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Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen





Deutscher Barock
Paul Fleming



 An Anna, die Spröde

Als Echo ward zu einem Schalle,
Zu einer unbeleibten Luft,
Die durch das Tal mit halbem Halle
Die, so sie rufen, wieder ruft,
Da ward der hohle Wald voll Klage,
Das feige Wild stund als betört,
Die Nymphen ruften Nacht und Tage,
Wo bist du, Lust, die man nur hört?

Narzissus, dir ist recht geschehen,
Vor sahst du sie und wolltst sie nicht.
Itzt willt du, die du nicht kannst sehen,
Und hörst nur, was sie dir nachspricht.
Der Brunnen, der dich dich ließ schauen,
Der strafte deinen stolzen Mut,
Daß nun nicht eine von den Frauen
Dir bis auf diesen Tag ist gut.

Nicht, nicht so ist mein Sinn gesinnet,
Bei mir ist alles umgewandt.
Ich liebe, die mir Böses gönnet,
Ich folge der, die nicht hält Stand.
Ich lauf, ich ruf, ich bitt, ich weine,
Sie weicht und schweigt und stellt sich taub;
Sie leugnets und ists doch alleine,
Die mir mein Herze nimmt in Raub.

Ach, Freundin, scheu der Götter Rache,
Daß du dir nicht zu sehr gefällst,
Daß Amor nicht einst deiner lache,
Den du itzt höhnst und spöttlich hältst,
Daß, weil du nichts von mir willst wissen,
Ich nicht mit Echo lasse mich,
Und du denn müssest mit Narzissen
Selbst lieben und doch hassen dich.

 An Elsabe

Es ist umsonst, das Klagen,
Das du um mich
Und ich um dich,
Wir umeinander tragen.
Sie ist umsonst, die harte Pein,
Mit der wir itzt umfangen sein.

Laß das Verhängnüs walten.
Was dich dort ziert
Und mich hier führt,
Das wird uns doch erhalten.
Dies, was uns itzt so sehr betrübt,
Ists dennoch, das uns Freude gibt.

Sei unterdessen meine,
Mein mehr als ich,
Und schau auf mich,
Daß ich bin ewig deine.
Vertraute Liebe weichet nicht,
Hält allzeit, was sie einmal spricht.

Auf alle meine Treue
Sag ich dirs zu:
Du bist es, du,
Der ich mich einig freue.
Mein Herze, das sich itzt so quält,
Hat dich und keine sonst erwählt.

Bleib, wie ich dich verlassen,
Daß ich dich einst,
Die du itzt weinst,
Mit Lachen mag umfassen.
Dies soll für diese kurze Pein
Uns ewig unsre Freude sein.

Eilt, lauft, ihr trüben Tage,
Eilt, lauft vorbei!
Eilt, macht mich frei
Von aller meiner Plage!
Eilt, kommt, ihr hellen Stunden ihr,
Die mich gewähren alle Zier.

 Elsgens treues Herz

Ein getreues Herze wissen,
Hat des höchsten Schatzes Preis.
Der ist selig zu begrüßen,
Der ein treues Herze weiß.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.

Läuft das Glücke gleich zu Zeiten
Anders, als man will und meint,
Ein getreues Herz hilft streiten
Wider alles, was ist feind.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.

Sein Vergnügen steht alleine
In des andern Redligkeit,
Hält des andern Not für seine,
Weicht nicht, auch bei böser Zeit.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.

Gunst, die kehrt sich nach dem Glücke,
Geld und Reichtum, das zerstäubt.
Schönheit läßt uns bald zurücke;
Ein getreues Herze bleibt.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.

Eins ist da sein und geschieden,
Ein getreues Herze hält,
Gibt sich allezeit zufrieden,
Steht auf, wenn es niederfällt.
lch bin froh bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.

Nichts ist Süßers, als zwei Treue,
Wenn sie eines worden sein.
Dies ists, daß ich rnich erfreue,
Und sie gibt ihr Ja auch drein.
Mir ist wohl bei höchstem Schmerze;
Denn ich weiß ein treues Herze.


 An Deutschland

Ja, Mutter, es ist wahr: ich habe diese Zeit,
Die Jugend, mehr als faul und übel angewendet.
Ich hab es nicht getan, wie ich mich dir verpfändet.
So lange bin ich aus, und denke noch so weit.

Ach, Mutter, zürne nicht; es ist mir mehr als leid,
Der Vorwitz, dieser Mut, hat mich zu sehr verblendet.
Nun hab ich allzuweit von dir, Trost, abgeländet
Und kann es ändern nicht, wie hoch es mich auch reut.

Ich bin ein schwaches Boot, ans große Schiff gehangen,
Muß folgen, wie und wenn und wo man denkt hinaus.
Ich will gleich oder nicht. Es wird nichts anders draus.

Indessen meine nicht, o du mein schwer Verlangen,
Ich denke nicht auf dich und was mir Frommen bringt.
Der wohnet überall, der nach der Tugend ringt.

 Also hat Gott die Welt geliebet

Ists müglich, daß der Haß auch kann geliebet sein?
Ja, Liebe, sonst war nichts, an dem du künntest weisen,
Wie stark dein Feuer sei, als an dem kalten Eisen
Der ausgestählten Welt. Du, höchster Sonnenschein,

Wirfst deiner Strahlen Glut in unser Eis herein,
Machst Tag aus unsrer Nacht, und, was noch mehr zu preisen,
Du wirst des Armuts Schatz, des Hungers süße Speisen,
Gibst Himmel für die Welt, o Pein der Höllenpein!

O Todes Gift und Tod, o wahrer Freund der Feinde,
O Meister, der du auch dein Werk dir machst zum Freunde,
Wirst deiner Diener Knecht, wirst deiner Tochter Kind.

Was tu ich, daß ich doch den Abgrund will ergründen!
Ich weiß so wenig mich in dieses Tun zu finden,
So viel du höher bist, als alle Menschen sind.


 In allen meinen Taten

In allen meinen Taten
Laß ich den Höchsten raten,
Der alles kann und hat.
Er muß zu allen Dingen,
Solls anders wohl gelingen,
Selbst geben Rat und Tat.

Nichts ist es spat und frühe,
Um alle meine Mühe,
Mein Sorgen ist umsonst:
Er mags mit meinen Sachen
Nach seinem Willen machen,
Ich stells in seine Gunst.

Es kann mir nichts geschehen,
Als was er hat versehen
Und was mir selig ist.
Ich nehm es, wie ers giebet;
Was ihm von mir geliebet,
Das hab auch ich erkiest.

Er wolle meiner Sünden
In Gnaden mich entbinden,
Durchstreichen meine Schuld!
Er wird auf mein Verbrechen
Nicht stracks das Urteil sprechen,
Und haben noch Geduld.

Ich zieh in ferne Lande
Zu nützen einem Stande,
An den er mich bestellt.
Sein Segen wird mir lassen,
Was gut und recht ist, fassen,
Zu dienen seiner Welt.

Bin ich in wilder Wüsten,
So bin ich doch bei Christen,
Und Christus ist bei mir.
Der Helfer in Gefahren
Der kann mich doch bewahren,
Wie dorte, so auch hier.

Sein Engel, der getreue,
Macht meine Feinde scheue,
Tritt zwischen mich und sie.
Durch seinen Zug, den frommen,
Sind wir so weit nun kommen
Und wissen fast nicht wie.

Hat er es denn beschlossen,
So will ich unverdrossen
An mein Verhängnüs gehn.
Kein Unfall unter allen
Wird mir zu harte fallen,
Ich will ihn überstehn.

Ihm hab ich mich ergeben,
Zu sterben und zu leben,
Sobald er mir gebeut.
Es sei heut oder morgen,
Dafür laß ich ihn sorgen,
Er weiß die rechte Zeit.

So sei nun, Seele, deine
Und traue dem alleine,
Der dich geschaffen hat!
Es gehe, wie es gehe,
Dein Vater in der Höhe
Weiß allen Sachen Rat.

 Gedancken / über der Zeit

Jhr lebet in der Zeit / und kennt doch keine Zeit /
So wisst Jhr Menschen nicht von / und in was Jhr seyd.
Diß wisst Jhr / daß ihr seyd in einer Zeit gebohren.
Und daß ihr werdet auch in einer Zeit verlohren.
Was aber war die Zeit / die euch in sich gebracht?
Und was wird diese seyn / die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was / und nichts. Der Mensch in gleichem Falle.
Doch was dasselbe was / und nichts sey / zweifeln alle.
Die Zeit die stirbt in sich / und zeucht sich auch aus sich.
Diß kömmt aus mir und dir / von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen.
Doch aber muß der Mensch / wenn sie noch bleibet / weichen.
Die Zeit ist / was ihr seyd / und ihr seyd / was die Zeit
Nur daß ihr Wenger noch / als was die Zeit ist / seyd.
Ach daß doch jene Zeit / die ohne Zeit ist kähme
Und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nahme.
Und aus uns selbsten uns / daß wir gleich köndten seyn
Wie der itzt / jener Zeit / die keine Zeit geht ein!

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