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Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Deutscher Barock





Georg Rodolf Weckherlin: Lyrik

 
Von ihren überschönen Augen

Ihr Augen, die ihr mich mit einem Blick und Blitz
Scharpf oder süß nach Lust könnt strafen und belohnen,
O liebliches Gestirn, Stern', deren Licht und Hitz
Kann, züchtigend den Stolz, der Züchtigen verschonen:

Und ihr, der Lieb' Werkzeug, Kundschafter unsrer Witz,
Augbrauen, ja vielmehr Triumphbogen, nein, Kronen,
Darunder Lieb' und Zucht in überschönem Sitz,
Mit brauner Klarheit Schmuck erleuchtet, leuchtend wohnen!

Wer recht kann eure Form, Farb, Wesen, Würkung, Kraft,
Der kann der Engeln Stand, Schein, Schönheit, Tun und Gehen,
Der kann der wahren Lieb' Gewalt und Eigenschaft,

Der Schönheit Schönheit selbst, der Seelen Freud und Flehen
Und der Glückseligkeit und Tugenden Freundschaft
In euch (der Natur Kunst besehend) wohl verstehen!

Textgrundlage
 Abwesenheit

Auf, auf, fleug bald mein junges herz
zu deren, die dich allein nähret;
sag ihr, wie übergroßer schmerz
von ihretwegen mich bethöret.

Sag ihr, wie mein geist tag und nacht
nichts dan klagwort von ihr erdichtet,
und wie der lieb zu große macht
in mir schier die vernunft vernichtet.

Sag ihr, wie die abwesenheit
mein angesicht untröstlich netzet,
und wie ihr süße freindlichkeit
mich, leider! tödlich jetz verletzet.

Doch sag auch, daß, wan in der pein
not, trübsal, elend, angst und klagen
sie meiner ingedenk wird sein,
ich selig, solches zu ertragen.

Textgrundlage: gedichte.xbib


 An die Marina
Ein rundum.

Ihr wisset was für schwere klagen,
für große schmerzen, sorg und plagen
mich eure schönheit zart und rein
und eurer braunen augen schein
schon lange zeit hat machen tragen.
Was solt ich euch dan weiters sagen,
weil uns die lieb zugleich geschlagen,
dan das uns jetzt kan füglich sein,
ihr wisset was.
Derhalben länger nicht zu zagen,
so wollet mir nu nicht versagen
vil tausend küß für tausend pein;
und weil wir beed jetzund allein,
so lasset uns auch vollends wagen
ihr wisset was.

Textgrundlage: gedichte.xbib


 An meinen sohn

Daß gegen allen freindlich sein,
sehr löblich sei, laß ich passieren;
doch wirst du, glaub mir, nichts verlieren,
so du mit niemand zu gemein.
du magst wol minder freud genießen,
doch minder wird man dich verdrießen.

Textgrundlage:
gedichte.xbib


 An mein buch

Wol, büchlein, wilt du es ja wagen,
so zeuch hinaus mit gutem mut,
dan demnach dein gewissen gut,
so gilt es gleich, was man wird sagen.

Demütig küssend zu begrüßen
der großmächtigen göttin hand,
soll dich misgunst und unverstand
weder verhindern noch verdrießen.

Gefallen kanst du gar nicht allen,
gefallen vilen, ist zu vil:
hast also dein gewisses spil,
daß du wirst wenigen gefallen.

Jedoch wie wenig diser seien,
seind sie gnug, weil sie gut und from:
und sie, bei denen du willkom,
für unfall werden dich schon freien.

Wan du dan so wol aufgenommen
für andern kämest auch herfür,
so wollen frölich bald nach dir
mehr schönere geschwistrigt kommen.

Textgrundlage: gedichte.xbib






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