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04.3
Märchen der
Völker
Stefan
Mart
Bobby Box
Siebentes
Abenteuer - Die Mausefalle
Amerikanische
Bildergeschichte
Eben
noch stand die Sonne blitzeblank am Himmel. Doch gleich darauf, als
unser Poet den letzten Höhengrat hinabstieg, lag unten in der Ebene
schon alles in Dämmerung gehüllt. Dunkle Ahnungen von kommendem Unheil
trieben ihn vorwärts - seiner Marygold mußte Gefahr drohen. Im Traum
hatte er den finsteren Mr. Jim gesehen, der nach Osten eilte, also in
Richtung der Poststation Norfolk, desselben Ortes, in dem Marygold
demnächst ihre Tanzkunst zu zeigen beabsichtigte. Bobby schaute nach
allen Himmelsrichtungen; wie sollte er in dieser Wüstenei den richtigen
Weg nach Norfolk finden? Er wollte sich schon auf seinen guten Stern
verlassen und darauflosmarschieren, als er im Schummerlicht ein
verhutzeltes Männchen erblickte, das inmitten eines Steingerölls saß
und scheinbar trübsinnig den Kopf stützte. - "Holla! wo geht der Weg
nach Norfolk?" rief Bobby den Griesgram an. - "Über die Talsenkung
hinaus!" antwortete das Männchen mit Grabesstimme, ohne den Kopf zu
heben. Bobby erschrak; hinter den knochigen Fingern sah er einen
lauernden Blick, in dem es teuflisch aufleuchtete. Das waren ja Mr.
Jims Augen; auch die Nase und das lange Kinn waren auffallend ähnlich.
Schnell wandte sich Bobby ab; doch als er sich bald darauf umsah, war
der unheimliche Kerl spurlos verschwunden. Aha! dachte Bobby Box: ein
Spuk - der Teufel ist am Werke! Er machte, daß er weiter kam.
In
der Talsenkung entdeckte er ein verborgen liegendes Haus, das recht
sonderbar ausschaute und trotz sorgsam verriegelter Fenster und Türen
alle Merkmale des Zerfalls und der Verkommenheit in sich trug. Wer
mochte hier hausen oder gehaust haben? Bobby wollte weiter, ihm
gruselte; aber eine unsichtbare Macht zog ihn die Stufen zur
Eingangstür hinauf. Schon
klopfte er. Nach kurzer Zeit klirrte ein Riegel, ein Spalt tat sich auf
und die Tür stand plötzlich
sperrangelweit offen, ohne daß jemand
sichtbar wurde. - "Gespensterbude !" entfuhr es Bobby, doch grüßte er
auf alle Fälle. "Good evening!" - Er nahm seinen Hut ab und schwenkte
ihn in die Leere hinein, um sich zu überzeugen, ob wirklich niemand
dort im Dunkeln verborgen stand. Wir wollen es dem Leser verraten: Mr.
Jim war es, der heimlich die Tür geöffnet, um Bobby hereinzulocken und
sich dann schleunigst wieder in eine Nische neben der Tür gedrückt
hatte. Die giftgetränkte Spitze des Indianerpfeils aber, die vorn aus
dem Hute des Dichters herausschaute,
hatte den heimtückischen Jim in
seinem Versteck erreicht, als Bobby seinen Melonenhut aufs Geratewohl
ins Haus schwenkte. Die wohlbekannte Habichtsnase bekam einen tiefen
Ritzer.
Bobby
selbst merkte nichts davon; doch als er immer wieder in die dunkle
Türöffnung starrte, kam ihm plötzlich der Gedanke: Marygold ist hier in
Gefahr! - Nun zwang er sich hineinzugehen. Psssst! Kaum hatte er einige
vorsichtige Schritte gemacht, schlug auch schon die Tür hinter ihm zu.
Ein donnerähnlicher Paukenwirbel folgte, und mit Quieken und Rumoren,
das wie Hohngelächter klang, empfing ihn eine Schar Ratten und
scheußliches Nachtgetier, das ihn im Kreise wild umtanzte. Bobby sprang
beiseite; da wankte auch schon der Boden unter seinen Füßen. Er war auf
eine Falltür geraten, die sich krachend geöffnet hatte und ihn in einer
Versenkung verschwinden ließ. Schwer fiel er in einen öden und leeren
Keller, in dem Moderluft und Grabesduft herrschte. Kaum war er nach dem
Sturze zur Besinnung gekommen, als er auch schon von unsichtbaren
Händen mit harten Stricken an einen Balken gebunden wurde. Jetzt ward
es Bobby klar, daß er dem teuflischen Mr. Jim in die Falle gegangen
war. Was nun? Wer sollte Marygold Hilfe bringen? Er selbst stand hier
gebunden - machtlos. -
Der
Staub, der in dichten Wolken aufgewirbelt war, krollte sich zur Erde.
Nun aber staunte Bobby doch: das Wort, welches er im Begriffe war
auszurufen, erstarb auf seinen Lippen. - An dem gegenüberliegenden
Balken, geknebelt und gefesselt, stand - Marygold. Deutlich sah er sie
in gespenstigem Lichte, das um sie herum geisterte. - "Servus,
Marygold!!! - O Marygold, hier müssen wir uns wiedersehn?" Aber
Marygold blieb stumm wie ein Fisch. - Zwei Menschen standen sich hier
in diesem weltvergessenen Kellergewölbe gegenüber, regungslos,
nur durch eine kurze Spanne getrennt. Doch diese Spanne erschien wie
eine Unermeßlichkeit, wie unerreichbare Ferne. - Ein dritter Mensch
gleich dem Dämon der Finsternis mit unförmlich geschwollener Nase und
wirren Augen schlich heran. "Him - hem - ham - hum!" Geldgierig griff
dieser Dritte in die Dollartasche, die vor den beiden Gefesselten lag.
- Ein gräßlicher Schrei der Enttäuschung und des Schmerzes zerriß die
qualvolle Stille. Statt in die Geldscheine hatte Mr. Jim in den Rachen
der wut-zischenden Klapperschlange
gegriffen. Er versuchte sie
abzuschütteln; aber die Giftzähne des Reptils saßen ihm fest in der
Hand. Nun sah Bobby Box, dessen Verwunderung kein Ende nahm, den
teuflischen Jim mit der noch freien Hand an einem Gegenstand hantieren,
der - seine Verwunderung wandelte sich in Entsetzen - wie eine mit
Sprengstoff gefüllte Bombe aussah. Eine weiße Schnur schaute aus einer
kleinen Offnung heraus. "Der Schuft legt Feuer an die Lunte!" schrie
Bobby in höchster Verzweiflung zu Marygold hinüber.
Marygold
aber sah nichts; vor ihren Augen lag eine breite Binde. Mr. Jim hatte
sich nach dieser ruchlosen Tat, mit seiner geschwollenen Nase und der
Klapperschlange in seinen noch von Geldgier gekrampften Fingern
rückwärts durch eine Wandtür gedrückt und war verschwunden. Hier also,
durch die bisher unsichtbar gewesene Tür, führte ein unterirdischer
Gang ins Freie. - Die Lunte schmorte. Der arme Bobby preßte seine
Augenlider fest zusammen, um Marygold nicht zu sehen. - "Verlorenes
Glück!" seufzte er, und vor seinem geistigen Auge sah er all seine
schönen Träume versinken: ein trautes Heim, spielende Kinder und eine
liebenswerte und schöne Lebensgefährtin! - "Das
wäre das richtige happyend gewesen!"
brachte der elegische Dichter
heraus und bedauerte jetzt, diesen verschwindenden Glückstraum nicht in
Versen besingen zu können. Er wurde aus diesen Gedanken herausgerissen;
seine Nase verzog sich, es roch nach verbrannter Baumwolle. Immer
weiter schmorte die Lunte. Der fressende Funke näherte sich mit
rasender Geschwindigkeit der Bombe. Rettung erschien aussichtslos.
Bobby machte nochmal eine
gewaltige Anstrengung, um sich aus den
Stricken zu befreien. - Doch was war das?! Seine Hand hatte den Griff
eines Messers gefaßt, das in seinem Rockschoß saß. - "Hallo - ein
Indianermesser!" Ein
Schnitt - die bösen Stricke flogen! - "O Herz,
schweig still! Das Gute muß doch schließlich siegen!" - Schnell war
auch Marygold befreit. - "Hallo - hier im Taschenbügel sitzt ein
Indianerbeil!" rief jetzt Marygold. Beide stürzten auf die Tür des
unterirdischen Ganges. - Ein Klang! Ein Knacks! Der Türverschluß
zersplitterte. - "Schnell, schnell hindurch! - Wer weiß, wer weiß?!"
Beide riefen es in fiebernder Hast und stürzten sich auch schon in den
aufwärtsstrebenden Schacht. Hinter ihnen auf dem Boden glomm und
sprühte es verdächtig. - Zwischen dem Steingeröll, da, wo das
verhutzelte Männchen gesessen hatte, gelangten Bobby und Marygold in
die Freiheit. Schwarz wie die Schornsteinfeger lugten sie hinter einer
Steinplatte hervor und harrten nun in freudiger Erregung der Dinge, die
da kommen sollten.- Plomparadomm! - Kopf weg! - Den Beiden dröhnte das
Trommelfell. Wie aus einem Böller geschossen, ging das Haus in die Luft.
Da
geht sie hin die gute Stube!
Es
bleibt nur noch die Kellergrube.
Die
Geisterbude ist zerstoben,
Die
Trümmer regnen noch von oben!
Als
Bobby diese Verse in das Getöse hineingeschrieen hatte, schauten sich
die beiden Geretteten an und lachten aus vollem Halse. Sie waren so
schwarz, daß sie sich kaum wieder erkannten. - Plötzlich wurde Bobby
ernst:
- "O
weh! meine schönen Dollarscheine sind mit in die Luft geflogen!"
-
"Nein!" lächelte Marygold.
Und
jetzt kam ein großer Augenblick; das Mädchen zählte dem erstaunten
Bobby aus ihrem Pompadour die 1000 Dollar einzeln in seinen Melonenhut.
Darauf ließ sie Bobby mit offenem
Munde stehen und ging ohne weitere Erklärung
daran, sich zu säubern und
zurechtzumachen.
Es
war einmal ein Mägdelein
Mit
Namen "Marygold", wie fein!
Die
wußte sich mit wenig Sachen
Gar
hübsch und nett zurechtzumachen.
Im
Täschchen trug sie allerhand,
Ein
Spiegel, der war schnell zur Hand,
Und
für das Blondhaar, wunderbar,
Der
nöt'ge Kamm war immer da.
Die
Lippen - es hatt' keine Not
Sie
waren von Natur aus rot;
Hier
brauchte nichts gekünstelt sein.
Es
war einmal ein Mägdelein...!
Im
Osten, aus dunklen Wolkentoren, brachen die ersten Sonnenstrahlen. Wie
eine schaumgeborene Venus stand Marygold im ersten Morgenlicht -; Bobby
gebärdete sich wie unsinnig:
O
Mary - Schönheitskönigin
Nimm
diese 1000 Dollar hin!
Doch
Marygold wies ihn ab und meinte lächelnd: "Bobby, mein liebes kleines
Kerlchen, behalt' Dein Geld; ich brauche kein's!" - Da! - über Busch
und Steppe klang es in lautem Chor: "Marygold! - Marygold!..." Die Post
aus Norfolk war da und ihr Losungswort hieß: Black Bell! Die starken,
breiten Männergestalten, die - bei Gott - Respekt einflößten und
lachend und rufend aus dem Wagen herauswinkten, verdrehten dem schönen
Mädchen den Kopf. Wieder tönte es in lautem Chor: "Come on, Marygold,
come on nach Black Bell und tanze!" - "'Bleib! Mary!" rief der kleine
Bobby dazwischen, "fahr nicht mit
nach diesem Sündenhort!" Aber
der Lockruf "Black Bell", wo es keinen "Teufel Jim" mehr gab, zog die
schöne Tänzerin mächtig an. Die Kutsche war nahe herangerollt, die
Peitsche knallte - Bobby war es, als ginge der ganze Postwagen mit Roß
und Rädern über ihn hinweg; die bunte Welt drehte sich um ihn herum,
Männer lachten, Pistolen knallten, Musik erscholl von allen Seiten,
Marygold tanzte und jubilierte. - Als alles um ihn herum wieder still
geworden, als alle Stimmen verstummt waren, fuhr die Postkutsche schon
weit hinter der Talsenkung. In der Ferne noch hallten die
Peitschenhiebe durch die Ebene. Bobby schaute sich um - Marygold war
verschwunden! - Recht höhnisch kam ein Wind daher und fuhr in seine
Dollarscheine, die er noch immer in seinem Hut von sich gestreckt
hielt. Jetzt Kopf hoch, Bobby! Jetzt heißt es philosophisch denken:
Es
bleibt mir - da
sie nicht gewollt
Im
Geist die bess're Marygold.
Mit
der gibt's keinen Ehezwist,
Vielleicht
es so viel schöner ist.
Die
Dollarscheine? -
Laß
sie fliegen!
Der,
der sie braucht,
Wird
sie schon kriegen!
Mich
kann das Geld
Nicht
glücklich machen.
Ich
werd' auch ohne
Wieder
lachen!
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