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Kaspar Stieler  - zurück
Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Deutscher Barock





Werke im Original


Aus: Kaspar Stieler "Die Geharnischte Venus" oder Liebes=Lieder im Kriege gedich=tet mit neuen Gesang=Weisen zu singen und zu spielen gesezzet nebenst ettlichen Sinnreden der Liebe. Verfertigt und Lustigen Gemüthern zu Gefallen herausgegeben von "Filidor dem Dorfferer", Hamburg/ Gedrukkt bey Christian Guht/ Buchhändlers im Thurm/ Im Jahr 1660

Textgrundlage




Wer Ernst und Eyffer liebt und nie bei

Lust gewesen:
hat meine Venus noch zu singen/noch zu lesen.


Ein jeder/was ihm gefället

1.
Wer will/kann ein gekröntes Buch
von schwarzen Krieges=zeilen schreiben:
Ich will auff Venus Angesuch
ihr süsses Liebes-handwerk treiben:
Ich brenne. Wer nicht brennen kan/
fang ein berühmter Wesen an.

2.
Ich sehe vor mir Blut und Staub/
und tausent Mann gewaffnet liegen/
ich sehe/wie auff Sieg und Raub
so viel vergöldte Fahnen fliegen:
doch brenn‘ ich. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

3.
Ich höre der Trompeten Schall/
der Paukken Lerm/den klang der Waffen/
der schrekkenden Kartaunen knall/
der Büchsen und Musketen paffen
und brenne. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

4.
Ich hätte die Gelegenheit
ein neues Ilium zumelden:
Es gibt mir Anlaß mancher Streit!
so vieler ritterlichen Helden:
Doch brenn ich. Wer nicht brennen ka/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

6.
Ich spür auch hier Ulyssens Wizz/
mich reizen Hektors tapfre Tahten:
Was hilffts? mich läst die Liebes-hizz‘
auff andere Künste nicht gerathen.
Ich brenne. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

6.
Was mein beflammtes Herze hegt/
zieht meinen Geist von seiner Erden:
hätt‘ Amors Gluht mich nicht geregt/
wie würd‘ ich je beschrieen werden?
Nun brenn‘ ich. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

7.
Was mir die Venus predigt ein
samt ihrem lieblichem Empusen/
mag meines Nahmens Lorber sein:
Sonst brauch‘ ich keiner andern Musen.
Ich brenne. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

8.
Was frag‘ ich nach der Alten Neid/
was nach dem stumpfen Tadler-besen!
Es ist genug/wenn nach der Zeit
mich liebe Jungfern werden lesen.
Ich brenne. Wer nicht brennen kan/
fang‘ ein berühmter Wesen an.

9.
Ich weiß/wenn ich verweset bin/
wird mich das junge Volk betrauren/
und sagen: Ach/daß der ist hin
den Venus ewig hiesse dauren!
Wer aber nimmer brennen kan/
wird keine Venus fangen an.

 Der Filidor

I.
Die goldne Nacht-Laterne
mit ihrem Sternen-Chor?
erstarret und höret gerne/
wie süß der Filidor
auff seiner Flöten spielte/
auch so/daß alle Welt
die süsse Flamme fühlet
so Filidor vermeldt.

2.
Das Lieben ist ein Kriegen
und zwar ein süsser Streit.
Wer nicht will unten liegen/
der muß in Feundligkeit
tag=täglich nur verschiessen
vor Pulver/Lippen=safft.
Mit lautern kurzen Spiessen
wird hier der Sieg geschafft.

3
Mein Filidor/dein Singen
gefiel dem Mavors wohl/
der Pindus must‘ erklingen/
auch so/daß selbst der Pohl/
sich wandte von den Sebeln:
du nahmst den Feder=kiel
und schriebst von süssen schnäbeln
und von dem Venus=Spiel.

4.
Ei! laß dich weiter hören/
mein süsser Filidor/
du kanst den Krieg verstören.
Mars hält die Faust empor/
und wil der Venus schenken
die Blut bespritzte Fahn‘/
er will nicht mehr gedencken
an Schwerdt und Pusikan.

5.
Drum schreib doch nur was kekker/
Mein Edler Filidor/
dir spricht der kleine Lekker
was heimlich in das Ohr.
Du must ja nichts verschweigen
so dir wird kund gemacht/
Man nimt dich an zum Zeugen
von solcher süssen Schlacht!

Hamb. den 12. Aug.1658

Dem süß=spielendem Filidor
schrieb solches eilig
Nephelidor.
Des löblichen Elbischen Schwanen=Ordens ein Mitschäfer.

 Die Liebe schleifft …

Die Liebe schleifft der Dichter Sinn
und nimt die dunkln Schlakke hin
kaum hat ein Dichter wol geschrieben
übt‘ er sich erst nicht durch das Lieben.

Verlache/Filidor/den Neid
dich schüzzet die gelehrte Zeit
der alten Liebenden Poeten
die keine Zeit noch Neid wird tödten.

Katull/Tibull und dem Properz
sind durch der Liebe weisen Scherz
in Föbus Tempel eingezogen
und über das Gestirn geflogen.

Virgil/Horaz und den das Land
der Geten endlich hat verbrandt
sind mit viel tausend durch den Orden
der Lieb‘ anerst berühmet worden.

Seht unsre Deutsche Lichter an/
ob es die Liebe nicht getahn
Daß unsre Sprache reine stehet
und andern zu der Rechten gehet.

Die Lieb‘ erhebet unsern Geist
daß er sich aus dem Staube reist
und lernet hohe Sachen schreiben
die ein nicht=froh muß lassen bleiben.

Wer aber nu sich bildet ein
du müstest in der Taht so sein
wie du dich hier hast außgegeben:
der kennet dich nicht/nicht noch dein Leben.

Laß richten/wer da richten wil/
halt du drum nicht die Feder still:
ich weiß du hast schon abgefasset
darob der blasse Neid erblasset.

Diß schikket dir auß den Lager im Podlaschen
dein unverenderlicher
Chirander.

 Wer küßt die greisen Haare?

I.
Laß uns/Kind der Jugend brauchen/
weil uns noch die Schönheit blüht:
Wenn die Geister einst verrauchen
und die Todten=farb‘ umzieht
unser runzlichtes  Gesichte:
Wer begehrt denn unsern Kuß?
Nimm sie an der Rosen Früchte/
eh ihr Blat verwelken muß.

2.
Ob die Alten murzisch zanken/
nehmen sie der Freude wahr;
muß man drumm mit ihnen krankken?
Nein/ich acht‘ es nicht ein Haar.
Sollte der mich Sitten lehren/
der bereit hat außgelehrt?
Denn wird‘ ich mich auch bekehren/
wenn mein Alter sich verkehrt.

3.
Die besüßten Frühlings=tage
lauffen flügel=schnelle fort/
denn so hilft uns keine Klage/
kein erseufzend Bitte=wort/
sie gedenken nie zurükke:
Was hin ist/das bleibt hin.
Diß beruht auff einem Blikke/
daß ich froh und traurig bin.

4.
Drum so brauch mein Kind/der Zeiten/
weil die Zeiten grünend sein.
Was uns bleibt sind Traurigkeiten/
gehn uns diese Zeiten ein.
Ey wie plötzlich kömmt die Stunde/
daß uns Kloro in der Eil
schießt die Rosen von dem Munde
durch des Todes Frevel-Pfeil.

5.
So sey mit den Scharlachs-Wangen/
Schöne/ferner nicht zu teur/
Linder meiner Qwaal Verlangen/
Kühl‘ /ach! kühl der Liebe Feur!
Wo von den besüssten Fluhten/
deines Zukker-Mündgens Naß/
mir kein Tau ist zuvermuhten
wird‘ ich noch vor Abends blaß.

Gib zwey Küßchen/gib mir eines
soll es ja kein mehres sein/
gib/mein Schazz/mir nur nicht keines/
wiltu mich dem Todten-Schrein
auff ein wenigs noch ersparen.
Was nuzze denn ein kalter Kuß
wenn ich auff der Leichen-Baaren
deiner Reu erst warten muß?

 Der Haß küsset ja nicht

1.
Die ernstliche Strenge steht endlich versüsset/
die qweelende Seele wird einsten gesund.
  Ich habe gewonnen/ ich werde geküsset/
  es schallet und knallet ihr zärtlicher Mund
  die Dornen entweichen/
  die Lippen verbleichen
indehm sie die ihre den meinen auffdrükkt.
Ich werd‘ außder Erde zun Göttern verschikkt.

2.
Ihr klagende Plagen steht jetzo von fernen/
  es fliehe der ächzende krächzende Neid!
Mein Gang ist gegründet auch über die Sternen
  ich fühle der Seeligen spielende Freud‘.
    Es flammen die Lippen,
    Die rößlichte Klippen,
  die blühen und ziehen mich lieblich an sich.
  Was acht‘ ich dich Honig! was, Nektar=wein, dich!

3.
Durch dieses erwieß es ihr süsses Gemühte/
  sie wolle/ sie solle die Meinige sein.
Nu höhn‘tch der Könige Zepter und Blüte/
  mich nimmet der Vorraht Eufrates nicht ein.
    Kan ich sie nur haben:
    was acht‘ ich der Gaben,
  der siegenden Krieger un Kapitolin,
  die durch die bekränzeten Pforten einziehn!

4.
Ich habe die Schöne mit nichten gewonnen
  mit Solde von Golde/ mit Perlenem Wehrt/
und scheinenden Steinen in Bergen geronnen/
  den Tyrischen Purpur hat sie nie begehrt.
    die Zeilen/ die süssen
    aus Pegasus' Flüssen
  die haben ihr härtliches Hertze gerührt:
  Nu stehet mein Lorber mit Myrten geziert.





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