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04.3
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Bobby Box - Drittes Abenteuer - Marygold
Amerikanische
Bildergeschichte
adellos
gewaschen, gekämmt und aufgebügelt, wie ein echter Gentleman, ging
Bobby Box in Black Bell spazieren. Er schlenderte die große breite
Straße hinunter, aus der die ganze Ortschaft bestand und die von beiden
Seiten von grauen Holzhäusern und Bretterbuden eingesäumt war. - Drüben
las er zwischen blanken Messingtellern "Barbershop", dort stand "Post
Office"; daneben gab es "Whisky and Tobacco"; ein kleines rotes Schild
sprang ihm in die Augen: Sheriff Jack Brown... Aber er achtete
eigentlich nicht darauf; er mochte von alledem nichts hören und nichts
sehen. Eine Sehnsucht brannte in ihm und ließ ihm keine Ruhe; er mußte
fortwährend an Marygold denken. - "Wäre ich doch ein Fürst oder
wenigstens ein reicher Mann!", dachte er sich, "dann würde ich gleich
morgen um ihre Hand anhalten. - Aber wo in aller Welt mag sie überhaupt
sein?" Wieder loderte die Sehnsucht in ihm auf. - "O Marygold, mein
Stern! Mein Herz, es läßt dich grüßen!" rief er laut aus. - Plötzlich
blieb er verdutzt stehen; er sah eine hohe und bunte Fassade.
"Boarding-House" stand da in einem großen roten Herz und darunter war
eine allerliebste Tänzerin gemalt, die - Bobby Box wischte sich über
die Augen - eine Ähnlichkeit mit Marygold aufwies, die einfach nicht zu
verkennen war. Sollte "Sie" hier in Black Bell tanzen...? Bobby hatte
den Gedanken noch nicht ausdenken können, als er vor sich ein Mägdelein
in graziösen Schritten dahinschweben sah, wie es solches nur eins auf
dieser Welt gab. Wieder hatte er das Gefühl, als träume er; jedoch
schon war er an ihrer Seite und als Dichter konnte er nicht anders, als
sie in Versen ansingen, um seiner großen Sehnsucht Ausdruck zu
verleihen:
Oh,
Marygold, ich wünschte nur,
Ich
wär der Fürst von Singapur.
Ich
würde dich mit Edelstein'
Behängen
wie ein Christbäumlein.
Ich
schwöre dir - ja, glaub' es nur,
Ich
hol den Schatz aus Singapur.
Leihst
du mir deinen kleinen Mund
Für
einen K . . . . . . .
...
Pfui! Teufel, Batz und Höllenschlund!! Bobby hatte den Mr. Jim, der
sich zwischen ihn und Marygold gedrängt hatte, auf die krumme Nase
geküßt. Also - o weh! - der böse Jim war auch da! - "Schnell einen
Schnaps! Wo ist die Bar?!" Bobby wischte und spuckte und lief durch die
offenstehende Tür an die Theke. Hier wurde er mit Gegröhl empfangen;
aus rauhen Kehlen und riesigen Bärten scholl es: "Hurrah!!" Mächtige
Wild-Westge- stalten standen hier
in Gruppen herum. hoch und breit wie
die Waldriesen. Bobbys Augen wurden weit, und er fragte in seinem
Erstaunen den ersten besten: "Was bist denn du für einer?!" "Ich? mein
Greenhorn! - Ich? Ich bin aus Texas!" Er drückte Bobby die Hand, daß
dieser vor Schmerz in die Knie mußte. - "Und ich!" ein zweiter drängte
sich vor, "und ich, Boy, bin ein Mexikaner! Doch bevor wir Freundschaft
trinken, muß ich dich erst mal - erschießen!" Der vierschrötige
Bärenhäuter legte auf Bobby seinen Trommelrevolver an. Die ganze Bar
lachte und krachte. Nach diesen schlimmen Späßen erhoben alle ihre
Gläser, und Bobby mußte die Runde bezahlen. Er wurde dabei seinen
letzten Cent los. Eingeschüchtert
und traurig um den Verlust seiner baren Münze verließ Bobby schleunigst
diese Schreckenskammer. - Im großen Saal in Dunst und Tabakqualm setzte
er sich an einen versteckten Tisch, der hinter einer Holzsäule stand.
Ihm war nicht wohl. Das wogende Gedränge erschien ihm schemenhaft, und
der ganze Raum machte auf ihn den Eindruck einer dumpfen unterirdischen
Höhle. Weit hinten in einer Ecke sah er - ohne sie zu hören - zwei
Neger "Banjo" spielen und weiter sah er - er sah es mit fieberigen
Augen - auf einem hohen Podium im leichten Gazeflitterröckchen ein
traumhaft schönes Mädchen tanzen. - Nun stand es fest, Marygold war
eine Tänzerin! Alles um ihn herum versank. - Wieder zur Besinnung
gekommen, befand er sich inmitten des Saales; eine athlethische
schwarze Lady im Sporttrikot führte ihn durch das Gedränge zum Podium.
- "My darling, box mit mir für'n Kuß!" Bobby folgte willig. Er sollte
also zur allgemeinen Belustigung beitragen. Was lag daran? Marygold
mußte es ja auch! Kaum saßen ihm die großen Boxhandschuhe an den
Händen, so hörte er ein Pfeifengetriller und hatte schon bereits einen
Kinnhaken, daß er wie eine Zeugpuppe vom Podium flog. Er
flog in die Falten eines Vorhangs, der durch den Anprall sich oben von
der Latte löste, auf ihn
herunterfiel und den armen Poeten vollständig
zudeckte. - Lange mochte er so gelegen haben, als ihn ein brummendes
"Him-hem-ham-hum" weckte. Bobby, noch immer unter dem Vorhang, schlug
seine brennenden Augenlider auf; er sah durch das fadenscheinige Gewebe
die schöne Tänzerin Marygold - und hinter ihr den finsteren Jim. - "Ich
dulde es nicht! Er ist ein guter und aufrichtiger Junge!" hörte Bobby
die melodische Stimme des schönen Mädchens.
Aber Jim brachte nur
"Him-hem-ham-hum !" heraus und erhob seine Hand, um sie zu schlagen.
Mit gewaltiger Anstrengung befreite sich nun Bobby Box und sprang wie
ein Wahnsinniger auf, um den Sheriff Jack Brown zu holen. Aber er kam
nur bis zu seinem Tisch, der während seiner Abwesenheit mit Flaschen
und Gläsern vollgestellt war, eine zarte Hand hielt ihn an der Schulter
fest. Es war Marygold, die blütenweiß und rein vor ihm stand mit
wunderbaren Flügeln aus frisch gefallenem Schnee. Sie schenkte zwei
Gläser roten Weines ein, von denen sie ihm eines darbot mit glücklichem
Lächeln. Die Gläser stießen leicht aneinander, und ihre schönen Augen
strahlten wie zwei Sterne durch den granatroten Wein. Bobby
Box konnte sein Glück nicht so
schnell fassen; es schien ihm
unwirklich. So dachte er sich auch nichts weiter dabei, daß er nun
selbst Flügel hatte, daß seine Füße sich vom Boden lösten und er mit
Marygold emporschwebte. Höher - höher ging es, Herz an Herz. - "Hollah,
zahlen!!!!" Was ist das? Ein ganz gemeiner Erdenbaß ließ sich von unten
hören. Bobby plumpste aus allen Himmeln. Der Wirt empfing ihn mit
zornrotem Gesicht und verlangte von ihm, daß er alles bezahlte, was
sich auf seinem Tisch an Flaschen zusammengefunden
hatte. Bobby aber
griff schnell nach Hut, Stock und Tasche und flog wie ein Pfeil aus dem
Saal hinaus. Draußen am Ausgang des Hauses sah er hinter einer
Holzsäule einen Fuß stehen, der einem Pferdehuf ähnlich sah. Er hob
dieses sonderbare Ding in die Höhe, Indem er mit dem Griff seines
Spazierstockes dahinterhakte. Rumps!!! Ein furchtbares Gepolter folgte!
- Es war der Fuß des im Hinterhalt lauernden Mr. Jim. Dieser lag nun in
Pick und Pack und Scherben drin. Vor Schreck verlor Bobby Box seine
Hose, die ihm auf die Füße fiel. Also Jim hatte einen Pferdefuß! Bobby
fand dies entsetzlich und wollte davonlaufen, aber die
heruntergerutschte Hose hinderte ihn. Schon hörte er Jims Pferdefuß
traben; das Traben erscholl näher, schwoll an zu einem Gestampfe von
hunderten galoppierenden und wiehernden Gäulen. In höchster Not kam
Bobby auf die ganz einfache Idee, die Hose hochzuziehen - und da
ging's. Er konnte laufen und sehr heftig sogar. Flugs war er draußen in
der frischen Nachtluft. Ein Windstoß aus dem verwunschenen Hause
brauste hinter ihm her - es mochte noch eine Verwünschung des Mr. Jim
sein, die ihm nacheilte. Schnell kroch Bobby in das nächste
Plankenloch. Hier in Sicherheit schaffte er sich eins-zwei-drei: ein
famoses Junggesellenheim, deckte sich zu, schlief ein und im Traum
wurde sein hartes Bett zu einer sanft wiegenden Schaukel. - Der Poet
Bobby träumte in Versen:
Sie
hat mich richtig angeflammt,
Mit
ihren Augen angebrannt!
Sie
liebt mich! - Jim kriegt jetzt den Rest!
Mensch,
Bobby halt die Hosen fest!!
Mein
Bobby, ach! wie bist du schneidig!
Unwiderstehlich...!"
- (es wäre leidig,
Wenn
Marygold auch noch zum Schluß
In
Liebeskummer leiden muß.)
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