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04.3
Walter Rheiner
KOKAIN
Novelle
IV
Ja,
siehe,
da standen die bebenden
Sterne wieder still, einen Augenblick lang. Heiliges
Gift! Heiliges Gift! - Das fühlte Tobias und sah
den Dämon,
der ihm ebenso vertraut wie
schrecklich war, weit über
dem nächtigen
Himmel stehen. Er wußte und flüsterte es ins
Firmament
hinauf: "Du bist der Tod, die Gnade und das
Leben. Du hast keinen Gott neben dir!"
Er ging die Straße
wieder hinab.
An
der Kreuzung des
Kurfürstendamm
betrat er die grün erleuchtete
Rotunde. Ein älterer Herr war darin und ordnete
seine Kleider, als Tobias sich an ein
Abteil stellte und Vorbereitungen traf, um zu urinieren.
Tobias
fühlte
sich beobachtet. Seine Hände flogen ratlos an seinem
Anzug hin und her. Er
konnte keinen Augenblick still stehen, er wandte
sich um, wechselte das Abteil, befühlte
alle Taschen seines Anzugs, tastete nach Flasche und Spritze und
schaute schließlich ratlos in die Augen
des Herrn, der lange
fertig zum Fortgehen war und ihn aufmerksam und mit kalter Ruhe
betrachtete.
Schließlich
ging er
und ließ Tobias in heller
Verzweiflung zurück ...
Um Gottes willen! Das war ein Detektiv, ein Sanitätsbeamter, ein
Abgesandter der Mutter, der er
vorhin begegnet war und die sich vor ihm
verbarg!
Minutenlang stand Tobias
ratlos
in diesem achteckigen übelriechenden Raum, an dessen Wänden ein
schleimiges Wasser
niederrann und
von Zeit zu Zeit
plötzlich aufzischte, als wolle es ihn angeifern.
Gewißlich standen
sie jetzt draußen im Kreis um die Rotunde, ein
schweigender Kordon.
Handschellen klirrten, Zwangsjacke
war zum Überwerfen bereit. Ein Schluchzen
würgte Tobias' Kehle, die beizend trocken war. Durst! Durst! ...
In letzter Wirrnis zu allem entschlossen, verließ er
schließlich die Bude und wankte ins Freie hinaus.
Er war sehr
erstaunt, niemand vorzufinden, der auf ihn lauerte.
Doch
da (... jäher Schreck schraubte ihm die Augen in den Kopf ...) da stand
der alte Herr und pfiff. Pfiff laut, einmal, zweimal!
Halt! Halt!
- Tobias rannte auf ihn zu, zog schlotternd den
Hut und sprach ihn atemlos an: "Sie müssen sich nicht wundern, Herr,
daß ich so aufgeregt bin! Ich habe ein schreckliches Erlebnis hinter
mir! Ich versichere Ihnen wirklich, glauben Sie mir: ich bin nicht wahnsinnig! Noch
nicht! Auch nicht betrunken oder vergiftet! Glauben Sie mir!
Pfeifen Sie nicht Ihren Leuten! Lassen Sie mich gehen!
Verwundert
maß ihn der Herr vom Kopf bis zu den Füßen. Er
trat einen Schritt zurück und sagte: "Wie meinen Sie? Ich verstehe Sie
nicht. Was gehen Sie mich denn an? Ich pfeife meinem Hunde."
Er pfiff wieder. Da kam ein dunkler Schäferhund gelaufen,
schweifwedelnd sprang er auf seinen Herrn zu.
"Entschuldigen Sie", murmelte Tobias und zog sich schnell
zurück. Sicherlich war das eine Falle! Oh, er hatte das heimliche
Blinken in den Augen des Herrn gesehen! Hier galt es, sich in
Sicherheit zu bringen.
Tobias wandte
sich zur Kaiserallee und rannte ein
Stück unter den Bäumen,
bis ihm die Brust zu bersten drohte. Er blieb stehen und sah sich um.
Tiefe Nacht und kein Mensch zu sehen. Die Normaluhr zeigte halb eins.
weiter
oben
_________________________________
Textgrundlage: „Kokain“, Novelle,
Walter Rheiner.
Die Originalausgabe erschien mit sieben Zeichnungen von
Felixmüller im Dresdner Verlag von 1917, Dresden 1918
bookos.org
Logo
514: Editorial cartoon showing Uncle Sam bothered by
Demon Rum
and the various
monstors of drug addition which follow him.
1919,
gemeinfrei
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