lifedays-seite

moment in time



 
Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Deutscher Barock




Catharina Regina von Greiffenberg, Freiin von Seyssenegg, (* 7. September 1633 auf Schloss Seisenegg in Viehdorf bei Amstetten in Niederösterreich; † 10. April 1694 in Nürnberg) war eine in der protestantischen Mystik verwurzelte geistliche Lyrikerin. Sie zählt zu den bedeutendsten österreichischen Lyrikerinnen der Barockzeit.

 
Auf den Kornschnitt


SChneidet / schneidet ab mit Freuden / was der milde Himmel gibt /
die verguldte Lebens-Kron / fechsnet ietzund in die Scheuren:
GOtt wird sie / wie auf dem Feld / segnen auch in euren Mäuren.
Dem Allwesenden / durch diese / auch zu uns zukommen liebt.

     Die vermenschet’ Allheit nachmals / in dem Brod / in uns sich schiebt /
bey dem GOttes-Wunder-Tisch / durch ihr starkes Lieb-anfeuren.
Dieses GOtt- nit Engel-Brod / laß die Sünde nicht versäuren!
Ewig es begabt und labet / alles anders bald verstübt.
     Zwar es ist hoch dankens wehrt / auch das Leiblich Segen-geben.

Doch ach! was die Seel’ ergetzet / äusserst zu erwünschen ist.
Schatten / Pfeil / und Flügel-Art ist / mit seinem Gut / diß Leben.
     Gib mir / was du wilt / von diesem: nur das / was du selber bist /
Seeligkeit und Ewigs Gut / bitt ich / mir nit zuversagen.
Wer nur nach dem Höchsten zielt / wird das kleine schon erjagen.

 Auf Höchst-erwehnten Wunder-Tag

   O nie-gesehne Sach! ein Jungfrau-Mutter wieget /
denselben / der doch selbst die Haubtbewegung ist.
Er hat zur lieg statt ihm ein spannbreit Ort erkiest.
Der / so die Erd' umspannt / ietzt in der Krippen lieget.
   Er lässt den Himmels-Saal / und sich in Stall herfüget.
Ach mein Herz! daß du nicht stat seiner Windeln bist /
und Lieb-verbindlichst stark umfängest deinen Christ!
Ach daß ich ihn ein mal in meine Arme krieget'!
   Ach Ochs und Esel / weicht und lasst mir euren Platz!
daß ich bedienen kan den kleinen Tausend Schatz.
Was unrecht! dieser / der die Federn selbst erschaffen
   muß auf dem harten Stroh ohn alle Federn schlaffen.
mein Herz ist feder-voll / fliegt dir mein Heiland zu:
Ach würdig' es so hoch / und in demselben ruh!


 Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff

   Wie sehr der Wirbelstrom so vieler Angst und plagen
mich drähet um und um / so bistu doch mein Hort /
mein mittel punct / in dem mein Zirkel fort und fort
mein Geist halb hafften bleibt vom sturm unausgeschlagen.
   Mein Zünglein stehet stät / von Wellen fort getragen /
auf meinen Stern gericht. Mein Herz und Aug' ist dort /
es wartet schon auf mich am Ruhe-vollen Port:
dieweil muß ich mich keck in weh und See hinwagen.
   offt will der Muht / der Mast / zu tausend trümmern springen.
Bald thun die Ruder-Knecht / die sinnen / keinen Zug.
Bald kan ich keinen Wind in glaubens-Segel bringen.
   jetz hab ich / meine Uhr zu richten / keinen fug.
Dann wollen mich die Wind auf andre zufahrt dringen,
bring' an den Hafen mich / mein Gott / es ist genug!






oben
________________________________
Textgrundlage aus: Geistliche Sonnette/ Lieder und Gedichte/
zu Gottseeligem Zeitvertreib […] Catharina Regina von Greiffenberg 
Auf den Kornschnitt“ S. 242, 1. Auflage, ED: 1662, Verlag
In Verlegung Michael Endters, Erscheinungsort: Nürnberg

Textgrundlage: "Auf Höchst-erwehten Wunder-Tag"

Textgrundlage: "Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff"

Logo 407: "Still-Life with Musical Instruments", Pieter Claesz,
1623, gemeinfrei
wikipedia
   lifedays-seite - moment in time