Wie Herr
Schoißengeyer zu
einem Christkindl kam - 3
Er schlich unbemerkt zu der Tür des
Zimmers, wo seit alterszeiten her der Christbaum für die kleinen
Schoißengeyer
aufgestellt wurde. Und wie einstens der Knabe sostand nun der alte Mann
und
Vater an dieser geheimnisvollen Tür – und lauschte. Er hatte Eduards
Stimme
gehört und gleich darauf Thildens helles Lachen. Jetzt aber rief sie
ängstlich
aus:
»Ach, Eduard! Ich kann dir gar nit
sagen, wie mir ist! Was wird der Vater sagen! Ach Gott, wenn nur das
schon überstanden wär!«
»Ja und Amen wird er
sagen, Thildchen! Mein liebes liebes Thildchen!«
Da hielts den Alten nimmer: vollbepackt,
wie er war, stürmte er in das halbdunkle Zimmer, ließ dort die
Schachteln und
»Packln« polternd fallen, eilte auf die verblüfften jungen Leute zu und
schloß
sie in einer
Umarmung an seine Brust.
»Kinder! Kinder!« Mehr brachte er nicht
heraus. Dafür aber küßte er zum erstenmal in seinem Leben ganz aus
eigenem
Antriebe seine zitternde Thilde und auch den wahrhaftig mehr als
erstaunt
dreinblickenden Neffen.
»Ja und Amen! Meinen Segen, Kinder!« Und
dann an der offenen Tür: »Mutter! Frau, Frau! Schnell kimm! 's
Christkindl is
da! A Verlobung hat's bracht! A Verlobung!«
Die Mutter kam jetzt sehr erhitzt
herbeigerannt.
»Still sein jetzt!« befahl Schoißengeyer
fröhlich. »Erst den Baum anzünden! Dann red
i!«
Man gehorchte. Aber merkwürdig kleinlaut
machten sich die drei an die Arbeit. Und allen dreien zitterten die
Hände. »Ja
's Glück! 's Glück!« dachte Herr Schoißengeyer und stellte sich mit
sehr viel
Selbstbewußtsein neben den im vollsten Lichterglanze prangenden Baum.
Jetzt
aber kam das Zittern an ihn. Ja das Reden! Es ist halt doch immer eine
eigene
Sache das! Er wischte sich die Stirn ab, räusperte sich und begann
endlich:
»Alsdann, daß i's kurz mach: ihr seid's
verlobt ...« Er stockte: Wie die Drei da wieder lächelten! Hm!
Wenn die
Angst lachen könnt, just so müßt sie lachen, dachte er. Dann aber rief
er
beleidigt:
»Na! I red nix mehr! Oes lachts mi ja
aus alle miteinander!«
»Aber nein, Vater!« sagte jetzt Thilde
mutig. »Wir lachn ja nur, weil – weil ... Weißt Vater, weil du
uns
zwei verloben
willst ...«
»Uns
zwei! Uns
zwei! Was sagst denn das so? Und is das was zum Lachen?«
»Aber ja! Natürlich, Vater! Wir zwei,
wir sind ja nämlich schon längst – verheiratet ...«
»Wa–as ...?«
»Ja, Vater! verzeih – das ist nämlich mein
Eduard – der Eduard Flemming, der Maler ...«
Herr Schoißengeyer sah Thilde sehr
bedenklich an und machte dann, gegen die Mutter gewendet, eine
Handbewegung
nach der Stirn, als wollt er sagen: »Mir scheint!«
Frau Marie aber trat zu ihm hin und
sagte sehr lieb und sehr befangen: »Ja, Toni – es ist so, wie sie sagt.«
»Macht's kan dummen Spaß mit mir!
Hört's! Der Hannes, mein Bruder hat doch gschriebn!«
»War einverstanden!«
»Und der Rudolf, in Eduard sein Vater?«
»War einverstanden!«
Jetzt kam der kritische Augenblick: Herr
Schoißengeyer wollte wild werden. Da aber sank Thilde wie bei ihrer
Heimkehr zu
seinen Füßen und blickte stumm zu ihm auf. Und stumm flehten ihre
großen
dunklen Augen. Und
Eduard – tat das gleiche. Und die Mutter – tat das gleiche.
Da lachte Herr Schoißengeyer laut auf.
Das klang zunächst geradezu fürchterlich: zornig, wild wütend und so
recht
eigentlich wie ein lautes heulendes Weinen. Dann aber wurde er milder,
und
endlich rannen dem guten alten Selbstling wirklich die Tränen über die
erst
zornesbleichen, dann schamrot brennenden Wangen.
»Verzeih uns halt allen,« flehte Frau
Marie gerührt. »Wir stehn nit früher auf.«
»In Gotts Nam. I kann ja nit anders!« –
Nun wurde er
in eine
Umarmung
eingeschlossen von den glücklichen Dreien.
Thilde war die erste, die sich loslöste.
In frauenhaft freudiger Erregung und liebevoller Eile huschte sie ins
Nebenzimmer. In frauenhafter Ruhe
und leuchtender
Glückseligkeit kehrte sie in wenigen Augenblicken wieder. In ihren
Armen aber
trug sie ein süßes Etwas, eingehüllt in eine duftige Wolke von Spitzen
und
Schleiern. Mit einem liebwarmen Blick nach dem Vater sagte sie voll
holder
Scheu und voll schlichten Stolzes:
»Vater, da schau her! Da bring ich dir –
's Christkinderl! Wir habens erst heut kommen lassen.«
Herr Schoißengeyer beugte sich über die
Wolke von Spitzen und Schleiern – und sah ein rosiges
Kinderangesichtchen.
»Um Gottes willen, was ist denn das?«
»Das ist unser Kinderl, Vater! Toni
heißt's wie du – ist aber ein Mäderl.«
»Was! A Kind habt's aa schon und i waß
nix davon?«
»Ja, weißt Vater – schau, was hätt's
denn auch gnützt? Und dann – sag's du, Eduard!«
»Ja, Vater, siehst, das war so. Grad
damals hab ich mir dacht: so geht's nimmer weiter. Da muß was gschehn!
Und da
ist mir der ganze tolle Plan eingefallen, dich so im gutem,
weißt ...«
»Herumzkriagn! Nit wahr? Den altn
Dickschädl den! Wirst dir denkt habn.«
»Denken
kann man sich so
etwas schon ... und du – du darfst's auch sagen!«
»Hm! Du! Na wart nur! Hahaha! Das wird
angfeucht! So was! Hohohaa! Aber schen war das von enk alle nit,
daß ...«
»Ja mein Gott, Vater, schau! Wie anders
wärn wir denn zum Ziel kommen auf gute Weis? Thilde tät sich noch immer
die
Augen ausweinen – und jetzt ist sie glücklich! Und wir alle – du auch!
Leugne
es nur nicht!«
»In Gotts Nam ja! Ich auch!«
An
diesem Abend wurde wieder
ausnahmsweise Rüdesheimer »angestochen« – aber nicht bloß eine Flasche.
Und schließlich war es nicht der Rüdesheimer allein, der
»angestochen«
war.