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Literatur


04.2


Literarische Epochen

Verzeichnis der literarischen Epochen
Romantik



 
Die Libelle

Es ist die Libelle, die blaue,
Im Käferland die schönste Person.
Die Schmetterlinge sind mit Passion
Verliebt in die schöne Fraue.

Sie ist so fein von Hüften,
Sie trägt ein Flügelkleid von Gaß;
In jeder Bewegung Ebenmaß,
Gaukelt sie keck in den Lüften.

Die bunten Buhlen fliegen
Ihr nach, und mancher junge Fant
Schwört laut: Ich geb dir Holland und Brabant,
Willst du meiner Brunst dich fügen.

Da spricht die falsche Libelle:
Holland und Brabant, die brauch’ ich nicht;
Ich brauche nur ein Fünkchen Licht,
Damit ich mein Stübchen erhelle.

Kaum hören sie diese Töne,
Und die Verliebten flattern wetteifernd fort;
Sie suchen geschäftig von Ort zu Ort
Ein Fünkchen Licht für die Schöne.

Sieht einer eine Kerze,
So stürzt er drauf zu, wie blind und bethört;
Und die Flamme den armen Käfer verzehrt,
Ihn und sein liebendes Herze.

Die Fabel ist japanisch;
Doch auch in Deutschland, liebes Kind,
Gibt es Libellen, und sie sind
Gar sehr perfid und satanisch.



 Spätherbstnebel

  Spätherbstnebel, kalte Träume,
Überfloren Berg und Thal,
Sturm entblättert schon die Bäume,
Und sie schaun gespenstisch kahl.

Nur ein einz’ger, traurig schweigsam
Einz’ger Baum steht unentlaubt,
Feucht von Wehmuthsthränen gleichsam,
Schüttelt er sein grünes Haupt.

Ach, mein Herz gleicht dieser Wildniß,
Und der Baum, den ich dort schau
Sommergrün, das ist das Bildniß,
Vielgeliebte, schöne Frau!






oben
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Textgrundlage:
„Die Libelle“, Heinrich Heine, aus:
Deutscher Musenalmanach 1857, Band 7, S. 385-386,
Herausgeber Christian Schad, ED 1857, Verlag:
Stahl‘sche Buchhandlung, Würzburg
wikisource.org


Textgrundlage:
"Spätherbstnebel, kalte Träume",
Heinrich Heine, aus: Neue Gedichte, Seite 54, 1. Auflage
ED: 1844, Verlag:  Hoffmann und Campe
wikisource.org


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"Mönch im schnee", Caspar David Friedrich,
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