rettet die Menschen zu sich
selbst. Dieser Selbstbewahrungsinstinkt hat aber oft etwas
Kleinliches. Ängstliches Behüten ist seine Folge, Scheu vor
unnützer Erregung sein Grund. Und in seine Kreise darf nur das, was
wohlgelitten, geprüft und begrenzt ist. Er schafft den Staat. Die
Seele aber kennt keinen Staat, sie kennt nur das Universum.
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