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04.2
Walter Serner
Zum
blauen Affen
dreiunddreißig hahnebüchene Geschichen
Quellenangabe
ZWEI
OCHSEN
Ein
Geräusch, als scharrten hundert Hühner, begann
andauernd zu werden.
Pufke
tat, als liesse er sich nicht stören: „Ja, ik
lieje kaum auf det Sofa neben die Vabindungstür, die mir von meinem
Nachbar
trennte . . .“
„Daher
der Name Verbindungstür,“ stöhnte Pollak. „Also
ik sitze möjlichst vornehm im Boardinghouse,
Kurfürstendamm. Da platzt een Rohrpostwisch: ‚Löser stinkt schon. Sag
schön
adieu. Aber fixe. Dein Bumbum!’ Klingeln, Packen, Auto war eens.“
„Drei!“
höhnte Pollak.
„Moment! Kennste die Rita Pepilla? Schonglöse! Nich?“
Pollaks Zungenspitze liebkoste verächtlich seine Oberlippe.
„Na,
die hockte damals im selben Jang und besuchte mir
jerade beis heftigste Packen. ‚Wat machste denn?‘ haucht die Jans, ‚Ik
ziehe
aus,‘ saje ik und denke mir: zaspring! ‚Nanu, aba wohin denn?‘ fragt
sie und
jlotzt wie der janze Zoo. ‚In die Schweiz!‘ saje ik. Nu aba kiekst det
Biest,
det die janze Anstalt wackelt und ik ihr mit ner Socke die Fresse
stopfen muss
. . .“
„Mahlzeit!“
Pollak resignierte gut gebrochenen Auges.
„Ab'an
feines Weib jewesen, die Rita – fffffffff . . .
Moment!“ Pufke sprang auf und stiess einem allem menschlichen Ermessen
nach
jüngeren Fräulein, das seit längerem mit einer Miederplanchette
ohrenbetäubend
einen Blechtopf malträtierte, diesen mit dem Fuss aus der Hand: „Ik
werde dir
jeben!“
„Tempus
falsch, Vokabel falsch!“ stellte Pollak, sich
bemühend, deutlich zu grinsen, sachlich fest.
„Halt
die Schnute!“ schrie Pufke, sehr ärgerlich, weil
er es für eine Beleidigung hielt und Emma, das jüngere Fräulein,
sichtlich
Ohnmachtsähnliches produzierte.
„Julius,
Haltung! Emmachen s-t-simuliert!“ probierte
Pollak, das schwarze Auge unverwandt auf Emma gezielt.
„Ph!“
liess diese augenblicklich sich vernehmen und
drehte sehr geschmeidig die halbnackten Schultern. „Quatschköppe! Von
heute an
schlafe ik überhaupt nur noch mit meine Plüschpuppe.“
„Lebensgroß?“
hauchte Pollak.
„Hat
sich was mit euch.“ Emmas Linke ergriff energisch
und vielversprechend
ihren Busen. Gleichwohl senkte sie
ein Auge langsam auf Pollak.
„Je
nun, Plüsch macht heiss!“ Pufkes Hochdeutsch
sollte die soeben erlangte Haltung unterstreichen, hatte jedoch
lediglich das
oft schon stattgefundene Schicksal, ganz ausserordentlich komisch zu
wirken.
Man
rülpste, gluckste, kicherte und summte einher.
Pufke,
nichts Böses ahnend, hub an weiter zu erzählen:
„In der Schweiz . . .“
„Kusch!“
zischte Emma. „Deine Rita is uns zwida.“
Und
Pollak fiel prompt ein: „Jules, sei nich so kühl.“
Pufke
fühlte auch jetzt noch nichts dräuen und schlug
grossartig vor, zu pokern.
Da es
sich alsbald herausstellte, dass die zu dieser
Beschäftigung erforderliche Zahl von Karten bloss um achtzehn herum
sich
bewegte, ordnete Emma entschlossen ihre Coiffure, erhob sich
herausfordernd
kompliziert und spie kräftig, aber formvollendet ins Zimmer.
„Na
det is aba . . .“ Pufke liess beunruhigt die
Karten knattern.
Pollaks
Haupt pendelte teils sorgenschwer, teils
hoffnungsträchtig.
Plötzlich
drehte Emma sich auf ihrem Absatz herum
(besonders schwungsicher, weil gummilos), hieb mit der Hand durch die
Luft, dass
die Finger scharf pfitschten, und flötete: „Salo, Süsser, kommste mit?“
Die
Karten in Pufkes Hand erzitterten, als wollten sie
sich beliebt machen.
Als
aber Pollaks östliche Beine in entzückte
Bewegungen gerieten und schliesslich ins Gehen, fasste sich Pufke und
persiflierte trompetend: „Emma, geliebte Emma, du bist ein Aas von
hinten und
von vorn.“
„Zu
spät!“ spottete Pollak und fing sich kess Emmas
Hüfte.
„Leb
wohl, Julius,“ sagte Emma ernst, schon auf der
Schwelle, und absichtlich zögernd: „Junge, Junge!“
Pufke
schmiss ihr die Karten nach, naturgemäss
ergebnislos, und deshalb hinterher einen angebissenen Apfel, der das
Glück
hatte, auf Pollaks hochtrabend zurückgewandter Nase anzukommen.
Pollak
schrie wie gelernt auf und warf sich, vor Wut
krummer als sonst, auf Pufke.
Stampfen.
Keuchen. Stossen. Wälzen. Staub.
„So.“
Emma zückte, die Klinke im Fäustchen, etwas
Dunkles, Rundes, rief: „Balgt euch nur, bis euch der Magen ins Maul
hüpft, ihr Ochsen! Det Jeld habe ik, vastanden!“ und schmetterte
mit der Tür, nicht ohne sie abzusperren.
Pufke
und Pollak ließen augenblicklich von einander ab
und blickten sich tief in die Augen.
Endlich
lispelte Pollak: “Wir Ochsen.“
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