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bin einsam. Die Einsamkeit ist dunkel und tief. Und Nacht umfängt
die Seele. Die Sehnsucht singt, ich höre ihre Stimme, ich höre ihre
Lieder, unter Fesseln singt sie, die unzerstörbare, die Kraft. In
Tönen strömt sie ihre Bewegung aus und setzt sie um in Klang.
nd
wenn sie einen Augenblick stille ist, wartet sie und lauscht. Und von
fernher schweben fremde Klänge, tief und lockend. Die Seelen
rufen sie. Hundert und aberhundert Seelen singen irgendwo in der
Ferne und ihr Klang dringt hierher. Und während ich stille bin,
umgibt mich die Luft und ich höre ihr Raunen und ihre Musik und in
ihr umklingt mich das Singen, und die tönenden Melodien kommen
von fernher.
inter
dunklen Schleiern und Wolken breitet sich die Unendlichkeit. Da
sehe ich die Massen zusammengeballt, dunkel, regellos. Mit
tausend Augen sehen sie nach mir her, sehnen sich nach mir. Es ist
eine unheimlich-mächtige Bewegung in ihnen, ein grandioses Drängen,
eine Musik, ein Werden, ein Streben zum Licht. Gefesselt sind sie und
der Klang der Waffen mischt sich hinein. Dumpf bleibt die Sehnsucht.
nd
so ziehen Jahrhunderte vorbei vor den Blicken. Immer wieder hört die
aufhorchende Seele diese Melodie, aus Knechtschaft und
Sehnsucht, aus Fesseln und Qualen. Allmählich gewöhnt sie sich
an diesen dumpfen Klang der Welt, der mittönt als Unterton in der
Entwicklung. Er wiederholt sich und kommt immer wieder. Es ist die
Kraft darin, die grollend und hoffnungsvoll Neues schafft. Die es
mitansehen lernt, daß immer neue Scharen sich herandrängen und
verschlungen werden von einer gleichgiltigen Macht, die sie
knechtet, unterdrückt, in Fesseln schlägt. Oft erscheint ihr
das Spiel sinnlos, und Verzweiflung schleudert hohnvolle Worte gegen
das Tor der Verdammnis. Oft auch lacht sie gellend und freut sich der
Sinnlosigkeit und spielt höhnend mit in dem Spiel, überschaut die
Züge. Aber dennoch schläft immer in ihr ein Bewußtsein des
Willens, ein Bewußtsein ihrer Kraft. Die entfremdete Seele wird kalt
und leer und läßt sich unterjochen. Ein anderes, ein seelenloses
Spiel von Kräften tritt an die Stelle der Kraft, die Vielheit an
Stelle des Einen. Das Eine seufzt und stöhnt dann und sitzt
überwältigt, unterdrückt im Winkel.
ber
plötzlich schießt ein Strom neuen Lebens in die erstarrten,
trocknen Kanäle. Es löst sich die Formelvorstellung, als könnte
die Welt ohne diese Kraft sich erlösen, als wäre die Vielheit mehr
als das Eine. Dieses Eine ist da und ruht und hat Kräfte gesammelt.
Und während die tote Masse der Entseelten scheinbare
Errungenschaften einer mechanischen Kraft anstaunt, wächst in
einem Einzelnen eine solche Fülle lebendiger Kraft, daß von hier
aus ein neuer Lauf beginnt. So setzt hier trotz aller Gegeneinwände
eine uralte Kette mit neuen Ringen ein. Das Unbelebte wird belebt. Es
ergießt sich dieser Strom innerlichen Erlebens in die Allgemeinheit,
deren Kreise es erfüllt. Und so betritt die totgeglaubte Kraft
den Thron. Sie schafft aus sich, was die Kräfte nur in Nachahmung,
in Übertreibung und ohne Halt geben. Dies ist ein Kampf, der
sich immer begibt. So natürlich, wie grüne Knospen am Strauch
nach Eis und Schnee und Erstarrung natürlich sind.
mpfindungslosigkeit
ist das Anzeichen dieser Öde, dieser Erstarrung. Mitleid ist
erloschen. Wo Tausend hinsinken, verlernt der Einzelne die
Klage, lernt, die Spanne ausnutzen, die ihm gegeben ist und freut
sich des Augenblicks. Kalt betrachtet er, was ihn umgibt. Er
will sich behaupten. Und so dauert es nicht lange, dann strebt er hin
zu dem, was er Genuß nennt. Eine Entfesselung von Regungen, die ihm
nur immer neue Rätsel aufgeben. Aber auch hier lernt er sich
bescheiden. Er lernt sich damit begnügen, diesen Regungen das zu
geben, was sie verlangen. Er genügt dem Augenblick. — Überall
sieht er nur das Muß, die Notwendigkeit und fruchtlos neues
Beginnen. Darum verlernt er das Fragen, verlernt Klage, Zorn,
Hoffnung und gesellt sich schließlich voller Haß und
Verzweiflung und zähneknirschend den Tieren unter den Menschen zu,
(denn das Tier an sich ist schön und vollendet, zweckentsprechend
und wirkt seine Kraft voll aus) deren Gesellschaft er doch nur
widerwillig erträgt und in klaren Momenten, wo seine Kraft ihr
Haupt wieder erhebt, wo sein Wille zu erwachen beginnt, abweist.
och
unter der leichten Decke sammelt sich die Kraft. Starr ist die
Oberfläche, flutend ist das Innere. Der Sturm fährt im Frühling
durch die Wipfel und sausend beugen sie sich. So tönt in dem Werden
der Seele ein Chor von Stimmen, ihr Gesang schwillt an und über
die Ufer schäumt die Strömung. Trauer lebt darin und Verzweiflung.
Denn der Zwang der Gegenwart knechtet immer das Leben. Aber auch
weit und schäumend, aufbrausend ist das Lied. Denn d i e s e r Zwang
ist nur des Augenblicks Diener. Was die Menschen fest und
giltig wähnen, schwankt. Und so schöpft die Seele, die ewig sich
erneuernde und sich auswirkende Kraft immer wieder die Kühnheit, zu
fliegen, zu stürmen, zu tosen. Und immer wieder schwillt unter der
starren Decke der Chor der unerlösten Kraft, die Seele werden will.
uch
die Seele hat ihre Jahreszeiten, hat Winter, Frühling, Sommer und
Herbst. Sie erstarrt und schlummert in langem Schlaf. Sie schlägt
die Augen auf und fühlt mit den ersten Winden ein Drängen in
sich, ein Quellen. Sie erstarkt zu voller Reife. Da naht schon
das Ende, sie sinkt in sich zusammen. Dann trauert sie und hebt ihre
Sehnsuchtgesänge an, die schaurig durch die Stille klingen. Das Lied
fliegt hin und verweht in der Unendlichkeit. Der Himmel hört es und
die endlosen Horizonte hören es und irgendwo eine gleiche Seele
hört es. Doch das ist nicht festzustellen.— Aber dennoch lebt Lust
in dem Lied. Denn die Seele weiß: sie ist nur ein Teil. Sie weiß,
tausend und abertausend stecken schon ihre Fühlfäden aus und
schwellen an wie junge, grüne Knospen. Und diese jungen Seelen, die
sich erneuten, stecken voll wilder Gier und Glut, und auch in ihnen
lebt sehnsüchtiger Schmerz, der Vollender des Lebens, der Taten
Schmied. So liegt unter Fesseln und Ohnmacht und Tod das Werden. Und
darum singt die Seele, jauchzt und trauert und lacht, auch wenn
sie gefesselt ist.
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