Werk und
Wirken einzelner Autoren des Humanismus
Der
erste Humanistenkreis nördlich der Alpen sammelt sich am Hof Karls IV.
in Prag um dessen Kanzler Johannes von Neumarkt nach 1350. Er steht
unter dem Einfluss von Cola di Rienzo und Petrarca. Hier entstehen
Übersetzungen lateinischer Schriftsteller und Sammlungen von
Musterbriefen in der böhmischen Kanzleisprache. Der "Ackermann aus
Böhmen" entstammt diesem Kreis. Etwa ein Jahrhundert später sammelt
sich am Wiener Hof Friedrichs III. um dessen Sekretär Enea Silvio
Piccolomini, den späteren Papst Pius II., eine Gruppe von
Schriftstellern und Übersetzern. Dem Heidelberger Kreis gehören
Wimpfeling, der Historiker und Schöpfer des ersten Humanistendramas,
Johannes Reuchlin (1455-1522), der Verfasser der ersten hebräischen
Grammatik, und der Dichter Celtis an. Der Nürnberger Kreis um Willibald
Pirckheimer ist vorwiegend historisch interessiert. Aus dem Erfurter
Kreis entstammen die so genannten "Dunkelmännerbriefe" von Crotus
Rubeanus und Ulrich von Hutten. Der Wittenberger Kreis um Melanchthon
ist reformatorisch und pädagogisch tätig. Der Augsburger Kreis um
Peutinger beschäftigt sich vorwiegend mit der Geschichte.
Die
Dramatiker des Humanismus knüpfen an die Dramen von Terenz, Plautus und
Seneca an, denen sie die Kunst des Aufbaus, die Einteilung in Akte und
Szenen, die Umrahmung des Stücks durch Prolog und Epilog entnehmen. Die
neuen Dramen sollen den Geist des Humanismus und die lateinische
Sprache verbreiten. Besonders das Schultheater an Gymnasien dient
diesem ethisch-didaktischen Zweck.
Erasmus von
Rotterdam, 1469-1536
Erasmus
von Rotterdam, der bedeutendste Humanist, kommt aus der Schule der
niederländischen "Brüder vom gemeinsamen Leben", deren mystische
Laienfrömmigkeit bereits reformatorische Züge aufweist (devotio
moderna). Er verbindet die Weisheit der Antike mit der Ethik des
Christentums. Seine heitere Menschlichkeit, gepaart mit Skepsis und
Ironie, sein Sinn für Maß und Harmonie, seine Toleranz und seine
Feindschaft gegen dogmatische Enge stehen im Gegensatz zu den radikalen
Forderungen der Reformatoren.
Martin
Luther, 1483-1546
Luthers
Sprache ist das Meißnische, das aus Dialekten der Siedler aus dem
nieder-, mittel- und oberdeutschen Raum entstanden ist. Diese
Sprachform erfüllt er mit dem Geist, dem Wortschatz, der
Anschaulichkeit und Schlichtheit der Volkssprache und wird durch
Bibelübersetzung und reformatorische Schriften ("Von der Freiheit eines
Christenmenschen" u.a.) zum Wegbereiter der neuhochdeutschen
Schriftsprache. Er prägt viele neue Wörter und Begriffe (z.B.
Feuereifer, Lückenbüßer, Mördergrube), Redensarten (z.B. das tägliche
Brot), bildhafte Gleichnisse (z.B. seine Hände in Unschuld waschen)
sowie eine Fülle von Sprichwörtern (u.a. Unrecht Gut gedeihet nicht)
und geflügelten Worten.
Luther
gilt als der Schöpfer des evangelischen Kirchenlieds, das die aktive
Beteiligung der Gemeinde am Gottesdienst ermöglicht. Als Nachdichtungen
lateinischer Hymnen ("Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen"),
angeregt durch Psalmen ("Aus tiefer Not schrei ich zu dir", "Ein feste
Burg ist unser Gott") oder in volksliedhafter Form ("Vom Himmel hoch,
da komm ich her") dichtet er 41 Lieder.
Ulrich von
Hutten, 1488-1523
Der
fränkische Ritter Ulrich von Hutten, der in Köln, Erfurt, Padua und
Bologna studiert hat und zeitlebens ein rastloses Wanderleben führt,
ist der Wortführer des aktiv-politisch patriotischen Humanismus. Er
bekämpft Papsttum und römische Kirche und propagiert ein nationales,
geeintes Deutschland unter einem mächtigen Kaiser. Nach Luthers Vorbild
schreibt er auch deutsch. In seinem satirischen "Gesprächsbüchlein"
prangert er kirchliche Missstände an.
Textformen
und Gattungen
Die
Literatur des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit ist
fast ausschließlich eine Literatur des Stadtbürgertums. Die Bürger, die
durch Handel und Gewerbefleiß wohlhabend werden und innerhalb ihrer
mauerbewehrten Städte gotische Dome und Rathäuser bauen, drängen auch
in der Literatur nach eigenen Ausdrucksformen. Die Unsicherheit des
Lebensgefühls dieser Epoche spiegelt sich in einer Vielfalt der
Literaturgattungen. Minnesang und höfische Spruchdichtung finden im
zunftmäßig organisierten Meistersang zünftiger Handwerker ihre
Nachahmung. Aus den Ritterepen entwickeln sich die Volksbücher, d.h.
unterhaltende Prosaerzählungen. Schwanksammlungen und Fastnachtsspiele
dienen ebenfalls der Unterhaltung. Eine reichhaltige satirische
Literatur geißelt die Missstände der Zeit und die Torheit der Menschen.
Meistersang
Der
Meistersang, die Kunstform städtischer Zunfthandwerker, hat seinen
Ursprung in den kirchlich organisierten Singbruderschaften, die bei
Prozessionen und Feiern auftraten und jährlich zweimal Wettsingen in
der Kirche veranstalteten. Die Fahrenden vermittelten ihnen die
Kenntnis der Formen höfischer Lyrik. Die
Zurückführung des Meistersangs auf die 12 alten Meister (Reinmar,
Walther, Wolfram usw.) ist spätere Erfindung. Seine Blüte erlebt der
Meistersang um 1500 in Nürnberg.
Der
Meistersang ist eine handwerklich-pedantische Kunstform nach äußeren
schulmäßigen Regeln, der Ursprünglichkeit und Natürlichkeit fehlen.
Inhaltlich herrscht trockene Lehrhaftigkeit vor.
Hans Sachs,
der Zeitgenosse Albrecht Dürers und Peter Vischers, wird 1494 in
Nürnberg als Sohn eines Schneiders geboren. Nach dem Besuch der
Lateinschule erlernt er das Schuhmacherhandwerk; der Leinenweber
Nunnenbeck führt ihn in die Kunst des Meistersangs ein. Nach einigen
Jahren der Wanderschaft durch Süddeutschland lässt er sich in seiner
Vaterstadt nieder und entfaltet reiche literarische Tätigkeit. Er
verfasst über 4000 Meisterlieder, über 1500 Schwänke und etwa 200
dramatische Werke. 1576 stirbt er im Alter von 82 Jahren.
Schwank
Als
Schwank wird die dramatische oder epische Darstellung einer komischen
Begebenheit bezeichnet. Die Verspottung eines Dummen durch einen
Gerissenen ist ein häufiges Motiv. Die Charaktere sind meist nur
typenhaft angedeutet; die Handlung ist ohne Rücksicht auf
Wahrscheinlichkeit gestaltet. Die bekanntesten Schwänke stammen von Hans Sachs (s.o.) und Jörg Wickram ("Rollwagen-Büchlein",
1555).
Satire und
Narrenliteratur
Sebastian Brant
führt 1494 in seinem "Narrenschiff" 112 Narrentypen (Bücher-, Buhl-,
Kleider-, Spiel- und Habsuchtsnarren usw.) vor, die auf einem Schiff
nach Narragonien segeln. Indem er das menschliche Leben als eine
gedankenlose Schiffsreise mit ungewissem Ausgang darstellt, will er
seinen Mitmenschen in einem moral-satirischen Weltspiegel alle
Gebrechen, Fehler und Sünden unter dem einheitlichen Begriff der
Narrheit vor Augen stellen. Dabei sind Zeitkritik und Sündenschelte oft
untrennbar miteinander verbunden. Durch die Personifizierung der Laster
und durch eindrucksvolle Holzschnitte wird große Anschaulichkeit
erreicht. Das Werk begründet die so genannte Narrenliteratur mit
eigenen Themen und Motiven, die zwei Jahrhunderte blüht. Von seinen
Zeitgenossen wird Brant neben Homer, Dante und Petrarca gestellt.
Textgrundlage