lifedays-seite

moment in time



 
Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Deutscher Barock





Die germanistische Forschung hat sich lange Zeit auf eine Deutung Opitz' als des genialen "Schöpfers" der deutschen Dichtersprache kapriziert. Das Buch von der Deutschen Poeterey bietet im Wesentlichen eine Reproduktion der humanistischen Poetik Scaligers. Dennoch war Opitz' Übertragung dieser lateinischen Dichtungslehre ins Deutsche sehr wirkungsvoll. In der Opitznachfolge entstanden weitere bedeutende Lehrbücher der Poesie, u.a. von August Buchner, Georg Philipp Harsdörffer und Sigmund von Birken. Die Bedeutung von Opitz wird immer noch überschätzt, eine Bewertung, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Damals wusste man noch nicht, wie vielfältig das Schrifttum des 17. Jahrhunderts wirklich ist und konzentrierte sich auf einige wenige "bedeutende" Dichter. Es gibt eine Unzahl von Editionen, Auflagen und Kommentaren der Poeterey, ein Ende ist nicht abzusehen. Was jedoch immer gleich bleibt, ist die Wiederholung der Bedeutung, die Opitz für die Verslehre hatte. Dies hat auch zu abstrusen "wissenschaftlichen" Theorien geführt. Eine originelle Deutung der Reform von Opitz mit seiner starken Betonung des Alternierens von Hebung und Senkung versucht Nicola Kaminski, wenn sie die poetische Reform als Reaktion auf die Militärreform von Moritz von Oranien interpretiert.


Werke im Original:

  Eile der Liebe

Ach, Liebste, lass uns eilen,
     So lang’ es Zeit;
Es schadet das Verweilen
     Uns beiderseit.

Der edlen Schönheit Gaben
     Fliehn Fuss für Fuss,
Dass alles, was wir haben,
     Verschwinden muss.

Der Wangen Zier verbleichet,
     Das Haar wird greis,
Der Augen Feuer weichet,
     Die Brunst wird Eis.

Das Mündlein von Korallen
     Wird ungestalt,
Die Hände auch verfallen,
     Und du wirst alt.

Drum lass uns jetzt geniessen
     Der Jugend Frucht,
Bevor wir folgen müssen
     Der Jahre Flucht!
Nach Martin Opitz von Boberfeld.
(1597–1639.)

 Sonett

Ihr Himmel, Luft und Wind, ihr Hügel voll von Schatten,
ihr Hainen, ihr Gebüsch und du, du edler Wein,
ihr frischen Brunnen ihr, so reich an Wasser sein,
ihr Wüsten, die ihr stets müßt an der Sonnen braten,

ihr durch den weißen Tau bereiften schönen Saaten,
ihr Höhlen voller Moos, ihr aufgeritzten Stein',
ihr Felder, welche ziert der zarten Blumen Schein,
ihr Felsen, wo die Reim' am besten mir geraten -

weil ich ja Flavien, das ich noch nie tun können,
muß geben gute Nacht und gleichwohl Mut und Sinnen
sich fürchten allezeit und weichen hinter sich,

so bitt ich, Himmel, Lüft, Wind, Hügel, Hainen, Wälder,
Wein, Brunnen, Wüstenei, Saat, Höhlen, Steine, Felder
und Felsen: sagt es ihr, sagt es ihr für mich!

 Ode

 - Verwendet wurde die Ausgabe letzter Hand: Martini Opitii Weltliche Poemata. Der Ander Theil. Zum vierdten mal vermehret vnd vbersehen herauß gegeben. Franckfurt / In Verlegung Thomae Matthiae Goetzen / Im Jahr M. DC. XXXIV. -

Ich empfinde fast ein Grawen
Daß ich / Plato / für vnd für
Bin gesessen über dir;
Es ist Zeit hinauß zu schawen /
Vnd sich bey den frischen Quellen
In dem grünen zu ergehn /
Wo die schönen Blumen stehn /
Vnd die Fischer Netze stellen.

Worzu dienet das studieren
Als zu lauter Vngemach?
Vnter dessen laufft die Bach
Vnsers Lebens das wir führen /
Ehe wir es inne werden /
Auff jhr letztes Ende hin /
Dann kömpt ohne Geist vnd Sinn
Dieses alles in die Erden.

Hola / Junger / geh’ vnd frage
Wo der beste Trunck mag seyn /
Nimb den Krug / vnd fülle wein.
Alles Trawren / Leid vnd Klage
Wie wir Menschen täglich haben
Eh’ vns Clotho[1] fort gerafft
Will ich in den süssen Safft
Den die Traube gibt vergraben.

Kauffe gleichfals auch Melonen
Vnd vergieß deß Zuckers nicht;
Schawe nur daß nichts gebricht.
Jener mag der Heller schonen /
Der bey seinem Gold’ vnd Schätzen
Tolle sich zu krencken pflegt /
Vnd nicht satt zu Bette legt:
Ich wil weil ich kann mich letzen.

Bitte meine gute Brüder
Auff die Music vnd ein Glaß:
Kein ding schickt sich / dünckt mich / baß /
Als ein Trunck vnd gute Lieder.
Laß’ ich schon nicht viel zu erben /
Ey so hab ich edlen Wein;
Wil mit andern lustig seyn /
Wann ich gleich allein muß sterben.


 Das Fieberliedlin

     Nechst als zugleiche lagen
Zwey Lieb in Fiebers Schmertz
Sprach er: ich bin zu tragen
Für dich bereit, mein Hertz,
Für dich bin ich bereit zu leiden,
Und soll sich meine Seele scheiden.

     Er lag in heißer Flammen,
Die Sprache ließ schon nach,
Die Hitze kam zusammen,
Der Puls schlug sehr gemach;
Empfund doch mitten in dem Leiden,
Weil er bey ihr wahr, Lust und Freuden.

     Sie schlug die Augen nieder,
Als er fiel in den Tod,
Er wandte hin und wieder
Sein Haupt in letzter Noth,
Sein Hertz ward matt, die Adern sprungen,
Der Geist wurd auszufahrn gezwungen.

     Sie sprach: mein Lieb, mein Leben,
Ich schwimme wegen dein,
Und ich, er sagt, muß geben
Für dich mein Seelelein,
So ist er in der Schoß gestorben,
Die er so treulich hatt erworben.

Dieses schöne Lied befindet sich, so viel wir wissen, nirgends als in der höchst seltenen, von Zincgref besorgten Ausgabe von Opitzens Gedichten, Straßburg 1624. in






oben
_________________________________
Textgrundlage aus: "Zehnte Muse",  Eile der LiebeMartin Opitz von Boberfeld,
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom
Brettl und fürs Brettl. S. 80, Herausgeber: Maximillian Bern, ED: 1904,
Verlag Otto Eisner, EO: Berlin

Textgrundlage: Sonett, Martin Opitz von Beberfeld,
 Studio für alte Literatur

Textgrundlage: „Ode“  Martin Opitz:  aus Gedichte. Hg. Jan-Dirk Müller.
Philipp Reclam Jun. Stuttgart 1995 (1. Ausgabe 1970),
S. 167-168. ED: 1995

Textgrundlage: "
Das Fieberliedlin", Martin Opitz. aus: Wünschelruthe -
Ein Zeitblatt. Nr. 6, S. 21, ED: 1818, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, EO: Göttingen

  
Logo 407: "Still-Life" with Musical Instruments, Pieter Claesz, 1623, gemeinfrei
wikipedia

   lifedays-seite - moment in time