ämmerzeiten
des Werdens! . . . . .
Wenn
die Seele sich zum ersten Male weitet, sich
ihrer wachsenden Kraft bewußt wird, sich hinausringt aus dem Dunkel
und dem
Dämmer des Werdens und dem trüben, grauen Schein und mit allen Organen
ins
Sichtbare, in klare Regionen strebt! Sie betätigt sich als Kraft und
dann
beginnen von nun ab andere Regungen den Sinn zu lenken und in dem Kampf
gegen
das Widerstrebende, Bedrückende kommen hier mehr Dinge zur Sprache, als
anderswo — Dinge, die sonst vielleicht schweigen.
iel
lebhafter wirbelt alles
durcheinander. Empfinden und Denken werfen alle Fesseln ab. Die
krassesten
Gegensätze befehden sich wütend. Es siedet der eifervolle Wille. — Und
in
diesem gesteigerten Kampf der Seele um ihr Dasein werden alle Kräfte
frei. —
Immer drängender steigt die Entwicklung hoch, die sich nicht mehr
unterdrücken
läßt. Immer rücksichtsloser und wütender pocht der Wille an die Pforte
der
Sehnsucht. Und was wartend draußen steht, begehrt Einlaß.
a
fühlen wir plötzlich — und
schon ermattet unser Widerstand — wie sehr unser Wesen sich schon
begrenzt
hatte, wie schnell noch in letzter Stunde beinah die Fesseln gelockert
werden,
wie sehr wir uns schon auf Formeln hatten bringen lassen. — Sklaven des
Nutzens, des Verstandes, der Überlegung verabscheuten wir die
innerst-treibende Notwendigkeit, deren grandioser Zwang uns nun
entzückt und
berauscht. Wir fürchteten sie und meinten, wir könnten sie umgehen.
u kannst
sie nicht umgehen!
Wenn du ein Mensch bist, ein Mensch werden willst, mußt du dieser
Sphinx ins
Antlitz blicken. Fürchte sie, wenn du nicht anders kannst. Aber mache
fernerhin nicht den Versuch, dich vor ihr zu ducken und um sie
herumzuschleichen.
nter
Tänzeln und Jonglieren
verbergen wir diese Feigheit und verbrämen diese Maske. Der
kleinlichste
Egoismus steckt dahinter, der sich selbst nur genießen will, aber sich
scheut,
mit dem Eigenen zu zahlen. Meist ist allerdings auch Eigenes nicht
vorhanden.
Genußsucht, Egoismus ist meist eine Folge innerer Leere. Wer nicht
weiß,
welchem Sinn er dient, womit er sein Dasein ausfüllt, der setzt sich in
die
Nähe der Bequemlichkeit, der Göttin, die er liebt und anbetet und
ergibt sich
einem Wandel, von dem er hofft, er werde ihn hinwegtäuschen über die
Leere. —
(Wie sehr ist unsere Kunst Ausfluß dieses Hinwegtäuschenwollens,
ein Spiel
mit Formeln, ein Ducken vor den großen Notwendigkeiten, ein Tanzen vor
vollen
Bäuchen, die verdauen wollen und Ha-remsgelüsten und
Haremssehnsuchten
frönen!)
er
starke Mensch ist immer
wachsend , werdend, sich wandelnd. Er ist groß und frei und
rücksichtslos; muß
es sein, auch brutal. Er steht im Freien, in freier Natur. Stürme wehen
um ihn.
Und er scheut nicht die Abgründe menschlicher Tiefen.
er
schwache Mensch will überall
Erklärungen und es dauert auch nicht lange, so weiß er sie. Er sucht
und fahndet
danach. Er fühlt sich immer als Vertreter einer geprägten Kultur, deren
Sinn in
fertigen, abgerundeten, daher kleinen Arbeiten aus sich
herauszustellen seine
Aufgabe ist. Lehrlinge, die meinen, eines Tages bei zunehmendem Alter
Meister
geworden zu sein und nun den Kommenden Lehren vorpredigen zu dürfen.
Sie merken
gar nicht, daß dies das Ende wäre. Und wahrlich, sie meinen ja auch,
ihre Zeit
wäre am Ende und wäre die allerweiseste. — So gräbt der schwache
Mensch — der
die Gegenwart meistert —dem Unerklärbaren den Boden ab, so drängt er es
allmählich aus der Welt heraus. Aber der Sinn der Seele ist nicht das
Ende,
sondern: wachsende, unaufhörlich schwellende Energie.
ir
können, wenn wir bewußt
arbeiten wollen, weiter nichts tun, als die Irrtümer und
Bequemlichkeiten des
Lebens, die uns aus früheren Zeiten überkommen sind, beseitigen. Die
Grenze aber des Unerklärbaren, das wir nie
beseitigen können, wird nur um so tiefer verlegt. Wir übersehen es nur
und meinen,
es damit getötet zu haben. — Aber in jeder neu erwachenden Kraft
braust immer
wieder von neuem der aufgeregte, chaotische Strudel der Möglichkeiten.
Und jede
neue Seele muß in ihrer Emanation Hemmungen beseitigen, gegen
Wirrnisse
ankämpfen, ehe sie daran denken kann, sich ruhig auszuleben. — Der
tiefblickende Betrachter des Weltlaufs und der Entwicklung sieht
immerfort
rings um sich ein brandendes, wogendes Meer, aus dessen tosendem Gischt
Millionen Arme sich emporrecken, während die Fluten unaufhörlich
ineinander
brausen. Und sein Ohr hört Schreie, die niemand sonst vernimmt. Sie
ertönen
wild und orgiastisch wie Mövenschreie über spritzenden Wellen. Sie
ertönen
gellend und seltsam und oft tierisch. Und noch immer tobt dem Seher,
der das
Innerste aller Dinge zu schauen sich bemüht, in der Welt ein Kampf mit
dunklen,
unerklärbaren Mächten, der mit verbissenen Zähnen unentwegt geführt
wird, wie
in den frühen antiken Tragödien, in denen der Wille sich auf sich
selbst
besinnt und zu rasen beginnt. Heute noch wilder als ehemals. Denn
damals thronte
oben eine Götterwelt und über ihnen ein Schicksal, in dem alle
unentwirrbaren
Fäden wie in einen urweltlichen Mutterschoß zusammenliefen. Heute aber
— —! Und
so führt der Weg heute die Pioniere dieses Urwaldes meist in dunkle,
täuschende
Verstecke, wo ein Ungeheuer lauert, das ihnen furchtbar und
unentrinnbar
entgegengrinst.
o
die Fluten brausen, erfaßt
der Strudel die Versinkenden und führt mit ihnen, ehe er sie in den
Abgrund
schleudert, ein tolles, groteskes Spiel auf. In diesem Tanz ersticken
die
Schreie der Opfer. Und über den Fluten liegt ein fahler, bleigrauer
Schimmer,
ein gelblich düsteres Wolkenlicht, das das Weltall erfüllt. — Es
ist
der Dämmerschein der Werdezeiten, der nie weicht . . . . .
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