o der Wille so zwiespältig und vielspältig
gemischt ist, ist dem Unglück der Weg bereitet. Nur die hohe Natur
spannt über
diese Abgründe noch eine Brücke, über die die Seele ruhig und gemessen
schreitet und furchtlos stehen bleibt und hinabblickt, wo unten die
Elemente
branden und tosen. — Aber selbst da, wo das Schlimme — nur uns
erscheint es
schlimm, die wir die Dinge praktisch werten — das
Noch-nicht-endgiltig-Entwickelte mit sich selbst ringt, sich vielleicht
auch
gegen andere kehrt, da ist auch ein kleiner Pfad bereitet, der der
Dunkelheit
Licht und Luft zuführt. Ein Schacht, der die Gewitter reinigt. Wo viel
Unglück
und Not und Verblendung ist, da ist auch die Liebe strahlender, da wird
bittender und scheuer gegeben und dankbarer empfangen. So erblicken
wir hier
Mitempfindung leuchtender, reiner als anderswo, Liebe in tiefem
Unglück. Der
Haß ist jäh und tritt sie nieder, er springt zur Tat, die er nachher
schnell
bereut. Sterbend schüttelt der Haß noch die Faust. Die Zeit muß sühnen,
was er
verbrach. Aber immer wieder . . . hier und da . . . diese unscheinbare
Blume .
. . Liebe, Menschenliebe, die den Tod nicht scheut. Sie reicht immer
wieder
stumm mit ganzer Seele ihre bittenden Hände. Über das zeitliche Streben
leuchtet sie den Brüdern hinüber in die Zukunft. Und blüht in tiefem
Unglück,
eine kleine, schüchterne, verirrte Blume.
enn
tausend Ströme fließen in jedem Menschen
zusammen. Er ist ein Kampfplatz für entgegenstreitende Empfindungen,
und nicht
nur Vater und Mutter einigen oder bekämpfen sich in ihm, sondern ganze
Generationen und Nationen, ganze Kulturen, alte und neue. So vieles
will noch
immer nicht sterben. Wir meinen, es vergessen zu können. Da reckt es
sein Haupt
empor und dräut. — Der wissende Mensch blickt in sein Inneres mit einem
Gefühl
seltsamen Grauens, und in entscheidenden Momenten sieht er sich selbst
zu und
sieht etwas werden, das er nachher E n t s c h l u ß nennt. — Eine
unermeßliche
Anzahl von Entwicklungstufen sehen wir in dem Nebeneinander
menschlicher
Charaktere. Immer neue Mischungen. Der eine scheint fertig, er ist aber
nur
eindeutig. Der andere ist vieldeutig, beherrscht aber den Zwist,
unterdrückt
ihn. Andere stellen die Neigungen außer sich und leben frei und ohne
Sorge.
Andere verkümmern und fristen so ihr Leben. Und alles ist da und lebt
und redet
und rechtfertigt sich und kämpft den Kampf der Betonung. So geht es
fort; von
primitiven Stufen angefangen, ringt sich die Kraft hindurch, steigt
höher,
sinkt herab, verschwindet, tritt ins Sichtbare, schlummert träge
dahin. Und es
scheint, als müßte diese Kraft daran arbeiten, sich den Dingen zum
Trotz
durchzuarbeiten, sich zu formen, und bis sie das als jeweilige
Erscheinung
nicht erreicht hat, tritt sie ihren Gang immer wieder von neuem an.
Immer
wieder erprobt sie sich selbst und stellt sich zum Kampf. Immer neue
Widerstände wecken die Lust. So erneuert sich der Wille. Und die Seele,
die Bewegung
ist, begleitet die Kraft auf ihren Wegen. Sie ist Kraft. — So ringt
sich — und
daher das Unermüdliche der ringenden Daseinswelt — in jedem Einzelnen
etwas
zum Sein, das sich betätigen, das frei werden will. Ist es noch auf
ganz
niedriger Stufe, so erschöpft es sich in gleichgiltigen Kämpfen und
erniedrigt
sich vor irdischer Gegenwart, dient stumpfen Vorschriften und ist
selbstgenügend in dieser Erfüllung. — Wo aber die Seele erwacht ist,
treibt
sie, als Überschuß an Kraft oder als stille Hüterin, die Sinne an, die
Muskeln,
die Glieder und sorgt für das immer höhergleitende Spiel der Kräfte,
das
Erlösung erhoffen läßt, Ruhe, Glanz und Erfüllung. Selbst die
Verzweiflung ist
hier nur eine Station der Erholung, ein Ausruhen. Hinterher jauchzt die
Seele
noch einmal so froh, noch einmal so jubelnd, frei und nackt.
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