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04.3
Märchen - Allgemein
Edgar Allen Poe
Hopp
Frosch
Ich
habe niemals jemanden
gekannt, der so sehr zu Scherz und Spaß aufgelegt war, wie der König.
Es war
gerade zu sein Lebenselement. Eine lustige Geschichte gut erzählen -
das war
der sicherste Weg, um sich bei ihm in Gunst zu setzen.
So
kam es, dass seine sieben Minister alle dafür bekannt waren, vollendete
Spassmacher zu sein. Sie glichen auch sonst dem König: sie waren nicht
nur
unvergleichliche Witzbolde, sondern auch große, korpulente, fette
Männer. Ob
die Leute vom Scherzen fett werden, oder ob die Veranlagung zu Spaß und
Scherz
bei fetten Leuten besonders stark entwickelt ist, habe ich nie ganz
genau
feststellen können. Tatsache aber ist, dass ein magerer Spaßmacher ein
rara in
terris ist.
Aus
den Feinheiten oder,
wie er sagte, dem "Geist" des Witzes, machte der König sich wenig. Er
bewunderte hauptsächlich die Breite eines Scherzes, und um ihretwillen
ließ er
sich auch die Länge gefallen. Über-Feinheiten langweilten ihn. Er würde
Rabelais'
"Gargantua" dem "Zadig" Voltaires vorgezogen haben, und
alles in allem gefiel es ihm besser, einen Streich auszuführen, als
einen
erzählt zu bekommen.
Zu
der Zeit, in der meine
Geschichte spielt, waren berufsmäßige Spaßmacher bei Hofe noch nicht
ganz aus
der Mode gekommen. Mehrere "Großmächte" des Kontinents hatten noch
ihre "Narren" im Narrenkleid und Schellenkappe, die zum Dank für die
Brosamen, die ihnen an des Königs Tafel zufielen, stets zu Spott und
Witz
bereit sein mussten.
Unser
König hatte selbstverständlich
noch seinen Hofnarren. Tatsache ist, dass er ein wenig Narrheit um sich
brauchte - sei es auch nur als Gegengewicht gegen die ungeheure
Weisheit der
sieben weisen Männer, seiner Minister - von ihm selbst gar nicht zu
reden.
Sein
Narr oder Spaßmacher
von Beruf, war jedoch nicht nur ein Narr. Sein Wert wurde in den Augen
des
Königs dadurch verdreifacht, dass er außerdem ein Zwerg und ein Krüppel
war. In
jenen alten Tagen waren die Zwerge nicht seltener als die Narren, und
viele
Herrscher hätten es schwer gefunden, die Tage hinzubringen (und bei
Hofe sind
die Tage länger als sonstwo), ohne einen Spaßmacher, mit dem sie lachen
und
einen Zwerg, über den sie lachen konnten. Doch wie ich schon bemerkte,
sind in
neunundneunzig von hundert Fällen die Witzbolde fett, rund und
schwerfällig –
so dass unser König sich wirklich gratulieren konnte, in Hopp-Frosch
(das war
des Narren Name) in einer Person einen dreifachen Schatz zu besitzen.
Ich
glaube nicht, dass der Zwerg schon bei der Taufe den Namen Hopp-Frosch
zuerteilt bekam, er verdankte ihn vielmehr dem weisen Rat der sieben
Minister
und seiner eigenen Unfähigkeit, wie andere Menschen aufrecht
einherzugehen.
Hopp-Frosch
konnte sich
mittels eines ganz absonderlichen Verfahrens vorwärts bewegen - es war
halb ein
Sprung, halb ein schlängelndes Vorschleudern des Körpers - eine
Gangart, die
allen bei Hofe unglaublichen Spaß machte und dem König ein rechter
Trost war,
denn im Vergleich zu seinem Narren galt er selbst trotz seines gewaltig
vorspringenden Leibes und seines chronischen Wasserkopfes für einen
schön
gebauten Mann.
Doch
obgleich Hopp-Frosch infolge seiner missgestalteten Beine sich auf
ebener
Erde nur mühsam und unter Schmerzen vorwärts zu bewegen vermochte,
konnte er
da, wo es sich um Klettern handelte, ganz Außergewöhnliches leisten;
denn die
Natur hatte ihn für die Unvollkommenheit seiner unteren Gliedmaßen mit
einer
unerhörten Muskelkraft der Arme ausgestattet. Wenn er so auf Bäumen und
an
Seilen herumkletterte, glich er weit eher einem Eichhörnchen oder einem
kleinen
Affen, als einem Frosch.
Ich
bin nicht imstande, mit
Bestimmtheit anzugeben, aus welchem Lande Hopp-Frosch stammte.
Jedenfalls war
es irgendeine unwirtliche Gegend, von der niemand etwas wusste - und
weit
entfernt vom Hofe unseres Königs. Hopp-Frosch und ein junges Mädchen
von fast
ebenso zwergenhafter Gestalt wie er selbst (nur dass sie
wohlproportioniert und
eine wunderbare Tänzerin war) waren aus ihrer Heimt gewaltsam in
benachbarte
Provinzen verschleppt worden, von wo einer seiner stets siegreichen
Generäle
sie dem König zum Geschenk sandte.
Unter
solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass zwischen den beiden
kleinen Gefangenen eine innige Freundschaft erwuchs. Hopp-Frosch, der
trotz
seiner Kurzweiligkeit keineswegs beliebt war, war nicht in der Lage,
Tripetta
große Dienste erweisen zu können; sie aber wurde (trotz ihrer
Zwergengestalt)
dank einer seltenen Anmut und Lieblichkeit allgemein verehrt und
verhätschelt.
Sie hatte also eine große Macht und versäumte nie, sich ihrer, sobald
es not
tat, zugunsten Hopp-Froschs zu bedienen.
Anläßlich
irgendeines
großen Staatsereignisses (was es war, habe ich vergessen), hatte der
König
beschlossen, ein Maskenfest zu geben; und wann immer ein Maskenfest
oder
dergleichen an unserem Hofe stattfinden sollte, rief man die Talente
sowohl
Hopp-Froschs wie Tripettas zu Hilfe. Hopp-Frosch vor allem war so
erfinderisch
in der Zusammenstellung von Festzügen und wusste so prächtige Masken zu
ersinnen, dass es war, als sei ohne seinen Beistand nichts zu machen.
Die
Festnacht war gekommen. Eine glänzende Halle war unter Tripettas
Aufsicht
mit allem ausgeschmückt worden, was geeignet schien, einen
stimmungsvollen
Hintergrund zu einem Maskenfest zu schaffen. Der ganze Hof war in
fieberhafter
Erwartung. Was die Wahl der Masken und Kostüme anlangte, so darf wohl
angenommen werden, dass ein jeder seine Entscheidung getroffen hatte.
Viele
hatten schon Wochen, ja Monate vorher beschlossen, welche Rolle sie zu
spielen
gedachten; und wirklich gab es auch keine Unentschlossenheit mehr -
ausgenommen
beim König und seinen sieben Ministern. Warum gerade sie noch zögerten,
wüsste
ich nicht zu sagen, es sei denn, weil ihnen dies spaßhaft vorkam.
Wahrscheinlicher ist es, dass es ihnen schwerfiel, für ihre fetten
Gestalten
eine passende Rolle zu finden. Kurzum, die Zeit entfloh, und als letzte
Rettung
ließen sie Tripetta und Hopp-Frosch rufen.
Als
die beiden kleinen Freunde dem Befehl des Königs nachkamen, fanden sie
ihn
mit den sieben Mitgliedern seines Kabinettrates beim Weine sitzen. Aber
der
Herrscher schien sehr übler Laune zu sein. Er wusste, dass Hoppe-Frosch
den
Wein nicht liebte, da das Trinken den armen Krüppel bis zum Wahnsinn
aufregte,
und Wahnsinn ist kein angenehmer Zustand. Aber dem König, der es
liebte,
jemandem einen Schabernack zu spielen, machte es Spaß, Hopp-Frosch zum
Trinken
zu zwingen und ihn (wie der König es nannte) lustig zu machen.
"Komm
her, Hopp-Frosch", sagte er, als der Spaßmacher und seine
kleine Gefährtin ins Zimmer traten. "Leere diesen Becher auf die
Gesundheit deiner fernen Freunde (hier seufzte Hopp-Frosch), und dann
begnade
uns mit deiner Erfindungsgabe. Wir brauchen Rollen - Rollen, Mann -
irgend
etwas Neues - noch nicht Dagewesenes! Wir haben das ewige Einerlei
satt. Komm,
trink! Der Wein wird dich erleuchten."
Hopp-Frosch
versichte wie
immer so auch diesmal, des Königs wohlwollende Ansprache mit einem
Scherz zu
beantworten, aber die Anstrengung war zu groß. Gerade heute nämlich war
des
armen Zwerges Geburtstag, und der Befehl, seinen "abwesenden
Freunden" zuzutrinken, zwang ihm Tränen in die Augen. Große und bittere
Tropfen fielen in den Kelch, den er demütig aus der Hand des Tyrannen
entgegennahm.
"Ah"
Hahaha!" grölte letzterer, als der Zwerg den Becher
widerwillig leerte. "Seht, was so ein Glas guten Weins vermag!
Wahrhaftig,
deine Augen glänzen schon!"
Armer
Kerl! Seine großen Augen glänzten nicht nur, sie glühten; denn auf sein
leicht erregbares Hirn hatte der Wein nicht nur eine gewaltige, sondern
auch
eine augenblickliche Wirkung. Er stellte den Becher mit bebender Hand
auf den
Tisch und sah sich mit halb irrsinnigen Blicken in der Gesellschaft um.
Alle
Anwesenden hatten ihre Freude an dem sichtlichen Erfolg des königlichen
"Scherzes".
"Und
jetzt an die
Arbeit!" sagte der Premierminister, ein sehr fetter Mann.
"Ja",
sagte der König. "Komm, Hopp-Frosch, leihe uns deinen
Beistand. Charakterrollen, mein hübscher Junge! Es mangelt uns an
Charakteren -
uns allen - hahahaha!" Und da diese Äußerung offenbar scherzhaft
gemeint
war, lachten seine sieben Minister mit. Hopp-Frosch lachte auch - aber
nicht
sehr herhaft.
"Vorwärts,
vorwärts", sagte der König ungeduldig, "kannst du
uns keinen Vorschlag machen?"
"Ich
bin bemüht, etwas Neues zu ersinnen", antwortete der Zwerg
zerstreut, denn er war trunken vom Wein.
"Bemüht!"
schrie
der Tyrann wütend; "was meinst du damit? Ah, ich sehe, du bist
missgestimmt und brauchst noch mehr Wein. Hier, trink!" Und er goss
einen
zweiten Becher voll und bot ihn dem Krüppel; der rang nach Atem und
rührte sich
nicht.
"Trink,
sage ich!" brüllte der Unhold, "oder beim Teufel
..."
Der
Zwerg zögerte. Der König wurde purpurrot vor Zorn. Die Höflinge
schmunzelten. Tripetta näherte sich leichenblass dem König, warf sich
vor ihm
auf die Knie und beschwor ihn, ihren Freund zu schonen.
Der
Tyrann war von ihrer
Kühnheit verblüfft. Einen Augenblick sah er sie verwundert an. Er
schien in
großer Verlegenheit, was sollte er tun, was sagen, wie seinem Zorn Luft
machen?
Endlich stieß er sie wortlos zurück und schüttete ihr den ganzen Inhalt
des
Bechers ins Gesicht.
Das
arme Mädchen erhob sich wankend und nahm - ohne auch nur einen Seufzer
zu wagen - ihren Platz am Ende des Tisches wieder ein. Eine halbe
Minute lang
herrschte Totenstille; man hätte ein Blatt zu Boden fallen hören
können. Da
tönte in das Schweigen ein leiser, doch scharfer und anhaltender
knirschender
Ton, der zu gleicher Zeit aus allen Ecken des Raumes hervorzuknarren
schien.
"Warum
- warum -
warum, sage ich, machst du dieses Geräusch?" wandte sich der König
wütend
an den Zwerg.
Letzterer
schien sich von seiner Betrunkenheit ganz erholt zu haben, er sah
dem König scharf, doch ruhig ins Gesicht und sagte: "Ich - ich? Wie
könnte
ich das getan haben?"
"Der
Laut schien von außen hereinzudringen", bemerkte einer der
Höflinge. "Vermutlich war es der Papagei dort am Fenster, der seinen
Schnabel an den Gitterstäben des Käfigs wetzte."
"Möglich",
erwiderte der Herrscher und atmete befreit auf;
"doch bei meinem Ritterwort, ich hätte schwören mögen, dass es das
Zähneknirschen des Schurken hier war."
Jetzt
lachte der Zwerg (der König war ein zu eingefleischter Spaßmacher,
als dass er irgendeinem das Lachen verübelt hätte) und enthüllte zwei
Reihen
großer, kräftiger, abstoßend wirkender Zähne. Überdies gab er seine
völlige
Bereitwilligkeit zu erkennen, so viel Wein zu schlucken, als man nur
wünsche.
Der König war befriedigt. Und nachdem Hopp-Frosch ohne ersichtlich
übliche
Wirkung einen weiteren Becher geleert hatte, begann er sogleich und mit
Eifer
sich für die geplante Maskerade zu interessieren.
Ich
kann nicht sagen, wie
die Ideenverbindung mir kam", bemerkte er so ruhig, als habe er nie in
seinem Leben einen Schluck Wein über die Lippen gebracht, "aber gerade
nachdem Eure Majestät das Mädchen fortgestoßen und ihr den Wein ins
Gesicht
geschüttet hatten - gerade nachdem Sie das getan, und während der
Papagei
draußen am Fenster das seltsame Geräusch vollführte, kam mir ein
köstlicher
Spaß in den Sinn - einer der lustigen Streiche aus meiner Heimat und
bei unseren
Maskenfesten sehr beliebt - hier aber wird er sicherlich ganz neu sein.
Leider
jedoch gehören dazu genau acht Personen, und ..."
"Hier
sind wir
ja!" rief der König und lachte über seine rasche Entdeckung der
Zahlenübereinstimmung. "Genau acht Mann - ich und meine sieben
Minister.
Vorwärts! Erzähle uns deinen Streich!"
"Wir
nennen ihn", erwiderte der Krüppel, "die acht
zusammengeketteten Orang-Utans, und gut ausgeführt ist er wirklich von
großartiger Wirkung."
"Wir
wollen ihn ausführen", bemerkte der König und stand mit
schweren Augenlidern auf.
"Der
Hauptwitz des Spiels liegt in dem Entsetzen, das es bei den
Frauen verursacht", fuhr Hopp-Frosch fort.
"Ausgezeichnet!"
grölten der Monarch und seine Minister im Chor.
"Ich
werde Sie also als Orang -Utans einkleiden", sprach der Zwerg
weiter. "Überlassen Sie alles mir. Die Ähnlichkeit wird so verblüffend
sein, dass die ganze Maskengesellschaft Sie für wirkliche Tiere halten
wird -
und natürlich wird man ebenso entsetzt wie erstaunt sein."
"Oh,
das ist herrlich!" rief der König. »Hopp-Frosch! Aus dir will
ich noch einen Mann machen!«
"Die
Ketten dienen dazu, durch ihr Klirren die Verwirrung zu erhöhen. Es
muss so scheinen, als seien Sie Ihren Wächtern >en masse<
entronnen. Eure
Majestät können sich gar nicht vorstellen, wie wirkungsvoll bei solch
einer
Maskerade acht zusammengekettete Orang-Utans sein müssten, da die
meisten aus
der Gesellschaft Sie für wirkliche bestien halten werden, wenn Sie mit
wildem
Geschrei mitten zwischen all die prächtig und lieblich gekleideten
Männer und
Frauen hineinrasen. Der Kontrast wird unbeschreiblich sein."
»Wir
machen es unbedingt«,
sagte der König. Und der versammelte Rat löste sich auf, denn es war
schon
spät, und man musste sich beeilen, den Plan Hopp-Froschs zur Ausführung
zu
bringen.
Sein
Verfahren, den König und seine Vertrauten in Orang-Utans zu
verkleiden, war einfach, aber für seine Zwecke wirkungsvoll genug. Die
zur Darstellung
zu bringenden Tiere waren zu der Zeit, in der meine Geschichte spielt,
in der
zivilisierten Welt noch kaum gesehen worden. Und da die von dem Zwerg
vorgenommene Verkleidung wahrhaft scheußlich und bestienhaft war, war
der
Erfolg der Täuschung gesichert.
Der
König und seine
Minister wurden zunächst in enganliegende braune wollene Hemden und
Unterhosen
gesteckt. Dann wurden diese mit Teer getränkt. Jetzt schlug einer
Federn vor,
aber der Zwerg verwarf diesen Vorschlag und überzeugte die acht, dass
das Fell
eines Orang-Utans weit naturgetreuer durch Flachs dargestellt werden
könne.
Eine dicke Schicht von letzterem wurde nun auf die Teerschicht
festgedrückt.
Dann brachte man eine lange Kette herbei. Sie wurde zuerst dem König um
den
Leib gelegt und festgeknotet; mit den sieben anderen
Teilnehmern
wurde genau ebenso verfahren. [Als
alle derart
angekettet und so weit als möglich voneinander entfernt aufgestellt
waren,
bildeten sie einen Kreis; und um das Ganze recht naturgetreu erscheinen
zu
lassen, zog der Zwerg den Rest der Kette zweimal diametral durch den
Kreis.
Dies war ganz die Art, nach der noch heutzutage auf Borneo große Affen
zusammengekoppelt werden.
Der
große Saal, in dem das
Maskenfest stattfinden sollte, war ein kreisrunder, sehr hoher Raum,
der sein
Licht durch ein einziges, im Mittelpunkt der Deckenwölbung angebrachtes
Fenster
erhielt. Bei Nacht – und besonders für Nachtfeste war der Saal bestimmt
–
empfing er sein Licht hauptsächlich von einem großen Kronleuchter, der
an einer
Kette von der Mitte des Kuppelfensters herniederhing und wie üblich
mittels
eines Gegengewichtes herabgelassen und wieder hinaufgezogen werden
konnte; doch
hatte man letzteres aus Schönheitsgründen außerhalb der Kuppel über das
Dach
hinweggeführt.
Die
Ausschmückung des
Festgemachs hatte man Tripettas Oberaufsicht überlassen; in einigen
Dingen
jedoch hatte sie sich der überlegenen Umsicht ihres Freundes, des
Zwerges,
gefügt. Seinem Rate folgend, hatte man für diese Gelegenheit den
Kronleuchter
entfernt. Die Wachstropfen, die nicht zu vermeiden gewesen wären,
würden der
kostbaren Gewandung der Gäste sehr nachteilig gewesen sein,
andererseits aber
konnten in einem überfüllten Raume nicht alle Leute der Mitte – also
dem Platz
unter dem Kronleuchter – ausweichen. Zahlreiche Kandelaber wurden an
den Wänden
der Halle aufgestellt, und jeder der fünfzig bis sechzig Karyatiden
wurde eine
Wohlgeruch spendende Fackel in die rechte Hand gegeben.
Die
acht Orang-Utans
warteten auf Hopp-Froschs Rat mit ihrem Erscheinen geduldig bis
Mitternach, bis
der Saal von Masken gedrängt voll sein würde. Kaum jedoch war der
letzte Schlag
der Mitternachtsstunde verhallt, als sie hineinstürmten, vielmehr
rollten - denn
die hindernden Ketten rissen die meisten von ihnen zu Boden, und wer
nicht
hinfiel, stolperte. Das Entsetzen der Maskengesellschaft war ungeheuer
und
füllte das Herz des Königs mit Entzücken. Wie man vorausgesehen hatte,
gab es
unter den Gästen nicht wenige, die diese grimmig aussehenden Wesen,
wenn auch
nicht gerade für Orang-Utans, so doch für wilde Bestien hielten. viele
der
Frauen wurden ohnmächtig vor Schreck, und hätte der König nicht die
Vorsichtsmaßregel getroffen, das Waffentragen für diesen Abend zu
verbieten, so
hätten er und seine Gefährten den Schabernack wohl mit ihrem Blute
büßen
müssen. So aber trachteten alle, die Türen zu gewinnen; der König hatte
jedoch
Befehl gegeben, dieselben gleich nach dem Eintritt der Affenbande
abzuschließen, und einer Anregung des Zwerges gemäß, hatte man diesem
selbst
die Schlüssel ausgeliefert.
Als
der Tumult aufs höchste
gestiegen und jeder Gast nur auf seine eigene Rettung bedacht war –
denn das
Gedränge war inzwischen lebensgefährlich geworden –, hätte man sehen
können,
wie die Kette, die sonst den Kronleuchter getragen hatte und die nach
dessen
Entfernung hinaufgezogen worden war, sich ganz allmählich herabsenkte,
bis ihr
Endhaken nur noch drei Fuß über dem Erdboden hing.
Bald
darauf geschah es,
dass der König und seine sieben Freunde, nachdem sie den Saal nach
allen
Richtungen durchtaumelt hatten, sich schließlich in dessen Mittelpunkt
und
selbstredend auch in naher Berührung mit der Kette befanden. Als sie so
standen, ergriff der Zwerg, der ihnen stets gefolgt war und sie zu
immer
wilderem Gebaren angefeuert hatte, die Kette, an der sie gefesselt
waren, genau
an der Stelle, wo die beiden Diametrallinien zusammentrafen.
Blitzschnell
hängte er hier in das Mittelglied den Kronleuchterhaken ein, und
augenblicklich
wurde durch eine unsichtbare Kraft die Kronleuchterkette so hoch
hinaufgezogen,
dass der Haken nicht mehr erreichbar war. Diese Aufwärtsbewegung riss
die
Orang-Utans ganz nah zusammen, sie standen Gesicht an Gesicht gedrängt.
Inzwischen
hatten die
Maskengäste sich von ihrer Verblüffung erholt, sie begannen, das Ganze
als
einen wohlvorbereiteten Scherz anzusehen, und brachen über die
sonderbare
Situation der Affen in lautes Gelächter aus.
"Überlasst
sie
mir!" kreischte jetzt Hopp-Frosch auf, mit seiner schrillen Stimme all
den
Lärm übertönend. "Überlasst sie mir! Ich glaube, ich kenne sie. Wenn
ich
sie mir nur einmal recht anschauen könnte, ich würde euch gleuch sagen,
wer sie
sind!"
Und
über die Köpfe der Menge hinweg kriechend, gelangte er zur Saalwand,
nahm einer der Karyatiden die Fackel aus der Hand, die kehrte auf
demselben
Wege wie vorher in die Mitte zurück und sprang mit Affengeschwindigkeit
dem
König auf den Kopf und von da an der Kette hinauf. Ein paar Fuß über
den
Orang-Utans senkte er seine Fackel, leuchtete ihnen ins Anlitz und
schrie von
neuem: "Ich werde bald heraushaben, wer sie sind!".
Und
jetzt, während alle
Anwesenden - die Affen mit einbegriffen - sich vor Lachen schüttelten,
ließ der
Spaßmacher einen schrillen Pfiff ertönen; die Kette flog etwa dreißg
Fuß empor
und zog die bestürzten und um sich schlagenden Orang-Utans mit sich; da
hingen
sie nun zappelnd genau in halber Höhe des Saales. Hopp-Frosch, der sich
an die
Kette festgeklammert hatte, verharrte noch in derselben Stellung wie
vorher;
noch immer - so, als sei nichts geschehen - senkte er seine Fackel zu
ihnen
hinuter, als bemühe er sich, festzustellen, wer sie seien.
So
völlig verblüfft war man
von diesem plötzlichen Aufstieg, dass wohl eine Minute lang Totenstille
herrschte. Da ertönte wieder das leise, scharfe, knirschende Geräusch,
das
zuvor dem König, als er Tripette den Wein ins Gesicht schüttete, so
seltsam
aufgefallen war. Jetzt aber konnte kein Zweifel darüber sein, wo der
Laut
herkam. Er kam von den Raubtierzähnen des Zwerges: es war ein Knirschen
aus
seinem schäumenden Mund; sein Blick flammte mit dem Ausdruck
wahnsinniger Wut
in die aufwärts gewendeten Gesicher des Königs und seiner sieben
Gefährten.
"Aha!"
sagte der
Spaßmacher. "Aha! Ich fange an zu begreifen, wer diese Leute sind!"
Und wie um den König heller zu beleuchten, näherte er die Fackel dem
Pelz, in
dem jener steckte, sodass der Flachs augenblicklich in heller Garbe
aufflammte.
In weniger als einer halben Minute brannten die acht Orang-Utans
lichterloh,
und drunten kreischte die entsetzte Menge und starrte wie gebannt zu
den
flammenden Körpern empor, denen sie keine Hilfe bringen konnte.
Endlich
wurden die aufwärts
leckenden Flammen so heftig, dass der Narr, um ihnen auszuweichen,
höher hinaufklettern
musste, und diese Bewegung machte die Menge einen Augenblick lang
stumm.
Der
Zwerg ergriff die Gelegenheit und sprach noch einmal.
"Jetzt
sehe ich deutlich", sagte er, "welcher Art Leute die
Maskierten sind. Es ist ein großer König mit seinen sieben Ministern -
ein
König, der sich kein Gewissen daraus macht, ein wehrloses Mädchen zu
schlagen,
und seine sieben Berater, die seiner schmachvollen Tat Vorschub
leisten. Was
mich anbetrifft, so bin ich nur Hopp-Frosch, der Spaßmacher, und das
ist mein
letzter Spaß!"
Infolge
der hohen
Brennbarkeit sowohl des Flachses wie des Teers, war das Rachewerk schon
vollbracht, als der Zwerg seine kurze Rede kaum beendet hatte. Die acht
Leichname schaukelten in ihren Ketten - eine stinkende, geschwärzte,
ekelhafte,
unkenntliche Masse. Der Krüppel schleuderte seine Fackel auf sie herab,
klettere behende bis zur Decke empor und verschwand durch das
Kuppelfenster.
Es
ist anzunehmen, dass
Tripette, auf dem Dach des Kuppelsaales stehend, ihrem Freund bei
seinem
schauerlichen Racheakt Beihilfe leistete, und dass sie zusammen ihre
Flucht in
ihr Heimatland bewerkstelligten, denn beide wurden nie mehr gesehen.
oben
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