|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.3
Inhalt Stefan Zweig
Amok - Novellen einer Leidenschaft
Die Frau und die Landschaft
Die Frau und die Landschaft 3
Zu
wem sprach sie ? Hatte sie mich erkannt? Meinte sie
mich? Redete sie aus dem Schlaf? Es war die gleiche Stimme, der gleiche
zitternde Ton, der heute nachmittag draußen vor den nahen Wolken
geschauert, da
mich ihr Blick noch gar nicht bemerkt. Seltsam war dies, und doch war
ich nicht
verwundert, nicht verwirrt. Ich trat auf sie zu, sie zu beruhigen und
faßte
ihre Hand. Wie Zunder fühlte sie sich an, heiß und trocken, und der
Griff der
Finger zerbröckelte weich in meiner Umfassung. Lautlos ließ sie mir die
Hand.
Alles an ihr war schlaff, wehrlos, abgestorben. Und nur von den Lippen
flüsterte es nochmals wie aus einer Ferne: „Ich fürchte mich so! Ich
fürchte
mich so.“ Und dann in einem Seufzer hinsterbend wie aus einem
Ersticken: „Ach,
wie schwül es ist!“ Das klang von ferne und war doch leise geflüstert
wie ein
Geheimnis zwischen uns beiden. Aber ich fühlte dennoch: sie sprach
nicht zu
mir.
Ich
faßte ihren Arm. Sie zitterte nur leise wie die
Bäume nachmittags vor dem Gewitter, aber sie wehrte sich nicht. Ich
faßte sie
fester: sie gab nach. Schwach, ohne Widerstand, eine warme, stürzende
Welle
fielen ihre Schultern gegen mich. Nun hatte ich sie ganz nahe an mir,
daß ich
die Schwüle ihrer Haut atmen konnte und den feuchten Duft ihres Haares.
Ich
bewegte mich nicht, und sie blieb stumm. Seltsam war all dies, und
meine
Neugier begann zu funkeln. Allmählich wuchs meine Ungeduld. Ich rührte
mit
meinen Lippen an ihr Haar – sie wehrte ihnen nicht. Dann nahm ich ihre
Lippen.
Sie waren trocken und heiß, und als ich sie küßte, taten sie sich
plötzlich
auf, um von den meinen zu trinken, aber nicht dürstend und
leidenschaftlich,
sondern mit dem stillen, schlaffen, begehrlichen Saugen eines Kindes.
Eine
Verschmachtende, so fühlte ich sie, und so wie ihre Lippen sog sich ihr
schlanker, durch das dünne Gewand warm wogender Körper mir ganz so an,
wie
früher draußen die Nacht, ohne Kraft, aber voll einer stillen,
trunkenen Gier.
Und da, wie ich sie hielt – meine Sinne funkelten noch grell
durcheinander –
spürte ich die warme feuchte Erde an mir, wie sie heute dalag, dürstend
nach
dem Schauer der Entspannung, die heiße, machtlose, glühende Landschaft.
Ich
küßte und küßte sie und empfand, als genieße ich die große, schwüle,
harrende
Welt in ihr, als wäre diese Wärme, die von ihren Wangen glühte, der
Brodem der
Felder, als atmete von ihren weichen, warmen Brüsten das schauernde
Land.
Doch
da, wie meine wandernden Lippen zu ihren Lidern
emporwollten, zu den Augen, deren schwarze Flammen ich so schauernd
gefühlt, da
ich mich hob, ihr Gesicht zu schauen und im Anschauen stärker zu
genießen, sah
ich überrascht, daß ihre Lider fest geschlossen waren. Eine griechische
Maske aus
Stein, augenlos, ohnmächtig, lag sie da, Ophelia nun, die tote, auf den
Wassern
treibend, bleich das fühllose Antlitz gehoben aus der dunklen Flut. Ich
erschrak. Zum erstenmal fühlte ich Wirklichkeit in dem phantastischen
Begeben.
Schaudernd überfiel mich die Erkenntnis, daß ich da eine Unbewußte
nahm, eine
Trunkene, eine Kranke, eine Schlafwandlerin ihrer Sinne in den Armen
hielt, die
mir nur die Schwüle der Nacht hergetrieben wie ein roter, gefährlicher
Mond,
ein Wesen, das nicht wußte, was es tat, das mich vielleicht nicht
wollte. Ich
erschrak, und sie ward mir im Arme schwer. Leise wollte ich die
Willenlose
hingleiten lassen auf den Sessel, auf das Bett, um nicht aus einem
Taumel Lust
zu stehlen, nicht etwas zu nehmen, was sie vielleicht selbst nicht
wollte,
sondern nur jener Dämon in ihr, der Herr ihres Blutes war. Aber kaum
fühlte
sie, daß ich nachließ, begann sie leise zu stöhnen: „Laß mich nicht!
Laß mich
nicht!“ flehte sie, und heißer sogen ihre Lippen, drängte ihr Körper
sich an.
Schmerzhaft war ihr Gesicht mit den verschlossenen Augen gespannt, und
schauernd spürte ich, daß sie wach werden wollte und nicht konnte, daß
ihre
trunkenen Sinne aus dem Gefängnis dieser Umnachtung schrieen und
wissend werden
sollten. Aber gerade dies, daß unter dieser bleiernen Maske von Schlaf
etwas
rang, das aus seiner Bezauberung wollte, war gefährliche Lockung für
mich, sie
zu erwecken. Meine Nerven brannten vor Ungeduld, sie wach, sie
sprechend, sie
als wirkliches Wesen zu sehen, nicht
bloß als Traumwandlerin, und um jeden Preis wollte ich aus ihrem dumpf
genießenden Körper diese Wachheit zwingen. Ich riß sie an mich, ich
schüttelte
sie, ich klemmte die Zähne in ihre Lippen und meine Finger in ihre
Arme, damit
sie endlich die Augen aufschlüge und nun besonnen täte, was hier nur
ein
dumpfer Trieb in ihr genoß. Aber sie bog sich nur und stöhnte unter der
schmerzhaften Umklammerung. „Mehr! Mehr!“ stammelte sie mit einer
Inbrunst, mit
einer sinnlosen Inbrunst, die mich erregte und selbst sinnlos machte.
Ich
spürte, daß das Wache bereits nahe in ihr war, daß es aufbrechen wollte
unter
den geschlossenen Lidern, denn sie zuckten schon unruhig. Näher faßte
ich sie,
tiefer grub ich mich in sie ein, und plötzlich fühlte ich, wie eine
Träne die
Wange hinabrollte, die ich salzig trank. Furchtbar wogte es, je mehr
ich sie
preßte, in ihrer Brust, sie stöhnte, ihre Glieder krampften sich, als
wollten
sie etwas Ungeheures sprengen, einen Reif, der sie mit Schlaf umschloß,
und
plötzlich – wie ein Blitz war es durch die gewitternde Welt – brach es
in ihr
entzwei. Mit einemmal ward sie wieder schweres, lastendes Gewicht in
meinen
Armen, ihre Lippen ließen mich, die Hände sanken, und wie ich sie
zurücklehnte
auf das Bett, blieb sie liegen gleich einer Toten. Ich erschrak.
Unwillkürlich
fühlte ich sie an und tastete ihre Arme und ihre Wangen. Sie waren ganz
kalt,
erfroren, steinern. Nur an den Schläfen oben tickte leise in zitternden
Schlägen das Blut. Marmor, eine Statue, lag sie da, feucht die Wangen
von
Tränen, den Atem leise spielend um die gespannten Nüstern. Manchmal
überrann
sie noch leise ein Zucken, eine verebbende Welle des erregten Blutes,
doch die
Brust wogte immer leiser und leiser. Immer mehr schien sie Bild zu
werden.
Immer menschlicher und kindlicher, immer heller, entspannter wurden
ihre Züge.
Der Krampf war entflogen. Sie schlummerte. Sie schlief.
Ich
blieb sitzen am Bettrand, zitternd über sie
gebeugt. Ein friedliches Kind lag sie da, die Augen geschlossen und den
Mund
leise lächelnd, belebt von innerem Traum. Ganz nahe beugte ich mich
herab, daß
ich jede Linie ihres Antlitzes einzeln sah und den Hauch ihres Atems an
der
Wange fühlte, und von je näher ich auf sie blickte, desto ferner ward
sie mir
und geheimnisvoller. Denn wo war sie jetzt mit ihren Sinnen, die da
steinern lag,
hergetrieben von der heißen Strömung einer schwülen Nacht, zu mir, dem
Fremden,
und nun wie tot gespült an den Strand? Wer war es, die hier an meinen
Händen
lag, wo kam sie her, wem gehörte sie zu? Ich wußte nichts von ihr und
fühlte
nur immer, daß nichts mich ihr verband. Ich blickte sie an, einsame
Minuten,
während nur die Uhr eilfertig von oben tickte, und suchte in ihrem
sprachlosen
Antlitz zu lesen, und doch ward nichts von ihr vertraut. Ich hatte
Lust, sie
aufzuwecken aus diesem fremden Schlaf hier in meiner Nähe, in meinem
Zimmer,
hart an meinem Leben, und hatte doch gleichzeitig Furcht vor dem
Erwachen, vor
dem ersten Blick ihrer wachen Sinne. So saß ich da, stumm, eine Stunde
vielleicht oder zwei über den Schlaf dieses fremden Wesens gebeugt, und
allmählich
ward mirs, als sei es keine Frau mehr, kein Mensch, der hier
abenteuerlich sich
mir genaht, sondern die Nacht selbst, das Geheimnis der lechzenden,
gequälten
Natur, das sich mir aufgetan. Mir war, als läge hier unter meinen
Händen die
ganze heiße Welt mit ihren entschwülten Sinnen, als hätte sich die Erde
aufgebäumt in ihrer Qual und sie als Boten gesandt aus dieser
seltsamen,
phantastischen Nacht.
Etwas
klirrte hinter mir. Ich fuhr auf wie ein
Verbrecher. Nochmals klirrte das Fenster, als rüttelte eine riesige
Faust
daran. Ich sprang auf. Vor dem Fenster stand ein Fremdes: eine
verwandelte
Nacht, neu und gefährlich, schwarzfunkelnd und voll wilder Regsamkeit.
Ein
Sausen war dort, ein furchtbares Rauschen, und schon baute sichs auf
zum
schwarzen Turm des Himmels, schon warf sichs mir entgegen aus der
Nacht, kalt,
feucht und mit wildem Stoß: der Wind. Aus dem Dunkel sprang er,
gewaltig und
stark, seine Fäuste rissen an den Fenstern, hämmerten gegen das Haus.
Wie ein
furchtbarer Schlund war das Finstere aufgetan, Wolken fuhren heran und
bauten
schwarze Wände in rasender Eile empor, und etwas sauste gewalttätig
zwischen
Himmel und Welt. Weggerissen war die beharrliche Schwüle von dieser
wilden
Strömung, alles flutete, dehnte, regte sich, eine rasende Flucht war
von einem
Ende zum andern des Himmels, und die Bäume, die festgewurzelten in der
Erde,
stöhnten unter der unsichtbaren, sausenden, pfeifenden Peitsche des
Sturmes.
Und plötzlich riß dies weiß entzwei: ein Blitz, den Himmel spaltend bis
zur Erde
hinab. Und hinter ihm knatterte der Donner, als krachte das ganze
Gewölk in die
Tiefe. Hinter mir rührte sichs. Sie war aufgefahren. Der Blitz hatte
den Schlaf
von ihren Augen gerissen. Verwirrt starrte sie um sich. „Was ists“,
sagte sie,
„wo bin ich?“ Und ganz anders war die Stimme als vordem. Angst bebte
noch
darin, aber der Ton klang jetzt klar, war scharf und rein wie die
neugegorene
Luft. Wieder riß ein Blitz den Rahmen der Landschaft auf: im Flug sah
ich den
erhellten Umriß der Tannen, geschüttelt vom Sturm, die Wolken, die wie
rasende
Tiere über den Himmel liefen, das Zimmer kalkweiß erhellt und weißer
als alles
ihr blasses Gesicht. Sie sprang empor. Ihre Bewegungen waren mit
einemmal frei,
wie ich sie nie an ihr gesehen. Sie starrte mich an in der Dunkelheit.
Ich
spürte ihren Blick schwärzer als die Nacht. „Wer sind Sie . . . Wo bin
ich?“
stammelte sie und raffte erschreckt das aufgesprengte Gewand über der
Brust
zusammen. Ich trat näher, sie zu beruhigen, aber sie wich aus. „Was
wollen Sie
von mir?“ schrie sie mit voller Kraft, da ich ihr nahe kam. Ich wollte
ein Wort
suchen, um sie zu beruhigen, sie anzusprechen, aber da merkte ich erst,
daß ich
ihren Namen nicht kannte. Wieder warf ein Blitz
Licht über das Zimmer. Wie mit Phosphor bestrichen, blendeten kalkweiß
die Wände, weiß stand sie vor mir, die Arme im Schrecken gegen mich
gestemmt,
und in ihrem nun wachen Blick war grenzenloser Haß. Vergebens wollte
ich im
Dunkel, das mit dem Donner auf uns niederfiel, sie fassen, beruhigen,
ihr etwas
erklären, aber sie riß sich los, stieß die Türe auf, die ein neuer
Blitz ihr
wies, und stürzte hinaus. Und mit der Tür, die zufiel, krachte der
Donner
nieder, als seien alle Himmel auf die Erde gefallen.
Und
dann rauschte es, Bäche stürzten von unendlicher
Höhe wie Wasserfälle, und der Sturm schwenkte sie als nasse Taue
prasselnd hin
und her. Manchmal schnellte er Büschel eiskalten Wassers und süßer,
gewürzter
Luft zum Fensterrahmen herein, wo ich schauend stand, bis das Haar mir
naß war
und ich troff von den kalten Schauern. Aber ich war selig, das reine
Element zu
fühlen, mir war, als löste nun auch meine Schwüle sich in den Blitzen
los, und
ich hätte schreien mögen vor Lust. Alles vergaß ich in dem ekstatischen
Gefühl,
wieder atmen zu können und frisch zu sein, und ich sog diese Kühle in
mich wie
die Erde, wie das Land: ich fühlte den seligen Schauer des
Durchrütteltseins
wie die Bäume, die sich zischend schwangen unter der nassen Rute des
Regens.
Dämonisch schön war der wollüstige Kampf des Himmels mit der Erde, eine
gigantische Brautnacht, deren Lust ich mitfühlend genoß. Mit Blitzen
griff der
Himmel herab, mit Donner stürzte er auf die Erbende nieder, und es war
in
diesem stöhnenden Dunkel ein rasendes Ineinandersinken von Höhe und
Tiefe, wie
von Geschlecht zu Geschlecht. Die Bäume stöhnten vor Wollust, und mit
immer
glühenderen Blitzen flocht sich die Ferne zusammen, man sah die heißen
Adern
des Himmels offen stehen, sie sprühten sich aus und mengten sich mit
den nassen
Rinnsalen der Wege. Alles brach auseinander und stürzte zusammen, Nacht
und
Welt – ein wunderbarer neuer Atem, in den sich der Duft der Felder
vermengte
mit dem feurigen Odem des Himmels, drang kühl in mich ein. Drei Wochen
zurückgehaltener Glut rasten sich in diesem Kampf aus, und auch in mir
fühlte
ich die Entspannung. Es war mir, als rauschte der Regen in meine Poren
hinein,
als durchsause reinigend der Wind meine Brust, und ich fühlte mich und
mein
Erleben nicht mehr einzeln und beseelt, ich war nur Welt, Orkan,
Schauer, Wesen
und Nacht im Überschwang der Natur. Und dann, als alles mählich stiller
war,
die Blitze bloß blau und ungefährlich den Horizont umschweiften, der
Donner nur
mehr väterlich mahnend grollte und das Rauschen des Regens rhythmisch
ward im
ermattenden Wind, da kam auch mich ein Leiserwerden und Müdigkeit an.
Wie Musik
fühlte ich meine schwingenden Nerven erklingen, und sanfte Gelöstheit
sank in
meine Glieder. Oh, schlafen jetzt mit der Natur und dann aufwachen mit
ihr! Ich
warf die Kleider ab und mich ins Bett. Noch waren weiche, fremde Formen
darin.
Ich spürte sie dumpf, das seltsame Abenteuer wollte sich noch einmal
besinnen,
aber ich verstand es nicht mehr. Der Regen draußen rauschte und
rauschte und
wusch mir die Gedanken weg. Ich fühlte alles nur mehr als Traum. Immer
wollte
ich noch etwas zurückdenken von dem, was mir geschehen war, aber der
Regen
rauschte und rauschte, eine wunderbare Wiege war die sanfte, klingende
Nacht,
und ich sank in sie hinein, einschlummernd in ihrem Schlummer.
Am
nächsten Morgen, als ich ans Fenster trat, sah ich
eine verwandelte Welt. Klar, mit festen Umrissen, heiter lag das Land
in
sicherem, sonnigem Glanz, und hoch über ihm, ein leuchtender Spiegel
dieser
Stille, wölbte der Horizont sich blau und fern. Klar waren die Grenzen
gezogen,
unendlich fern stand der Himmel, der gestern sich tief hinab in die
Felder
gewühlt und sie fruchtbar gemacht. Jetzt aber war er fern, weltenweit
und ohne
Zusammenhang, nirgends rührte er sie mehr an, die duftende, atmende,
gestillte
Erde, sein Weib. Ein blauer Abgrund schimmerte kühl zwischen ihm und
der Tiefe,
wunschlos blickten sie einander an und fremd, der Himmel und die
Landschaft.
Ich
ging hinab in den Saal. Die Menschen waren schon
beisammen. Anders war auch ihr Wesen als in diesen entsetzlichen Wochen
der Schwüle.
Alles regte und bewegte sich. Ihr Lachen klang hell, ihre Stimmen
melodisch,
metallen, die Dumpfheit war entflogen, die sie behinderte, das schwüle
Band
gesunken, das sie umflocht. Ich setzte mich zwischen sie, ganz ohne
Feindlichkeit, und irgendeine Neugier suchte nun auch die Andere, deren
Bild
mir der Schlaf fast entwunden. Und wirklich, zwischen Vater und Mutter
am
Nebentisch saß sie dort, die ich suchte. Sie war heiter, ihre Schultern
leicht
und ich hörte sie lachen, klingend und unbesorgt. Neugierig umfaßte ich
sie mit
dem Blick. Sie bemerkte mich nicht. Sie erzählte irgend etwas, das sie
froh
machte, und zwischen die Worte perlte ein kindliches Lachen hinein.
Endlich sah
sie gelegentlich auch zu mir hinüber, und bei dem flüchtigen Anstreifen
stockte
unwillkürlich ihr Lachen. Sie sah mich schärfer an. Etwas schien sie zu
befremden, die Brauen schoben sich hoch, streng und gespannt umfragte
mich ihr
Auge, und allmählich bekam ihr Gesicht einen angestrengten, gequälten
Zug, als
ob sie sich durchaus auf etwas besinnen wollte und es nicht vermöchte.
Ich
blieb erwartungsvoll mit ihr Blick in Blick, ob nicht ein Zeichen der
Erregung
oder der Beschämung mich grüßen würde, aber schon sah sie wieder weg.
Nach
einer Minute kam ihr Blick noch einmal, um sich zu vergewissern,
zurück. Noch
einmal prüfte er mein Gesicht. Eine Sekunde nur, eine lange gespannte
Sekunde,
fühlte ich seine harte, stechende, metallene Sonde tief in mich
dringen, doch
dann ließ ihr Auge mich beruhigt los, und an der unbefangenen Helle
ihres
Blickes, der leichten, fast frohen Wendung ihres Kopfes spürte ich, daß
sie
wach nichts mehr von mir wußte, daß unsere Gemeinschaft versunken war
mit der
magischen Dunkelheit. Fremd und weit waren wir wieder einander wie
Himmel und
Erde. Sie sprach zu ihren Eltern, wiegte unbesorgt die schlanken,
jungfräulichen Schultern, und heiter glänzten im Lächeln die Zähne
unter den
schmalen Lippen, von denen ich doch noch vor Stunden den Durst und die
Schwüle
einer ganzen Welt getrunken.
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|